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Angriffe nach Assads Flucht
Israel versucht, das syrische Machtvakuum für sich zu nutzen

FILE - Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu attends a press conference at the Government Press office in Jerusalem, Sept. 4, 2024. (Abir Sultan/Pool via AP, File)
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In Kürze:
  • Der israelische Premier Netanyahu sieht in Assads Sturz Chancen und Gefahren für Israel.
  • Israels Armee besetzte strategische Positionen in der Pufferzone der Golanhöhen.
  • Iran könnte seine Urananreicherung beschleunigen, was Spannungen erhöht.
  • Israels Regierung sichert strategische Waffensysteme vor extremistischen Gruppen.

Der oberste Kriegsherr ist schnell hinaufgeeilt an die neue Front. Oben auf dem Golan, von einem Ausguck auf der von Israel kontrollierten Seite aus, sprach Premierminister Benjamin Netanyahu von einem «historischen Tag für den Nahen Osten». Mit Blick auf das vom Diktator Bashar al-Assad befreite Syrien erkannte er neue Chancen und zugleich auch neue Gefahren. «Wir werden es keiner feindlichen Macht erlauben, sich an unserer Grenze zu positionieren», sagte er. Was das konkret bedeutet, zeigte dann sogleich die israelische Armee: Panzer rückten ein in die Pufferzone zwischen beiden Ländern. Kampfjets flogen Angriffe auf Waffenlager.

Israel wurde – so wie alle anderen – kalt erwischt vom Vormarsch der syrischen Rebellen und vom Sturz des Assad-Regimes. Jetzt geht es dem jüdischen Staat – so wie vielen anderen – darum, für sich das Beste aus der neuen Situation zu machen.

Gewiss, zum Feiern gibt es einigen Anlass. Der Sturz Assads ist ein enorm schwerer Schlag für die hinter ihm stehenden Puppenspieler in Teheran. Einen «Feuerring» hatte der Iran um Israel legen wollen, doch verbrannt haben sich die Pyromanen nun selbst. Die militärisch aufgerüsteten Hintersassen von der Hamas im Gazastreifen und der Hizbollah im Libanon sind von der israelischen Übermacht dezimiert, wenn nicht aufgerieben worden. Nun haben die Iraner obendrein die Basis in Syrien verloren, von der aus ihr Zerstörungswerk massgeblich in Szene gesetzt wurde. Die Mullahs stehen jetzt mit dem Rücken zur Wand.

epa11766346 Israeli troops at the border with Syria near the Druze village of Majdal Shams, in the Israeli-annexed Golan Heights, 09 December 2024. The Israeli army announced it has deployed forces to strengthen the defense of the Golan Heights and the eastern Israeli border with Syria. Syrian rebels entered Damascus on 08 December 2024 and announced in a televised statement the 'Liberation of the city of Damascus and the overthrow of Bashar al-Assad', as well as the release of all the prisoners.  EPA/ATEF SAFADI

Netanyahu nutzt das, um sich selbstbewusst zum Vater des Sieges auch in Syrien zu erklären. Dies sei ein «direktes Ergebnis der Schläge, die wir dem Iran und der Hizbollah versetzt haben», erklärte er. Die Frage ist nun, was er daraus ableitet fürs eigene Handeln – in Syrien und im Iran.

Wird der Iran nun seine Urananreicherung weiter beschleunigen?

Das iranische Regime ist geschwächt, hat aber mindestens noch einen Trumpf im Ärmel: sein Atomprogramm. Die aktuelle Bedrängnis könnte dazu führen, dass der Iran die Urananreicherung weiter beschleunigt, und dies könnte eine militärische Kettenreaktion auslösen. Netanyahu hat stets versprochen, die iranische Atombombe mit allen Mitteln zu verhindern. Das Tabu offener gegenseitiger Angriffe ist mit dem zweifachen Schlagabtausch im April und Oktober 2024 ohnehin schon gebrochen worden. Mit breiter Brust und einem US-Präsidenten Donald Trump im Weissen Haus könnte sich Netanyahu nun ermutigt fühlen zum grossen Angriff.

