Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Serie: Unsere Dialekte
Der seltsamste Dialekt der Schweiz

Baseldeutsch hat im Vergleich zu anderen Dialekten viele eigene Wörter. Eines davon ist «Schwööbli», für «Weggli».
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Wie wir gleich sehen werden, ist Baseldeutsch ein besonderer Dialekt, und besonders intensiv ist auch das Verhältnis, das man in der Stadt Basel zur eigenen Mundart pflegt. Der Experte für diese Folge unserer Dialektserie, Markus Gasser, hat vor dem Gespräch darauf hingewiesen, dass er kein Basler sei und auch kein Baseldeutsch spreche. Vielmehr stamme er aus dem Schwarzbubenland im Kanton Solothurn, von dessen Bewohnerinnen und Bewohnern es in der Metropole Basel manchmal scherzhaft heisse: «Schwarzbuebe sin aagleggti Tier».

Markus Gasser
Moderator Radio SRF 1
Mundartexperte
2023

Copyright: SRF/Gian Vaitl

Das ändert nichts daran, dass Gasser ein ausgewiesener Kenner der Nordwestschweizer Dialekte ist. Der Sprachwissenschaftler ist Co-Autor des Nachschlagewerkes «Neues Baseldeutsch Wörterbuch» und Co-Literaturchef beim Schweizer Radio SRF. Er ahmt Baseldeutsch überdies derart gut nach, dass er sich dem in der Ostschweiz aufgewachsenen Autor dieses Artikels gegenüber problemlos als Basler ausgeben könnte.

Wie beliebt ist Baseldeutsch?

Eines ist klar: An die Popularität der drei «Feriendialekte» Bern-, Walliser- und Bündnerdeutsch reicht die Beliebtheit des Baseldeutschen nicht heran. In den einschlägigen Umfragen liegt es meistens im Mittelfeld, manchmal auch im hinteren Mittelfeld. Das hat laut Gasser historische Gründe. «Baseldeutsch ist ein Stadtdialekt, der stark von einer selbstbewussten Oberschicht geprägt wurde.» Die Verhältnisse im Ancien Régime, als die reichen Patrizier aus der Stadt auf die armen ländlichen Untertanengebiete herabschauten und diese wirtschaftlich ausbeuteten, wirkten bis weit ins bürgerliche Zeitalter nach und beeinflussen die Wahrnehmung des Baseldeutschen in der übrigen Schweiz bis heute.

Das Klischee des reichen, geschäftstüchtigen, arroganten Baslers, führt Gasser aus, schlägt sich etwa in alten Schweizer Filmen wie «Hinter den sieben Gleisen», «Bäckerei Zürrer», «Polizist Wäckerli» oder «Ueli der Pächter» nieder, in denen Basler Protagonisten alles andere als sympathisch wirken.

Als Gegenbeispiel könnte man indessen die legendäre Figur Peperoni (gespielt vom Basler Schauspieler und Regisseur Dani Levy) in der Fernsehserie «Motel» aus den 1980er-Jahren nennen. Oder Martin Schenkel als Flip in der SRF-Sitcom «Fascht e Familie». Oder die Radioglossen «Spalebärg 77a» und «Bis Ehrsams zum Kaffi» von Ruedi Walter und Margrit Rainer aus den 50er-Jahren. «In jüngerer Zeit gab es auch dank dem FCB, dank Roger Federer, Patty Schnyder und anderen so viel Baselpower, dass sich das allmählich auf das Image des Dialekts auswirken sollte», sagt Gasser. Aber Klischees seien zäh.

Für Baslerinnen und Basler ist die eigene Mundart ein starkes kulturelles Identifikations- und Distinktionsmittel, so stark wie kaum in einer anderen Schweizer Stadt, vielleicht mit der Ausnahme Berns. Die geografische Lage am Rande der Schweiz, die Nähe zu Deutschland, das Konkurrenzverhältnis zu Zürich – all diese Faktoren verleihen dem Basler Dialekt eine herausragende Bedeutung für das städtische Selbstverständnis. 

