Berns Stadtpräsident vor AbwahlSP-Frau Marieke Kruit lässt den Grünen von Graffenried klar hinter sich
Rot-Grün verteidigt überraschend den vierten Sitz. Doch die Chancen von Alec von Graffenried, Stadtpräsident zu bleiben, schwinden.
- Marieke Kruit liegt im ersten Wahlgang mit 46,5 Prozent deutlich vorne.
- Ein zweiter Wahlgang wird von Polit-Insidern als unnötig betrachtet.
- Alec von Graffenried muss um seine Position als Stadtpräsident fürchten.
- Melanie Mettler bezeichnete das Ergebnis als ein sehr klares Signal.
Ist Marieke Kruit (SP) Berns neue, Berns erste weibliche Stadtpräsidentin? Der Wahlsonntag beantwortet die Frage noch nicht definitiv: Von den zwei Kandidatinnen und zwei Kandidaten erreichte im ersten Wahlgang niemand das absolute Mehr.
Allerdings liegt Kruit mit 46,5 Prozent der Stimmen so deutlich in Führung, dass ein zweiter Wahlgang fraglich ist. Wie zuletzt bei den Berner Ständeratswahlen ist es möglich, dass die anderen Kandidierenden das klare Verdikt anerkennen und nicht mehr antreten.
«Ich bin überwältigt vom doch sehr guten Resultat», sagte Kruit unmittelbar nach Bekanntgabe des Ergebnisses. «Es ist der Lohn für fast ein Jahr Wahlkampfarbeit.» Obwohl es danach noch die Resultate der Wahl in die fünfköpfige Stadtregierung abzuwarten galt, konnte Kruit nach ihrem Top-Ergebnis davon ausgehen, auch dort am meisten Stimmen zu holen – was dann auch eintrat.
Hinter der 56-jährigen Kruit, bisherige Direktorin für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün, folgt der amtierende Stadtpräsident Alec von Graffenried von der Grünen Freien Liste (GFL), einer Sektion der Grünen Schweiz, mit 26,4 Prozent. GLP-Kandidatin Melanie Mettler mit 17,8 und SVP-Kandidat Janosch Weyermann mit 9,3 Prozent folgen auf den weiteren Rängen.
Zweiter Wahlgang eher unwahrscheinlich
Das Resultat liegt relativ nahe an jenem, das die Forschungsstelle Sotomo Mitte Oktober im Auftrag dieser Redaktion in einer Umfrage ermittelt hatte – mit dem Unterschied, dass Kruits Vorsprung in Realität noch grösser ist als in der Umfrage.
Bei der Interpretation der Umfrageresultate hatte Sotomo-Geschäftsführer Michael Hermann die Ansicht vertreten, dass bei ähnlich deutlichen Wahl- wie Umfrageergebnissen ein zweiter Wahlgang kaum noch nötig sei. Falls Kruit im ersten Wahlgang tatsächlich so weit vorne liegen sollte, könne er sich nicht vorstellen, dass Alec von Graffenried oder Melanie Mettler zu einem zweiten Wahlgang antreten würden.
Von Graffenried äussert sich noch nicht
Stadtpräsident von Graffenried hatte bereits vor der Bekanntgabe der Resultate gegenüber Medienschaffenden erklärt, dass er erst nach Vorliegen der Gemeinderatsergebnisse für Auskünfte zur Verfügung stehe.
Fakt ist: Sein Amt als Stadtpräsident wackelt bedrohlich. Obwohl er die Wiederwahl in die Stadtregierung schaffte, ist es fraglich, wie er angesichts des deutlichen Rückstands im ersten Stapi-Wahlgang eine neuerliche Kandidatur begründen möchte. Um Kruit noch abzufangen, müssten die Wählerinnen und Wähler der bürgerlichen Kandidierenden auch am zweiten Wahlgang teilnehmen – und fast geschlossen von Graffenried wählen.
GLP-Stadtpräsidiumskandidatin Melanie Mettler räumte in einer ersten Stellungnahme nach Bekanntgabe der Ergebnisse der Wahl ins Stadtpräsidium ein, dass das Ergebnis des ersten Wahlgangs «sehr klar» sei. Über eine allfällige Teilnahme an einem zweiten Wahlgang könne sie nicht allein entscheiden, man werde das in der Partei diskutieren.
Aber, so Mettler noch einmal: «Es handelt sich um ein sehr klares Signal der Wahlbevölkerung.» Die Tatsache, dass ihr Bündnis beim Angriff auf einen zweiten Sitz in der Stadtregierung scheiterte, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass auch Mettler zurückzieht. Auch Polit-Insider im Rathaus fanden in einer ersten Reaktion: Diesen zweiten Wahlgang kann man sich schenken.
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