Rating der 5 grössten VolksfesteIst das Sechseläuten das beste Volksfest? Oder etwa die Basler Fasnacht?
So schlägt sich das Zürcher Frühlingsfest im Vergleich mit der Konkurrenz: Unser Rating – nach Kriterien wie Musik, Fitness oder Mitmachfaktor.
Heute um 18 Uhr wird in Zürich am Sechseläuten der berühmte «Böögg» angezündet. Wie aber schlägt sich das Fest im Vergleich mit der Basler oder der Luzerner Fasnacht? Unser Rating nach Punkten.
Sechseläuten, 3500 Zünfter
Wenn die Zünfter ihre Pferde ums Feuer treiben, wenn dazu die Blaskapellen den berühmten Marsch des Zürcher Frühlingsfests spielen und schliesslich der Kopf des Böögg explodiert, dann bin ich mir jedes Jahr aufs Neue wieder sicher: Das Sechseläuten ist das beste Volksfest der Schweiz.
Jedes Jahr streifen sich die Mitglieder der Zürcher Zünfte für ihren Umzug ihre historischen Trachten über, paradieren mit ihren Pferden und Blaskapellen durch die Strassen der Stadt und verbrennen am Ende auf dem Platz vor dem Opernhaus den Böögg, also einen Schneemann.
Mir ist schon klar, was alles gegen das Sechseläuten gesagt werden kann. Ein männerbündlerischer Anachronismus sei es. Das stimmt ja auch. Obwohl mit den Hönggern nun bereits die dritte Zunft sich für Frauen öffnen will. Das Sechseläuten bleibt ein ziemlich exklusiver Anlass für jene, die über die Kontakte und das nötige Kleingeld für eine Zunftmitgliedschaft verfügen.
Auch in meiner Familie, die dank dem Grossvater – einem Bäcker – eine Zeit lang im Zug der Weggen-Zunft mitlaufen konnte, gibt es Spötter, die das Zürcher Frühlingsfest scherzhaft als Kapitalistenfasnacht bezeichneten.
Dennoch ist das Sechseläuten mit Abstand das beste Volksfest der Schweiz: Im Unterschied zu anderen Frühlingsfesten gibt es beim Sechseläuten fast keine Exzesse, also keine Alkoholleichen, die am dritten Tag im Konfetti liegen und die Notfallaufnahme unnötig belasten.
Im Gegenteil: Sobald der Böögg explodiert ist, wir unsere Bratwurst verdrückt haben und die Pferdeäpfel von den Strassen geräumt sind, gehen wir wieder Mehrwert schaffen, um uns das schöne Leben in Zürich, die steigenden Mieten und allenfalls sogar mal eine Zunftmitgliedschaft leisten zu können. Ja, das Sechseläuten ist ein geradezu offensives Bekenntnis zur protestantischen Arbeitsethik – und damit das ehrlichste Volksfest der Schweiz. (atob)
Zibelemärit, bis 100’000 Zwiebelfans
Mitten in der Nacht mit ganz Bern geflochtenes Gemüse betrachten, im Pinguin-Schritt durch die Gassen watscheln, mit kitzelnden Konfetti im Haar lauen Glühwein trinken – und das alles bei Kälte. Warum tut man sich das an? Weil man eine Tradition am Leben erhält.
Jeweils am vierten Montag im November findet in Bern der Zibelemärit statt. Um fünf Uhr sind die Gassen der Altstadt voll. Auswärtige lassen sich von den Massen zum Bundesplatz schieben, von wo es kein Entrinnen mehr gibt. Insider hingegen kaufen in den Gassen Zwiebeln in Form von Zöpfen oder als Suppe und Kuchen.
Ursprünglich füllten die Städterinnen und Städter am Märit die Wintervorräte auf, auch heute hängt in mancher Küche ein Zwiebelzopf. 2023 wurden zwar 32 Tonnen Zwiebeln verkauft, dennoch ist das Gemüse mehr Dekor als Zweck. An den Ständen trennen sich die Generationen: Die Älteren feilschen um Zwiebeln, die Jungen lungern bei den Getränken. Erstere trotten bei Dämmerung heim, Letztere tanzen nach einer furchtlosen Konfettischlacht zu furchtbar-fröhlicher Musik.
Es riecht zu jedem Zeitpunkt nach Zwiebelkuchen. Ein süsser Biss in den von Schneeflocken gekühlten, ankeweichen Kuchen bleibt unvergessen. Man fragt sich: Warum werden an diesem Tag allerhand Preise wie Bäredräck oder Zibelegring verliehen? Der Kuchen nämlich braucht keine Auszeichnung, er ist ausgezeichnet. (cla)
Luzerner Fasnacht, 300’000 Feierwütige
In einem katholisch geprägten Kanton, der Jahrzehnte gebraucht hat, um seine Ladenöffnungszeiten um eine halbe Stunde (!) zu verlängern, ist die Fasnacht wie eine Freinacht nach einem YB-Cupsieg. Nur 7 Nächte lang!