Hinzu kommt: Die alteingesessene, patrizische, mit dem «Basler Daig» assoziierte Sprechweise (scherzhaft «Dalbanesisch» genannt, abgeleitet von der Vorstadt St. Alban, die früher eine Hochburg des Patriziertums war) prägt auch die berühmten Schnitzelbänke an der Basler Fasnacht. Das «alte Baseldeutsch» ist also elitär und volkstümlich zugleich, es steht für eine vergangene glanzvolle Epoche und für ein gegenwärtiges tiefverwurzeltes Brauchtum – ebenfalls eine Besonderheit, wie man sie so nirgendwo sonst in der Schweiz findet. 

Die Verehrung für das Alt-Baseldeutsche hat zur Folge, dass sich die geschriebene von der gesprochenen Mundart erheblich unterscheidet. «Fast alle sagen heute ‹schön›, aber viele beharren auf der Schreibweise ‹scheen›, mit zwei e», sagt Gasser. «Oder auf der Schreibung des geschlossenen i mit y, etwa in ‹Wyy› (Wein), ‹Rhyy› (Rhein) oder in ‹Baseldytsch›.» Als er solche Schreibweisen im «Neuen Baseldeutsch Wörterbuch» modernisierte und etwa «schöön» und  «Wii» schrieb, kam es in der Stadt zu einem ziemlichen Aufruhr. Eine Fasnachtsclique beklagte: «Jetzt versteen uns jo d Ziircher und d Schwoobe.» Das war zwar scherzhaft gemeint, zeigt aber Gasser zufolge «den Stolz und das Exklusivitätsrecht auf die eigene Mundart».

Wie Baseldeutsch klingt

Wir beginnen mit dem wohl wichtigsten phonetischen Merkmal des Basler Dialekts: Das anlautende k wird nicht als ch ausgesprochen: «Khasch mit Khind und Khegel zum Khiirsigünne kho.» Die Grenze zwischen anlautendem k und ch – in der Linguistik werden solche Grenzen Isoglossen genannt – verläuft eigentlich nördlich, zwischen Basel und Freiburg im Breisgau. Dass Baslerinnen und Basler auch südlich dieser Linie «Khind» sagen statt «Chind», macht aus dem Baseldeutschen eine niederalemannische Enklave. Die übrigen Schweizer Mundarten hingegen gehören zum Hoch- oder Höchstalemannischen.

Die phonetische Bandbreite, die zwischen altem und modernem Baseldeutsch sowie anderen Schweizer Mundarten besteht, lässt sich am typisch baseldeutschen Wort für Cervelat illustrieren. Auf alteingesessen Dalbanesisch heisst das «e Glepfr», aber mit dem r als gutturalem, vom Französischen beeinflussten Reibelaut gesprochen, also: «e Glepfch». Eine modernere Form wäre «ä Glöpfr» (das r nicht mehr als ch, aber immer noch hinten im Hals gesprochen), eine stärker ans «Normalschweizerdeutsche» angelehnte Variante «ä Chlöpfr» (das r ebenfalls hinten, aber ohne das typisch Baslerische gl im Anlaut).

Typisch Altbaslerisch ist also die sogenannte Entrundung der Umlaute ö und ü: «Zindhelzli» (Streichholz), «Minschterhiigel» (Münsterhügel), «hitte» (heute), «scheen» (schön), «Fyyr» (Feuer), «dr Greescht» (der Grösste). Markus Gasser sagt: «Wenn ich jetzt behaupte, die Entrundung sei verschwunden, bekomme ich Ärger mit jener Handvoll alteingesessener Baslerinnen und Basler, die das noch machen.»

Aber es sei schon so: Entrundete Umlaute kämen heute vor allem dann vor, wenn Auswärtige Baseldeutsch nachzuahmen versuchen. Oder als ironische lautliche Anspielung an den Daig oder an patrizische Zeiten. Oder in Schnitzelbänken an der Fasnacht. Noch gebräuchlich ist immerhin die Entrundung in Diphthongen: «grien» (grün), «Biecher» (Bücher).

