Studie zu Politiker-TweetsRadikale Rechte nutzen gezielt Fake News – Linkspopulisten wählen andere Mittel
Politologen haben 32 Millionen Tweets Europäischer (und Schweizer) Politiker analysiert. Das Ergebnis: Rechtspopulisten nutzen Falschinformationen als Werkzeug, um Demokratien zu destabilisieren.
![Live-Gespräch auf der Plattform X zwischen Alice Weidel und Elon Musk, gezeigt auf Laptop und Smartphone.](https://cdn.unitycms.io/images/FRgTnazyKqx8w2sXrSzjZ2.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=fJGxuW6VRNA)
- Rechtspopulisten verbreiten häufiger Falschinformationen als Politiker anderer Parteien.
- Dies ergab eine Analyse von 32 Millionen Tweets europäischer Parlamentarier.
- Die Verbreitung von Fake News ist mittlerweile Teil der Strategie der radikalen Rechten.
Politikerinnen und Politiker sind überaus eifrige Nutzer von sozialen Medien. Vor allem X (vormals Twitter) wird von ihnen genutzt, um Forderungen aufzustellen, Botschaften zu verbreiten oder in der politischen Arena zu debattieren.
Nicht immer nehmen sie es dabei so genau mit der Wahrheit. Eine Studie von niederländischen Forschern hat nun 32 Millionen Tweets von europäischen Abgeordneten aus den Jahren 2017 bis 2022 untersucht. Sie wollten herausfinden, welche Parteien eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit haben, Fake News zu verbreiten.
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, verorteten die Forscher zunächst die mehr als 8000 Twitter-Parlamentarier im politischen Spektrum. Anschliessend überprüften sie jede in deren Tweets verlinkte Internetadresse mithilfe von Fact-Checking-Diensten auf ihren Wahrheitsgehalt. So kamen sie am Ende auf einen «factuality score» für jeden Politiker, jede Partei und jedes Land.
Misstrauen gegenüber etablierten Medien wird ausgenutzt
Die Analyse der Tweets, knapp 300’000 davon wurden von Schweizer Politikern abgesetzt, kommt zu einem deutlichen Ergebnis. Politiker, die der radikalen Rechten zugeordnet werden, verwenden in ihren Posts häufiger Falschinformationen als ihre Kollegen aus gemässigteren und radikal linken Parteien. Es gebe Hinweise auf eine Verbindung zwischen Populismus am rechten Rand und der Nutzung von Fake News, schreiben die Autoren in der vor kurzem veröffentlichten Studie.
Petter Törnberg und Juliana Chueri, die Urheber der Studie, identifizieren eine Reihe von Ursachen für diesen Zusammenhang. Erstens versuchen Politiker dieser Richtung, gezielt Menschen abzuholen, die für Falschinformationen empfänglich sind, etwa weil sie den in den etablierten Medien publizierten Informationen – und den politischen Institutionen ganz allgemein – misstrauen.
Zweitens sei es für Politiker mit sozialen Medien möglich, Fake News auch in die traditionellen Medien zu schleusen. Als Beispiel verweisen Törnberg und Chueri hier auf die oftmals als Fake News entlarvten Posts von Donald Trump, die zwar auf Twitter ihren Ursprung hatten, allerdings erst durch die Reproduktion im Fernsehen ein breites Publikum und politisches Gewicht erreichten.
«Mächtiges Instrument zur Mobilisierung»
Die Verbreitung von Fake News diene einer Reihe von Zielen, heisst es in der Studie weiter. Es gehe den Urhebern der Tweets darum, die öffentliche Agenda zu dominieren, etwa um von eigenen Fehlern oder unliebsamen Fragen abzulenken. Mit Fake News könne man ausserdem steuern, wie Wähler bestimmte Themen, Massnahmen und politische Gegner wahrnähmen.
![Laut einer Studie teilen Rechtspopulisten häufiger Fake News als Politiker anderer Parteien: Auftritt von Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD, und X-Eigentümer Elon Musk an einer Wahlkampfveranstaltung im Januar.](https://cdn.unitycms.io/images/2WM4UAENKIkBAVab-2rDwl.jpg?op=ocroped&val=1200,800,798,774,119,36&sum=aDed4I2KQCk)
«Fehlinformationen können ein mächtiges Instrument sein, um die Anhängerschaft zu mobilisieren und zu motivieren», schreiben Törnberg und Chueri. Dies habe dazu geführt, dass deren Verbreitung mittlerweile zu einem festen Bestandteil der politischen Strategie am rechten Rand geworden sei. Mit weitreichenden Konsequenzen für das politische System.
«Rechtspopulisten nutzen Fehlinformationen als Werkzeug, um Demokratien zu destabilisieren und sich politische Vorteile zu verschaffen», sagt Petter Törnberg gegenüber dem britischen «Guardian». Es sei dringend notwendig, diese Dynamik von Fake News und Rechtspopulismus besser zu verstehen und anzusprechen.
Für die radikale Linke sind Fake News weniger nützlich
Törnberg und Chueri untersuchten auch, warum sich radikal-linke Parteien nicht der gleichen Strategie wie Rechtspopulisten bedienen. Ihnen zufolge setzten Populisten am linken Rand vor allem auf ökonomische Herausforderungen. In diesem Bereich sei das Mobilisierungspotenzial von Fake News kleiner als bei den typischen Themen der extremen Rechten – etwa Migration, Angst vor kulturellem Wandel oder Kritik an politischen Normen.
Auch das Verhältnis zwischen Politik und Medien spiele hierbei eine Rolle. Linkspopulisten nehmen laut der Studie in erster Linie Wirtschaftseliten und Unternehmen ins Visier. Die traditionellen Medien und die demokratischen Institutionen werden von ihren Angriffen dagegen weitgehend verschont.
«Während die radikale Rechte versucht, die demokratischen Institutionen zugunsten autoritärer Führer zu beseitigen, tendiert die Linke dazu, die partizipative und direkte Demokratie zu propagieren», schreiben die beiden Politologen im Schlusswort.
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