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Mehr Bauern im Parlament
Markus Ritters Bauernlobby wächst – und will Grünen-Nationalrat rauswerfen

Markus Ritter, Nationalrat Die Mitte und Praesident des Schweizer Bauernverbandes, posiert fuer ein Portrait auf seinem Hof, am Mittwoch, 22. Maerz 2023, in Altstaetten. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
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Es gibt kaum eine Lobby, die so gut im Bundeshaus vertreten ist wie die der Landwirtschaft. 34 Bäuerinnen und Bauern sassen in der vergangenen Legislatur im Parlament. Das ist knapp jeder siebte Parlamentarier respektive jede siebte Parlamentarierin.

Für Bauernpräsident Markus Ritter sind das zu wenige. Der erfolgshungrige Mitte-Nationalrat kündigte schon im Frühling an, er wolle 15 zusätzliche Sitze aus dem ländlichen Raum: 12 im National-, 3 im Ständerat. Und sein Ziel sei es, damit die Hälfte der Verluste von Bürgerlichen und Mitte 2019 wettzumachen. 

«Die Rechnung geht auf», sagt Ritter am Montagmorgen nach den Wahlen am Telefon, als er die erste Rechnerei hinter sich hat. Er gluckst ein wenig vor Freude: «Ich konnte es selber fast nicht glauben.»

«Der Wahlkampf ist noch nicht vorbei»

Der Nationalrat wächst gemäss Ritters Analyse um 11 wirtschafts- und bauernfreundliche Stimmen. Diese Redaktion hat die Ergebnisse überprüft. Berücksichtigt hat Ritter vor allem die gewonnenen Sitze der SVP (+9), des MCG in Genf (+2) und der EDU (+1) und den Sitzverlust der FDP.

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Dass Ritter auch auf Wirtschaftsvertreter zählt, liegt am Bündnis «Perspektive Schweiz», das der Bauernverband mit Economiesuisse, Arbeitgeber- und Gewerbeverband geschlossen hatte. Was von den Linken als «Geld und Gülle»-Allianz verspottet wurde.

Im Ständerat rechnet der Bauernpräsident mit drei neuen Mitgliedern für seine Anliegen. Die meisten müssen sich aber im zweiten Wahlgang behaupten. Einzig die St. Galler SVP-Ständerätin Esther Friedli wurde als Zugewinn bereits bestätigt. «Der Wahlkampf ist noch nicht vorbei, das ist erst ein Etappensieg gewesen», sagt Ritter.

Salez, Sennwald, St. Gallen, Schweiz, 22. April 2023 -  Esther Friedli und Bauernverbandspraesident Markus Ritter an der Jubilaeumsviehschau in Salez Sennwald.

Auch die Rechnerei geht weiter. Der Berner SVP-Ständerat Werner Salzmann liess sich auch für den Nationalrat aufstellen, wurde gewählt, am Montag dann aber in stiller Wahl im Ständerat bestätigt*. Damit dürfte für ihn der Bauer und Parteikollege Hans Jörg Rüegsegger im Nationalrat nachrücken. Gleiches wird passieren, wenn Favorit Benjamin Giezendanner (SVP, Aargau) im zweiten Wahlgang für den Ständerat bestätigt wird. Auch dann würde ein Bauer seinen Sitz in der grossen Kammer einnehmen. Damit wird die landwirtschaftliche Seite nochmals gestärkt.

Im harten Kern verlangt man Loyalität

Entscheidend dafür, dass die Bauernanliegen in Bern Gehör finden, ist die Konferenz der bäuerlichen Parlamentarier (KBP). Sie bildet den harten Kern der Bäuerinnen und Bauern und zählte bis zum Wahlsonntag 34 Köpfe.

Darunter sind auch wenige linke Bäuerinnen wie die Baselbieterin Maya Graf. Zwar traten einige Mitglieder der Konferenz nicht mehr an oder wurden abgewählt. Trotzdem rechnet Ritter mit einem Zuwachs von 5 Mitgliedern – und damit 39 Vertreter. 

«Wenn jemand nicht viel mit unseren Positionen anfangen kann, macht es keinen Sinn, ihn in der Konferenz zu haben.»

Markus Ritter, Bauernpräsident

Namen will er noch keine nennen. Mitmachen darf nur, wer vom Bauernverband jeweils zu Beginn der Legislatur eingeladen wird. Die Einladungen werden dieser Tage verschickt.

Die Bedingungen: ein starker Bezug zur Landwirtschaft und obligate Treffen zum Beginn jeder Session. Dort präsentiert der Bauernverband seine Positionen zu anstehenden Geschäften – und hofft auf eine «gewisse Loyalität», wie es Ritter vorsichtig formuliert.

«Wir befehlen keinem, was er abzustimmen hat», sagt Ritter. Trotzdem haben es jene schwer, die nicht dieselbe Linie fahren. Das zeigt das Beispiel von Kilian Baumann.

Grünem Nationalrat droht Rauswurf

Der Berner Grünen-Nationalrat ist Biobauer – und mit seinen Forderungen für eine nachhaltige Landwirtschaft den konservativen Kreisen ein Dorn im Auge. Ritter signalisiert denn auch klar, dass er Baumann nicht mehr zur Konferenz einladen will. «Wenn jemand nicht viel mit unseren Positionen anfangen kann, macht es keinen Sinn, ihn in der Konferenz zu haben», sagt Ritter. Er sei auch enttäuscht, dass Baumann «nicht einmal» Mitglied des Berner Bauernverbands werden wolle und damit keine Mitgliederbeiträge zahle.