Gebräuchlich, aber ebenfalls auf dem Rückzug ist laut Gasser das weiche g (statt k oder ch) im Anlaut vor Konsonanten: «Glöpfer» (siehe oben), «glai» (klein), «Graft» (Kraft), «Gnooblauch» (Knoblauch). Die Aussprache «glai» wird zunehmend verdrängt durch das immer noch Baseldeutsch klingende «klai», aber mittlerweile auch durch «chlai».

Absolut geläufig ist hingegen die Aussprache von gg (statt kch) in Wörtern wie «Sogge» (Socken), «drugge» (drücken), «Bagge» (Backe). Berühmt ist die «Druggede»: am Moorgestraich, wenn um vier Uhr die Fasnacht beginnt, wird es so eng in den Gassen, dass man mit den Menschen ringsum in engen Körperkontakt kommt.

Ausserdem die Aussprache des Suffixes «-lich» als «-lig». Klingt zwar ebenfalls nach Dalbanesisch, ist aber laut Gasser durchaus noch zu hören: «meeglig»/«mööglig» statt «möglich.»

Dann, ebenfalls sehr typisch, die sogenannte Lenisierung von Plosiven: «Guede Daag midenander» (Guten Tag miteinander), «Daig» (Teig), «Bischte» (Piste), «Dyybli» oder «Düübli» (Täubchen), «Duubel» (Tubel, Depp). 

Drummeli 2023. Dreydaagsfliege / Schnitzelbangg. Event Halle, Basel. Samstag 11 Februar 2023 Foto © nicole pont

Es gäbe noch manches zu erwähnen, aber wir lassen es bei zwei typischen vokalischen Besonderheiten bewenden, die in den meisten anderen Dialekten genau umgekehrt sind: Vokaldehnung in offener Tonsilbe: «uf Baasel aabe go Muusig loose» (nach Basel hinunter, um Musik zu hören). Andererseits Vokalkürzung in Wörtern wie «Lyt/Lüt» (Leute), «Dytsch/Dütsch» (Deutsch) «bysse» (beissen), «bschysse» (bescheissen).

Wortschatz

Lustig ist, dass es im Baseldeutschen zwei Wörter für Ja gibt: «Jä» und «Joo». Und was ist der Unterschied? «Ich habe das mal den ehemaligen Basler Ständerat Carl Miville gefragt», erzählt Gasser. Miville, der 2021 als beinahe Hundertjähriger starb, habe ziemlich lange überlegt und dann geantwortet: «Also vor dem Standesamt würde ich nicht ‹Jä› sagen.»

Als typisch Baseldeutsch gelten in der übrigen Schweiz einige Lehnwörter aus dem Französischen: «Baareblyy» (Regenschirm, von «parapluie»), «Gellerettli» (Armbanduhr, von «Quelle heure est-il»), «Ryydygil» (Damenhandtäschchen, von «ridicule», lächerlich) oder «Fazeneetli» (Taschentuch, für einmal aus dem Italienischen, von «fazzoletto»). Gasser weist allerdings darauf hin, dass es solche Wörter auch in den Mundarten anderer Städte und Regionen gebe, deren Oberschicht sich früher stark nach Frankreich orientierte. Also etwa im Berndeutschen oder in Innerschweizer Dialekten.

Welche Wörter sind dann wirklich typisch für die Basler Mundart? Während es etwa nur noch wenige wirklich exklusive zürichdeutsche oder Ostschweizer Wörter gibt, sind es im Baseldeutschen ziemlich viele. Wir müssen uns deshalb auf einige Beispiele beschränken. «Saggladäärne» (Taschenlampe), «Gläpper» (Ohrfeige), «Schwööbli» (Brötchen, Weggli), «Grälleliwasser» (Mineralwasser), «Spaarse» (Spargel), «Schungge» (Schinken), «Dilldapp» (Trottel), «Zolli» (Zoo), «Ginggernillis» (Krimskrams). Schibboleth – also Wörter, die fürs Baseldeutsche als so charakteristisch gelten können wie «Chuchichäschtli» fürs Schweizerdeutsche – sind laut Gasser «Gugge» (Tüte, Plastiksack) und «Beppi» (Basler).