Derzeit vordringlich jedoch sind Vorkehrungen angesichts der neuen Lage in Syrien. Als Mahnung kann allein der Name des Anführers der siegreichen Rebellen dienen. Die israelischen Medien nämlich transkribieren durchaus korrekt den Kampfnamen von Abu Mohammed al-Jolani als «al-Golani». Dies verweist auf die Wurzeln seiner Familie, und allein damit hat der Mann vom Golan, nomen est omen, wohl auch noch eine Rechnung offen mit Israel, das die syrischen Golanhöhen 1967 erobert und 1981 annektiert hatte. (Lesen Sie hier ein Porträt zu Abu Mohammed al-Jolani.)

Israel muss Islamisten an den eigenen Grenzen ebenso fürchten wie den Ausbruch von Chaos im Nachbarland. Zur Sicherheit hat die Armee deshalb gleich schnell reagiert. Am Sonntag rückten Truppen in die insgesamt rund 100 Kilometer lange Pufferzone zwischen dem israelisch kontrollierten und dem syrischen Teil der Golanhöhen ein. Sie war 1974 eingerichtet worden nach dem Jom-Kippur-Krieg, dem letzten Waffengang zwischen den beiden Staaten. Zugleich sicherte sich eine israelische Elitekampfeinheit mit der Übernahme eines verlassenen syrischen Armeepostens am Berg Hermon noch einen strategischen Premiumblick aufs Geschehen in Syrien.

Angriffe erfolgten schnell – laut Israel vor allem auf Waffensysteme

Von der israelischen Armeeführung wird dies allein als Vorwärtsverteidigung dargestellt. Man wolle sich keinesfalls in innersyrische Angelegenheiten einmischen. Auch Regierungschef Netanyahu betont, dass diese Landnahme nur eine vorübergehende Massnahme sei. Doch Bilder von israelischen Soldaten und israelischen Fahnen auf syrischem Gebiet machten in sozialen Netzwerken schnell die Runde. Abzuwarten bleibt, wie die immer einflussreicheren Rechtsextremen in Israels Regierung mit dieser Situation umgehen. Grundsätzlich fühlen sie sich gewiss sehr wohl beim Blick auf eine Landkarte, auf der israelische Truppen im Gazastreifen, in Südlibanon und nun auch auf syrischem Boden stehen.

Schnell einsatzbereit zeigte sich auch die israelische Luftwaffe. Aus verschiedenen Teilen Syriens einschliesslich der Hauptstadt Damaskus wurden schon am Sonntag zahlreiche Angriffe gemeldet. Am Montag bestätigte Aussenminister Gideon Saar, man greife «strategische Waffensysteme an, wie zum Beispiel verbliebene Chemiewaffen oder Langstreckenraketen und -geschosse, damit sie nicht in die Hände von Extremisten fallen». Verteidigungsminister Israel Katz kündigte an, dass diese Luftangriffe in den kommenden Tagen fortgesetzt würden. Das Militär werde «schwere strategische Waffen in ganz Syrien zerstören».

This picture taken from the Israeli-annexed Golan Heights shows smoke billowing above the Syrian Governorate of Quneitra during Israeli bombardment, on December 9, 2024. (Photo by Jalaa MAREY / AFP)

Arabische Staaten wie Ägypten mögen protestieren gegen Israels Syrien-Einsatz. Die Regierung in Jerusalem wird sich jedoch kaum von ihrem Kurs abbringen lassen. Israel will mit allen Mitteln sicherstellen, am Ende nicht noch zu den Verlierern des syrischen Umsturzes zu werden. Jenseits des militärischen Vorgehens hat Premier Netanyahu überdies ein Angebot gemacht für «gute Nachbarschaft».

Israel strecke seine Hand in Frieden aus zu den dort lebenden Drusen, Kurden, Christen und Muslimen, erklärte er. Doch zunächst einmal werden die syrischen Volksgruppen wohl untereinander ausmachen und schlimmstenfalls auskämpfen müssen, wie die Macht im Land verteilt wird nach dem dramatischen Sturz der Diktatur.