Und zwar nicht nur für Luzernerinnen und Luzerner, sondern genauso für die Zürcherin oder den St. Galler. Solange alle im Kostüm auftauchen. Denn im Vergleich zu den Feierenden in Basel ist es an der Fasnacht in Luzern nicht nur allen erlaubt, sich zu verkleiden. Es ist ein MUSS.
An die «Guuggen» (Guggenmusiken) gewöhnt man sich schnell. Zwar driftet der Takt je später, desto ohrenbetäubender auseinander. Aber: Es gibt einige ziemlich gute Guuggen. Die anderen geben sich immerhin Mühe, Jahr für Jahr eine neue Version von «079» von Lo & Leduc einzustudieren. Es ist ja auch nicht ganz einfach, nach 10 Kafi-Huerenaff die richtigen Trompetenventile zu finden.
Dieses klebrige Heissgetränk ist neben dem Urknall, Fötzeliräge und den Tausenden kreativen Feierwütigen eine Luzerner Spezialität. Was da drin ist? Das wollen Sie lieber nicht wissen. Aber die sieben Freinächte stehen Sie damit durch. (aa)
Basler Fasnacht, 11’000 Aktive und 200’000 Passive
Räppli, Waggis, Morgestraich, Mehlsuppe, Cortège: Das ist Basler Fasnacht. An den drei schönsten Tagen im Jahr ruessen, pfeifen, schränzen Schyssdräggziigli, Cliquen und Guggen in der Stadt. Und der Rest der Schweiz versteht: Bahnhof. (Hier können Sie sich bei Bedarf schlaumachen.)
Was aber überhaupt nicht schlimm ist! Ja, unsere Fasnacht hat ungeschriebene Regeln und Baseldytsch tönt nach Kauderwelsch. Aber wen kümmert das, wenn man auf den Strassen unbekümmert zu Guggenmusik tanzen kann und dazu tonnenweise Schleckzeug oder ganze Blumensträusse geschenkt bekommt? Wenn Hunderte Trommlerinnen und Piccolo-Spieler im Takt die Gassen zum Beben bringen? Wenn man auf dem Münsterplatz die aufwendig bemalten Laternen mit ihren bissigen bis süssen Motiven bestaunen kann?
Dieses Fest, seit 2017 Teil des immateriellen Kulturerbes der Unesco, muss man erlebt haben. Mitmachen ist da schon schwieriger. Die sogenannten Aktiven bereiten sich das ganze Jahr auf die Fasnacht vor, um dann pro Tag mehr als 20 Kilometer kostümiert und musizierend durch die Stadt zu ziehen. Deshalb ist Besuchenden, auch Passive genannt, geraten: Holen Sie sich wahlweise ein Bier oder ein Waggis (Weisswein mit Tonic) und geniessen Sie das Spektakel. (and)
Olma, 300’000 Ostschweizer (und ein paar andere)
Sechseläuten, Zibelemärit, Basler und Luzerner Fasnacht? Ja, davon habe ich auch schon gehört. Aber für einen St. Galler wie mich gibt es natürlich nur die Olma, die direkt vor meiner Haustür stattfindet. Die grösste Schweizer Publikumsmesse gehört zum Fixprogramm – aber nach 10 (!) Tagen reicht es dann auch wieder.
An diesem Fest braucht es Geduld und Ausdauer. Wem es schon zu viel wird, wenn er sich durch die Menschenmassen auf dem Jahrmarkt drängen muss, sollte am Wochenende besser die berüchtigten Degustationshallen 4 und 5 meiden, in denen sich Jung und Alt das eine oder andere Gläschen Wein und Bier (zu viel) gönnen.
Schnell raus und beim Olma-Wettbüro fünf Franken auf ein Säuli setzen. Jeden Nachmittag liefern sich die Tiere in der Freiluftarena vor 2500 jubelnden Zuschauern und angefeuert vom überschwänglichen Kommentator ein Wettrennen zum Futtertrog. Jedes Mal ein Spektakel.
Danach brauche ich erst mal eine Pause und hole mir eine Bratwurst, selbstverständlich ohne Senf. Ich beisse rein und blicke in die zufriedenen Gesichter neben mir. Das ist es, dieses Olma-Gefühl. (wig)
Fehler gefunden?Jetzt melden.