Veränderte EssgewohnheitenGesundheitstrend: Schweizer Haushalte kaufen viel mehr Zitronen, Nüsse und Knoblauch
In der Schweiz kommen seit einigen Jahren deutlich mehr gesunde Lebensmittel auf den Teller. Der Verbrauch von verarbeiteten Produkten geht zurück.
![Nahaufnahme einer Frau, die in der Küche Zitronensaft auspresst und Limonade macht.](https://cdn.unitycms.io/images/EwSj0BKmKTVAsxAyWoViIx.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=8LKCQFbpGpM)
- Gesundheit und Wohlbefinden haben in der Schweiz an Bedeutung gewonnen.
- Junge Generationen bevorzugen Bier, Spirituosen und alkoholfreie Alternativen gegenüber Wein.
- Importe und Produktion von Knoblauch in der Schweiz stark gestiegen.
- Bohnenkaffee und asiatische Küche gewinnen zunehmend an Popularität.
«Brainfood», «Nahrung fürs Gehirn», «Kraftpakete für unsere Gesundheit»: Schlagzeilen über Ernährungsthemen zeigen, wie sehr Gesundheit und Wohlbefinden an Bedeutung zugelegt haben in den vergangenen Jahren. Gemäss Schweizer Mediendatenbank ist allein seit Anfang Jahr im Schnitt jeden Tag mehr als ein Artikel erschienen, der die gesundheitlichen Vorzüge von Nüssen anpreist.
Ähnlich enthusiastisch wird die Zitrone empfohlen. Deren gesundheitliche Wirkungen waren im laufenden Jahr ebenfalls fast täglich Thema auf den Newsportalen und in den Zeitungen: «Der saure Alleskönner», «Beisse täglich in die saure Zitrone – du wirst reichlich belohnt».
Das dritte «Wundermittel» ist der Knoblauch: Die «würzige Wunderknolle» wurde im Schnitt jeden zweiten Tag zum gesunden Genuss empfohlen.
Das dürfte dem Bund gefallen, denn seit 1998 versucht er mit seinen Ernährungsempfehlungen in Form der Lebensmittelpyramide die Ernährungsgewohnheiten der Schweizer Bevölkerung in eine gesündere Richtung zu lenken. Zwar ist der Erfolg bescheiden, wenn das Ziel ist, dass sich die Bürger vollständig an die Empfehlungen halten. Auch wenn weiterhin viel Fleisch gegessen wird; viele scheinen ihren Speiseplan zumindest teilweise umgestellt zu haben.
Die seit Jahren zunehmende Berichterstattung über besonders gesunde Lebensmittel zeigt also Wirkung – und sie ist auch die Folge veränderter Ernährungsgewohnheiten im Land.
Detaillierte Daten zum Nahrungsmittelkonsum der Haushalte
Zitronen, Nüsse und Knoblauch sind die Lebensmittel, deren Konsum in den Schweizer Haushalten in den letzten Jahren am stärksten zugenommen hat. Das zeigen die Daten des Bundesamts für Statistik (BFS). Die Behörde erhebt regelmässig und detailliert die Ausgaben von Schweizer Haushalten. Dabei wird nur der Verbrauch zu Hause erfasst, nicht jener im Restaurant oder von Take-aways.
So werden zwar zu Hause weniger Mineralwasser und Süssgetränke konsumiert, aber dafür viel mehr unterwegs. In den Haushalten ist laut den BFS-Daten auch der Salatkonsum rückläufig. Aber der Konsum ausser Haus – in Restaurants und Take-aways – dürfte stark zugenommen haben.
Auffällig entwickelt sich der Konsum von Nüssen. Seit 2006 hat er sich im Durchschnittshaushalt von monatlich 390 Gramm auf 860 Gramm mehr als verdoppelt. Früher galten sie wegen ihres Fettgehalts als Dickmacher, heute als «gesunde Kalorien», auch wenn die Studien nicht selten von Produzenten gesponsert sind. Nüsse profitieren vom Trend zum Müesli. Die inländische Produktion von Baumnüssen nimmt zu.
Auch der Konsum von Zitronen hat sich mehr als verdoppelt, jener von Knoblauch beinahe.
Das starke Wachstum beruht nicht nur auf gesundheitlichen Argumenten. Kulturelle Veränderungen und kulinarische Trends spielen ebenfalls eine Rolle. Alle drei Lebensmittel profitieren von einem steigenden Interesse an natürlichen, unverarbeiteten und oft biologisch hergestellten Produkten.
Die Einwanderung aus mediterranen Ländern hat die Nachfrage nach Zitronen und Knoblauch erhöht, spielt diese doch in den Küchen dieser Kulturen eine wichtige Rolle. Gleichzeitig hat die Reisefreudigkeit der Schweizer dazu geführt, dass kulinarische Erfahrungen aus den Ferien in den Kochalltag integriert wurden. Wie stark dieser Trend wirkt, zeigt sich beispielsweise an der Popularität von Yotam Ottolenghi, dessen Kochbücher in der Schweiz zu den meistverkauften Titeln im Kochbuchsegment gehören.