Typisch baseldeutsch sind auch Wörter, die mit der Fasnacht zusammenhängen: «Glygge» (Clique), «Cortège», «Räppli» (Konfetti). Oder das unverkennbar vom Basler Charme geprägte «Schyssdräggziigli», für eine kleine, unorganisierte Fasnachtstruppe.

Ein schönes altes baseldeutsches Verb ist «ampetiere» für «belästigen», «stören». «Das ampetiert mi.» Abgeleitet vom französischen «embêter».

Grammatik

Exklusive Phänomene baseldeutscher Grammatik gibt es nicht viele. Interessant ist immerhin die Nähe von einigen Basler Infinitiven und konjugierten Verben zu den jeweiligen hochdeutschen Formen: etwa «losse» (lassen), in einem Satz wie «sie hets mache losse» (Sie hat es machen lassen). Oder «seeh» statt «gseeh», zum Beispiel «yych seeh nüt» (Ich sehe nichts). Auch die Zahlwörter werden morphologisch gleich wie in der Schriftsprache gebildet: zwanzig, fuffzig, nünzig. 

Und dann werden auf Altbaslerisch gewisse Adjektive nominal flektiert: «e bruun Däschli», (eine braune Tasche) «e glai Kind», (ein kleines Kind) «guet Broot» (statt «guets Broot»).

Gibt es ein Baseldeutsch oder viele?

Von den Nordwestschweizer Mundarten, die in der Stadt Basel, in Baselland und Solothurn gesprochen werden, ist Stadtbaseldeutsch aus den erwähnten Gründen die markanteste. Aber auch das Baselbiet hat seine Eigenheiten. Typisch sind laut Gasser die Verbformen «mir gönge» (wir gehen) und «sie möche» (sie machen). Ausserdem spricht man im Baselbiet das r nicht hinten im Rachen, sondern vorne. Man sagt im Baselbiet auch «Chind» und nicht wie in der Stadt «Khind». Aber klar, durchs Pendeln und weil Stadtbasler auf das Land ziehen und Bewohnerinnen des Umlandes in die Stadt, kommt es zu einer Durchmischung.

Was es sonst noch gibt

«Ich weiss nicht, ob Sie das schreiben können», sagt Gasser. Aber natürlich können wir das! Es gebe da eine Anekdote über zwei Frauen aus dem Daig. «Frau Merian und Frau Sarasin treffen sich, Frau Merian schiebt einen ‹Buscheliwaage› mit einem ‹Buschi› (Baby) drin. Sagt Frau Sarasin: ‹Jeechters, hän Sii e häärzigs Buscheli. Wo leen Sii veegle?» (Wo lassen Sie vögeln?).

Womit nicht nur die Entrundung demonstriert sei, sondern auch die Angewohnheit der patrizischen Oberschicht, alles – selbst das Babyzeugen – von einem Angestellten oder Diener gegen Bezahlung erledigen zu lassen.

Ein absolutes Muss für all jene, die sich für Schweizer Mundarten interessieren: Das Wörterbuch «Schweizerisches Idiotikon» hat kürzlich den «Sprachatlas der deutschen Schweiz» digital zugänglich gemacht. Dazu wurden alle rund 1750 Seiten der 8 gedruckten Atlas-Bände gescannt; ausserdem sind die Karten neu auch in digitalisierter Form als interaktive Flächenkarten verfügbar (im Augenblick sind circa 400 der 1500 Karten publiziert, die restlichen Karten werden laufend veröffentlicht). Probieren Sie es aus, indem Sie hier klicken.

Dieser Text ist erstmals am 15. Januar 2024 erschienen. Zur Lancierung unseres neuen Dialekt-Tests publizieren wir ihn erneut.