Baumann zeigt sich auf Anfrage erstaunt über den drohenden Rauswurf. Als Landwirtschaftsvertreter mit starkem ökologischem Fokus repräsentiere er eine wichtige Strömung innerhalb der Landwirtschaft. Baumann will deshalb in der KBP weiter mitwirken. «Es braucht im Lager der Bauern vielfältige Stimmen.» 

Medienkonferenz zu den National- und Staenderatswahlen 2023 der Gruenen Kanton Bern im Restaurant «las alps».

Es sprechen:
- Kilian Baumann, Nationalrat

am 21. August 2023 in Bern. Foto: Nicole Philipp/Tamedia AG

Baumann hat die Wiederwahl geschafft und im Kanton Bern von allen grünen Kandidaten sogar das beste Resultat erzielt. In Bauernkreisen hatte er sich früher aber auch Feinde gemacht, unter anderem weil er die Trinkwasser- und die Pestizidinitiative befürwortet hatte. Nun aber hat Baumann auf dem Land vergleichsweise viele Stimmen geholt – und dies trotz eines Inserats in der «Bauernzeitung», das auf seine Abwahl zielte. Für Baumann ist das ein Zeichen, dass er in Bauernkreisen punkten kann und seine Arbeit in den nächsten vier Jahren «umso wichtiger» ist.

Illusionen macht er sich aber nicht. Ökologische Anliegen hätten es in der Landwirtschaft schon in den letzten vier Jahren nicht einfach gehabt. «Mit dem nach rechts gerutschten Parlament wird sich das nun akzentuieren.» Baumann denkt etwa an Massnahmen im Bereich des Klima- und des Artenschutzes, deren Chancen wohl sinken werden. Zudem wurde eine gewichtige grüne Stimme für eine ökologische Landwirtschaft, die Zürcherin Meret Schneider, abgewählt.

«Bauern fehlt entscheidende Figur»

Wohin der Wind künftig weht, zeigt sich auch darin, welche Landwirtschaftanliegen Ritter mit seiner erstarkten Lobby durchbringen will. Gleich zwei fallen in der Wintersession an.

Erstens: die Subventionen. Der Bundesrat will das Agrarbudget 2024 um 2 Prozent (74 Millionen) kürzen. Gleichzeitig hat die Regierung angekündigt, der Landwirtschaft im Zahlungsrahmen 2026 bis 2029 über 300 Millionen streichen zu wollen. «Diese Kürzungen sind absolut nicht akzeptabel, die müssen wir mit Mehrheiten in beiden Kammern verhindern», sagt Ritter.

Zweitens: die Biodiversitätsinitiative. Sie wird gemeinsam mit einem Gegenvorschlag in der Wintersession behandelt. Dort ist laut Ritter vor allem der Ständerat gefragt: «Er darf nicht auf den Gegenvorschlag eintreten.»

Mit dem neuen Parlament werde es für die Bauern einfacher, Umweltschutzauflagen für die Landwirtschaft zu bekämpfen, sagt Claude Longchamp. Wie viele Vertreter die Bauern letztlich im Parlament stellen werden, ist für den Politikwissenschaftler aber nicht der entscheidende Punkt.

Claude Longchamp, Gruender und Verwaltungsratspraesident gfs. bern,
Politikwissenschafter und Historiker. Fotos in der Mehrzweckhalle Lausen, am 24.4.19, kostas maros

Wichtiger findet Longchamp etwas anderes: Jacques Bourgeois, FDP-Nationalrat und langjähriger Direktor des Schweizer Bauernverbands (SBV), trat nicht mehr zur Wiederwahl an. Sein gewissermassen natürlicher Nachfolger wäre Martin Rufer gewesen, der vor drei Jahren Bourgeois’ Posten als SBV-Direktor übernommen hat. Doch Rufer schaffte den Sprung in den Nationalrat nicht: Er scheiterte in Solothurn an seinem freisinnigen Parteikollegen und «Bauernschreck» Simon Michel, dem Chef des Medizinaltechnik-Unternehmens Ypsomed. 

«Damit», sagt Longchamp, «fehlt dem Bauernverband im Parlament eine entscheidende Figur für die Machtpolitik nach innen» – jemand also mit besten Kontakten zu anderen Verbänden, zum Bundesrat und zu den Parteien. Namentlich zur FDP, die als liberale Partei nicht zwingend so stimmt, wie es der Bauernverband wünscht. Das könnte etwa bei der anstehenden Debatte über Direktzahlungen für die Landwirtschaft zu Spannungen führen. Zumal es die FDP-Finanzministerin ist, die diese Kürzungen vertreten wird. 

*Hinweis: In einer ersten Version des Artikels hiess es, Werner Salzmann (SVP) müsse sich im zweiten Wahlgang noch behaupten. Da sich zwei Kandidatinnen respektive Kandidaten zwischenzeitlich zurückzogen, wurden Salzmann und Flavia Wasserfallen (SP) in stiller Wahl gewählt.

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