Knatsch um TreibstoffabgabenBundesrat überdenkt verbilligten Diesel für Traktoren und Pistenbullys
Landwirte und Betreiber von Skigebieten erhalten die Mineralölsteuer zurückerstattet. Wegen des Klimas stellt der Bundesrat dies nun infrage. Doch der Widerstand ist gross.
Wer Benzin oder Diesel tankt, zahlt stets auch Mineralölsteuer – fast 80 Rappen pro Liter. Doch einige erhalten einen Teil davon zurück. Zum Beispiel die Bauern. Rund 40’000 Betriebe reichen Jahr für Jahr ein entsprechendes Rückerstattungsgesuch ein. Und sie sind nicht die Einzigen.
Dieses Privileg steht auch den Förstern, Berufsfischern, Skigebieten und konzessionierten Verkehrsbetrieben zu. Sie kriegen rund drei Viertel der bezahlten Mineralölsteuer retour. Aber nun stellt der Bundesrat dies infrage. Wegen der Klimaerwärmung.
Es geht um 65 Millionen Franken
«Der Bundesrat arbeitet darauf hin, klimaschädliche Subventionen zu reformieren», hat er gegenüber dem Parlament versichert. Bereits entschieden hat er beim öffentlichen Verkehr. Dieser soll ab 2026 keine Rückerstattung mehr geltend machen dürfen.
Darüber hinaus beauftragte die Landesregierung das Wirtschaftsdepartement von Guy Parmelin, «auch die Rückerstattungen an die übrigen Branchen möglichst konform zur Klimapolitik auszugestalten». Zu berücksichtigen seien ferner die Auswirkungen auf die Biodiversität von schweren Fahrzeugen in der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und im Tourismus. Damit will die Schweiz internationalen Abkommen Rechnung tragen. Noch in diesem Jahr soll das federführende Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) dem Bundesrat einen entsprechenden Bericht vorlegen.
Die Eidgenössische Finanzkontrolle sah die Rückerstattungen bereits 2018 «im Widerspruch zu gewissen internationalen Verpflichtungen der Schweiz im Klimabereich». Der heutige Rückerstattungsmechanismus sei «veraltet» und gehöre abgeschafft. Wolle der Bundesrat die Landwirtschaft wirtschaftlich unterstützen, könne er dies über Direktzahlungen machen, so die Finanzkontrolle. Konkret geht es um rund 65 Millionen Franken.
«Ich traue dem Bundesrat überhaupt nicht»
Für den Bauernverband ist eine solche Verlagerung aber keine Option. Präsident Markus Ritter befürchtet, dass die Landesregierung die Direktzahlungen über kurz oder lang wieder reduzieren würde. «Ich traue dem Bundesrat überhaupt nicht», winkt er ab. Ihm sind die im Gesetz verankerten Rückerstattungen lieber.
Ritter widerspricht auch vehement dem Vorwurf, die Rückerstattungen seien klimaschädlich. Im Landwirtschaftsbereich treffe das Gegenteil zu. Anders als bei den Pistenfahrzeugen und Berufsfischern erfolgt die Rückerstattung an die Bauern nämlich nicht pro verfahrenen Liter. Stattdessen beruht sie auf einer Schätzung, die sich nach der bewirtschafteten Fläche richtet.
Die Art und Weise, wie dieser Anspruch berechnet wird, zeugt von einer hoch entwickelten Schweizer Agrarbürokratie. Sie soll sicherstellen, dass ein Bauer nur für Fahrten auf seinem Hof eine Rückerstattung erhält. Fährt er dagegen zur Kirche, in den Ausgang oder an eine Gemeindeversammlung, hat er keinen Anspruch.
Dahinter steht die Idee, dass der Bauer jenen Teil der Mineralölsteuer zurückbekommen soll, der für die Strassen zweckgebunden ist. Für Strassen also, die der Landwirt gar nicht braucht, wenn er seinen Acker pflügt.