![Traditionelles thailändisches Pad Thai auf einem Teller serviert mit Limettenscheibe und Sprossen auf einem Tisch.](https://cdn.unitycms.io/images/BMwuksJ9aj3AZqjSXHgYdS.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=Y869EmHYS64)
Auch die wachsende Verbreitung der asiatischen Küche in der Schweiz hat den Konsum von Zitronen und Limetten gefördert. Besonders Limettensaft wird dabei oft zum Würzen verwendet, zum Beispiel für Thai-Currys. Die Zitrone wird sehr vielseitig verwendet, der Saft ersetzt in Marinaden und Dressings zunehmend den Essig.
Im Pandemiejahr 2020 stiegen die Zitronenimporte schlagartig um 15 Prozent an, weil viele Leute den Vitamin-C-haltigen Saft zur Stärkung des Immunsystems zu sich nahmen.
Knoblauch profitiert von den gleichen Trends. Er gilt als gesund, wird in der mediterranen und in der asiatischen Küche überdurchschnittlich verwendet und ist ein wesentlicher Bestandteil vieler Gerichte.
Der Import hat deutlich zugenommen, aber noch viel stärker gewachsen ist die inländische Produktion. Die Schweizer Bauern haben die Anbaufläche für Knoblauch seit 2011 vervierfacht, mehr als 70 Prozent davon ist heute bio.
«Light» ist out, «natürlich» ist in
Der Gesundheits- und Fitnesstrend beeinflusst das Ernährungsverhalten seit Jahrzehnten. Aber die Nachfrage der Konsumentinnen und Konsumenten hat sich verschoben. Die 1990er- und frühen 2000er-Jahre waren vom grossen Boom der «Light»-Produkte geprägt. Die Lebensmittelindustrie lancierte viele fettarme oder kalorienreduzierte Produkte. Eines der ersten war Margarine.
«Light» ist mittlerweile aber out. Der Verbrauch von Margarine sinkt seit Jahren kontinuierlich. Seit 2011 geht auch der Joghurtkonsum in den Haushalten Jahr für Jahr zurück. Stattdessen werden «natürliche» Lebensmittel, Proteine, gesunde Fette und weniger verarbeitete Produkte bevorzugt.
![Mitarbeiter führt Qualitätskontrolle von Blaubeeren in der Fabrik durch, Blaubeeren in grüner Kiste.](https://cdn.unitycms.io/images/7ADgk18z4mrAM7Gn5gFMq5.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=sKYm6a4GrwY)
So werden zum Beispiel frische Pilze, Beeren, Kohlgemüse vermehrt konsumiert. Weil die Supermärkte viel mehr Him- und Heidelbeeren nicht nur aus Spanien und Marokko, sondern auch aus Anbaugebieten in Peru und Chile beziehen, bieten sie diese auch im Winter an. Das ausgedehnte Angebot fördert den Absatz.
Auch exotische Früchte und Avocados sind im Supermarkt das ganze Jahr verfügbar und werden im Winter zur Konkurrenz für einheimische Äpfel und Birnen, deren Konsum in den Haushalten zurückgegangen ist.
Für Nahrungsmittel wird immer weniger vom Einkommen ausgegeben
Verlierer dieser veränderten Gewohnheiten waren zum Beispiel Kartoffeln und Konservengemüse. Wenig überraschend sinkt auch der Konsum von Zucker oder von löslichem Kaffee. Bohnenkaffee verzeichnet dagegen ein starkes Wachstum – nicht zuletzt dank des Erfolgs von Nespresso und ähnlichen Systemen.
Bemerkenswert ist der starke Zuwachs beim Mehl. Die Verbrauchsmengen waren lange Zeit rückläufig. Doch während der Pandemie wurde Backen zum Hobby: Der durchschnittliche monatliche Verbrauch pro Haushalt stieg von weniger als 700 auf 1200 Gramm.
Weil die Restaurants während der Pandemie geschlossen waren, hat der Bierkonsum zu Hause stark zugenommen. Zwar ging er 2022 wieder etwas zurück, aber es wird dennoch mehr getrunken als vor 10 bis 15 Jahren.
Klar rückläufig ist dagegen der Weinkonsum. Nur kurz unterbrochen während der Pandemie, sinkt er seit Jahren. Bis 2013 wurden in einem Durchschnittshaushalt mehr als vier Liter pro Monat getrunken, jetzt sind es nur noch drei. Besonders Rotwein verliert. Jüngere Generationen bevorzugen offenbar eher Bier, Spirituosen und alkoholfreie Alternativen.
Konsumentinnen und Konsumenten können aus einer immer grösseren Vielfalt an Nahrungsmitteln auswählen. Die Kosten der Ernährung spielen dagegen für den Grossteil der Haushalte eine immer kleinere Rolle. Gemäss Bundesamt für Statistik ist der Anteil am Einkommen zurückgegangen, den die Haushalte für Nahrungsmittel ausgeben.
2006 wendete ein Schweizer Durchschnittshaushalt 10,3 Prozent seines verfügbaren Einkommens für Nahrungsmittel auf. 2022 waren es nur noch 9,1 Prozent.
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