Nationalratswahlen in Zürich«Fristlose Kündigung» für Meret Schneider
Die Prognosen haben sich bestätigt, die Grünen verlieren in Zürich einen Sitz. Es trifft die 31-jährige Meret Schneider.
Meret Schneider ist «verdammt enttäuscht». Sie war am Nachmittag noch am Greifensee, hat in der Natur versucht, keine grosse Sache aus der Wahl zu machen. Aber als das Resultat feststeht, ist für die Grünen-Politikerin aus Uster klar: «Es ist schmerzhaft. Das ist wie eine fristlose Kündigung.» Die Parteikolleginnen und -kollegen muntern sie an der Wahlfeier der Grünen in der Photobastei in Zürich immer wieder auf, etwa indem sie der 31-Jährigen sagen: «Es tut mir leid» oder «Das ist doch ein Seich».
Gründe für die Nicht-Wiederwahl
Meret Schneider vermutet, dass sie nicht wiedergewählt wurde, «weil ich ein bisschen polarisiere, und vielleicht weil ich nicht immer auf der Grünen-Linie war». Dann beispielsweise, wenn sie sich mit den Bauern verbündet habe, «das fanden nicht immer alle gleich gut». Ausserdem habe sie schon im Wahlkampf gemerkt, dass die Menschen nicht das gleiche Interesse an den grünen Themen mehr hätten wie noch vor vier Jahren.
«Nicht alle fanden gut, dass ich mich manchmal mit den Bauern verbündete.»
Deutliche Worte von Schneider
Kann Meret Schneider diesem Resultat doch noch was Gutes abgewinnen? «Nein, im Moment nicht», sagt sie. Es gebe nichts schönzureden. Schönreden liegt ihr auch nicht. Sie benutzt gerne deutliche Worte für ihre Anliegen. Sowohl in den sozialen Medien als auch im Nationalrat. Vor allem wenn es um ihre Kernthemen pflanzliche Ernährung, ökologische Landwirtschaft und Tierwohl geht.
Dann greift Schneider besonders oft zur Vorstoss-Feder – mit 47 eingereichten Motionen ist sie sogar die Rekordhalterin dieser Legislatur. Die Titel ihrer Motionen lesen sich oft auch wie scharfe Tweets. «Frösche in den Teich statt auf den Teller!», «Direktvermarktung stärken», «Stopp dem Littering in der Landwirtschaft».
Viele ihrer Motionen beurteilte der Bundesrat als bereits erfüllt oder als nicht notwendig. Andere sind noch hängig. Vier konnte die Grüne-Politikerin aber durchsetzen. Ihren Vorstoss etwa zur Preistransparenz bei Agrarprodukten oder zur Kostenwahrheit in der Agrarpolitik. Ebenfalls angenommen wurde ihr Auftrag, den Einsatz von robusteren Obst und Gemüsesorten zu fördern, oder ihr Vorschlag zur Anpassung der Tierschutzverordnung dahingehend, dass die Schwänze von Schafen auch vor dem siebten Lebenstag nicht ohne Betäubung coupiert werden dürfen.
Der grösste Erfolg, die grösste Niederlage
Als ihren grössten Erfolg benennt Meret Schneider aber keinen Vorstoss, sondern dass es ihr gelungen sei, einen runden Tisch mit Bauern zu organisieren. «Dort haben wir diskutiert, wo unsere gemeinsamen Anliegen sind und wie wir diese politisch anpacken können», erzählt sie. Aus diesem runden Tisch sei der Vorstoss zur Kostenwahrheit entstanden.
Als grösste Niederlage ihrer politischen Karriere empfindet sie, dass ihr Vorstoss zum Importverbot für Stopfleber abgelehnt worden ist, «da hatte ich wahnsinnig viel investiert».
Wie weiter?
Meret Schneider, studierte Umweltwissenschaftlerin und freischaffende Journalistin, wird weiterhin für Tierschutz einstehen. In der Partei, aber auch auf X (ehemals Twitter). Ausserhalb des Parlaments fällt die 31-Jährige nämlich mit ihrer scharfen Zunge in den sozialen Medien auf. Gern kontert sie mit schwarzhumorigen Statements auf Artikel oder Posts anderer Politiker.
Ein Beispiel für einen ihrer Tweets: Auf den Vorwurf, sie habe sich in ihr Amt «hochgeschlafen», erwidert sie: «Jap, hab ich. Mit ein paar Tausend Zürcher*innen, die mich gewählt haben. War anstrengend, Freunde, aber vo nüt chunnt nüt.»
Mit ihren Tweets heimste sie sich aber auch schon Ärger ein. Als sie 2018 noch als Gemeinderätin von Uster den Tierschützer Erwin Kessler auf Twitter beschuldigte, antisemitisch und rassistisch zu sein, wurde sie auf Ehrverletzung verklagt und dazu verurteilt, die Gerichts- und Anwaltskosten zu übernehmen.
Katharina Prelicz-Huber schafft es doch
Bis zur letzten ausgezählten Gemeinde schien es, als wäre Meret Schneider nicht die Einzige, die für die Zürcher Grünen ihren Sitz in Bern räumen muss. Katharina Prelicz-Hubers Sitz stand ebenfalls auf der Kippe. Als sie die Wahlfeier kurz vor acht betritt, hat sie Tränen in den Augen, glaubt ihren Sitz verloren. Es wäre schon das zweite Mal: 2011 wurde sie als Nationalrätin abgewählt.
Um 21.22 Uhr kommen endlich die allerletzten Resultate. aus dem Wahlkreis Winterthur Seen. Sie lassen Prelicz-Hubers Tränen versiegen: Die Grünen verlieren in Zürich doch nur einen Sitz.
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