1500 Franken pro Betrieb
Die Agrarbürokratie behilft sich mit dem sogenannten Normverbrauch. Dieser gibt an, wie viel Treibstoff das Bewirtschaften einer Hektare im Durchschnitt erfordert. Nun ist aber nicht jede Hektare gleich treibstoffbedürftig. Daher erstattet der Bund für eine Hektare Rebberg doppelt so viel Geld zurück wie für eine Hektare Wiese. Gemüsebauern erhalten gar das Viereinhalbfache, und für die Schnittblumenkulturen gibt es das Dreifache.
Dank dieses Regelwerks müssen die Bauern keine Treibstoffrechnungen präsentieren. Stattdessen kann der Bund den Anspruch anhand der Fläche errechnen, die er ohnehin schon erhoben hat. Die Bauern müssen nur noch Jahr für Jahr ein Formular einreichen, in dem sie das Geld geltend machen. Pro Betrieb fliessen durchschnittlich rund 1500 Franken.
Ein Landwirt erhält also nicht weniger Geld zurück, wenn er beim Diesel spart. Entsprechend sei die Rückerstattung auch nicht klimaschädlich, so Bauernverbandspräsident Ritter. Die Landwirte hätten einen unverminderten Anreiz, weniger Treibstoff zu verbrauchen, um so nebst der Umwelt auch ihr Portemonnaie zu schonen.
Anders läuft es bei den Pistenfahrzeugen: Hier wird die Mineralölsteuer nach dem effektiven Verbrauch zurückbezahlt. Man geht also davon aus, dass Pistenbullys ohnehin nicht auf Strassen verkehren, weil niemand mit ihnen in den Ausgang oder zur Kirche fährt.
Motocross-Sportler und Bootfahrer gehen leer aus
Insgesamt erhalten die Skigebiete rund 10 Millionen Franken pro Jahr zurückerstattet. Dieses Privileg haben sie sich vor zehn Jahren im Parlament erkämpft – gegen den Willen des Bundesrats. Andere Gruppen wie Motocross-Sportler oder Freizeitböötler, die ebenfalls ausserhalb von Strassen fahren, haben dagegen keinen Anspruch auf eine Rückerstattung der Mineralölsteuer.
Nun wollen die Skigebiete dafür kämpfen, dass sie ihr Privileg nicht schon wieder verlieren. Die bestehende Praxis habe sich bewährt und sei effizient, sagt Berno Stoffel, Direktor des Verbands Seilbahnen Schweiz.
Die öffentlichen Verkehrsbetriebe hingegen sind bereit, mittelfristig auf die Rückerstattung zu verzichten – weil sie im Gegenzug eine Anschubfinanzierung fürs Umstellen auf Busflotten mit umweltfreundlichem Antrieb erhalten. Sie wollen aber noch vier Jahre länger von den Rückerstattungen im Umfang von jährlich rund 80 Millionen Franken profitieren. Entscheiden wird das Parlament.
«Wir haben aufzeigen können, dass wir einen Anspruch auf diese Gelder haben und dass sie dem Klima nicht schaden.»
Die Bauern wiederum sind zuversichtlich, bereits den Bundesrat überzeugen zu können. «Wir haben aufzeigen können, dass wir einen Anspruch auf diese Gelder haben und dass sie dem Klima nicht schaden», so Roman Engeler, der als Direktor des Schweizerischen Verbands für Landtechnik die Gespräche mit dem Bund geführt hat.
Sollte der Bundesrat die Rückerstattung dennoch abschaffen wollen, würden sich die Bauern im Parlament wehren. Und gewinnen, wie Markus Ritter sagt. Bereits vor drei Jahren konnten sie einen entsprechenden Vorstoss von GLP-Präsident Jürg Grossen mit 100 zu 82 Stimmen versenken. «Wir haben», weiss Ritter, «gute Verbündete.»
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