Kommentar zur Staatshilfe für StahlwerkeSteuergelder für ein Fass ohne Boden
Politiker wollen einen staatlichen Rettungsplan für die Stahlindustrie. Sie haben aus der Geschichte nichts gelernt.
Die Umwelt- und Energiekommission des Nationalrats will staatlich verbilligten Strom für Swiss Steel in Emmenbrücke (LU), das Stahlwerk Gerlafingen (SO) und das Walliser Aluminiumwerk Novelis.
Gezielte staatliche Eingriffe zur Unterstützung einzelner Firmen oder Branchen nennt man Industriepolitik. Die war in der Schweiz lange verpönt, und das aus gutem Grund: Sie ist unfair, sie verzerrt den Wettbewerb, sie ist teuer und meist zum Scheitern verurteilt, wie Untersuchungen belegen.
Unfair und wettbewerbsverzerrend, weil einzelne Firmen gegenüber allen anderen bevorteilt werden – es gibt Hunderte von energieintensiven Firmen, warum kriegen die keinen staatlich verbilligten Strom?
Teuer, weil Steuerzahler dafür aufkommen und Konsumenten höhere Preise bezahlen müssen.
Erfolglos, wie die Uhrenindustrie exemplarisch zeigte. Unter staatlichem Schutz erodierte deren Wettbewerbsfähigkeit, sie verschlief Innovationen wie die Quarztechnologie. Dann kam Nicolas G. Hayek und brachte Swatch ohne Subventionen wieder zum Blühen.
Stahl galt mal als systemrelevant, aber das ist lange her. Heute ist es ein weltweit gehandeltes Massengut, es bestehen grosse Überkapazitäten. Die Stahlkrise ist chronisch. Stahl ist für die teure Schweiz kein Exportgut der Zukunft. Der Aktienkurs von Swiss Steel sagt alles. Für ein solches Fass ohne Boden wollen Politiker Steuergelder anzapfen?
Die Besitzer der Stahlwerke haben sich verrechnet. Im Fall von Gerlafingen ist es eine schwerreiche Familie, im Fall von Swiss Steel Martin Haefner, Amag-Besitzer mit einem geschätzten Vermögen von 5,4 Milliarden Franken. Staatshilfe für Schwerreiche?
Die Schweizer Industrie ist heute international konkurrenzfähig, gerade weil sie den Strukturwandel zugelassen hat. Die Löhne sind hoch, weil die Angestellten in produktivere Firmen und Branchen wechselten.
Wir sollten diesen erfolgreichen Weg nicht verlassen, nur weil sich Politiker als Arbeitsplatzretter aufspielen.
Korrektur vom 20.11.2024 um 05.15: In einer früheren Version waren die Besitzverhältnisse der beiden Stahlwerke vertauscht. Richtig ist: Gerlafingen gehört der Familie Beltrame, Haefner ist Hauptaktionär von Swiss Steel.
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