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Finanzierung des Wiederaufbaus
Schweiz soll dafür sorgen, dass russische Staats­gelder in die Ukraine fliessen

Um das von ihr verwaltete Geld geht es: Die russische Zentralbankchefin Elvira Nabiullina. 
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Es ist ein riesiger Betrag. Umgerechnet gut 240 Milliarden Franken Vermögen der russischen Zentralbank und von russischen Staatsfirmen sollen im Ausland blockiert sein. Das Geld steht eigentlich Notenbankchefin Elvira Nabiullina zur Verfügung.

Noch viel grösser aber ist der Schaden, der in der Ukraine durch den Krieg entstanden ist. Die Schätzungen reichen von 500 bis 2000 Milliarden Franken. Sicher ist: Jeden Tag wird die Zerstörung in der Ukraine grösser. International steigt der Druck, die russischen Staatsgelder dem kriegsversehrten Land zugänglich zu machen. Die Frage lautet eigentlich nur: Wie soll das gehen?

Mehrere Nationalrätinnen und Nationalräte fordern, dass die Schweiz bei der Klärung der Frage eine aktive Rolle übernehmen soll. Am Montag werden zwei verbindliche Vorstösse dazu eingereicht. Einer stammt von Gerhard Andrey, Nationalrat der Grünen aus Freiburg, und einer von Heinz Siegenthaler, Mitte-Nationalrat aus Bern.

«Wir haben das Mittel der Doppeleinreichung gewählt, um zu zeigen, dass Linke und Bürgerliche hinter dieser Forderung stehen», sagt Andrey. Er sehe es als Pflicht der Schweiz an, die Initiative zu ergreifen.

«Die breit abgestützte Einreichung soll vermitteln: Der politische Wille ist da, die Unterstützung aus dem Parlament intakt.»

Gerhard Andrey, Nationalrat der Grünen

Die Vorstösse fordern, dass die Schweiz zusammen mit anderen Staaten die völkerrechtlichen Grundlagen klären soll. Auch sei «ein konkreter Mechanismus vorzuschlagen, der es erlaubt, die durch die Sanktionen eingefrorenen staatlichen oder staatsnahen Gelder rechtmässig an das angegriffene Land zu überweisen».

Politikerinnen und Politiker aus anderen Fraktionen tragen die Vorstösse mit. «Die breit abgestützte Einreichung soll vermitteln: Der politische Wille ist da, die Unterstützung aus dem Parlament intakt», so Andrey. Heinz Siegenthaler sagt: «Es ist ein Aufruf an den Bundesrat, er möge politisch aktiv werden.» So wie es auch in der Verfassung heisse, dass der Bund zur Lin­de­rung von Not und Ar­mut in der Welt beitrage.

Roland Fischer, Luzerner Nationalrat der Grünliberalen, sagt: «Unsere Möglichkeiten, militärisch zu unterstützen, sind beschränkt. Umso wichtiger ist es, dass die Schweiz in anderen Bereichen aktiv wird – und bei der Entwicklung einer internationalen Rechtsgrundlage für den Einsatz russischer Staatsgelder für den Wiederaufbau der Ukraine die Initiative ergreift.»

Einige angefragte Politikerinnen und Politiker wollen den Vorstoss nicht unterstützen. So etwa SVP-Nationalrat Thomas Matter. Er sagt: «Das sind Gelder, die dem russischen Staat gehören. Solange das bestehende Recht gilt, können wir nicht einfach Vermögen konfiszieren und der Ukraine übertragen.» Matter hält auch nichts von der Idee, dass die Schweiz die Regeln mitprägen soll, wie das Notenbankgeld für die Ukraine genutzt werden kann: «So weit kommt es noch, ein neutrales Land kann diese Rolle nicht einnehmen.»  Andere Politiker erachten die Schaffung einer Taskforce, die zuerst die russischen Vermögen in der Schweiz aufspürt, als wichtiger. 

«Die Schweiz hat da etwas zu bieten.»

Gretta Fenner, Geschäftsführerin des Basel Institute on Governance

Gretta Fenner, Geschäftsführerin des Basel Institute on Governance, das sich gegen Korruption und für eine bessere Regierungsführung einsetzt, begrüsst die Initiative: «Ich befürworte, dass man sich dafür einsetzt, dass eine völkerrechtlich kompatible Lösung gefunden wird. Die Schweiz hat da etwas zu bieten.»

Es gibt aber sowohl im Inland und im Ausland Stimmen, die durchblicken lassen, dass in dieser Frage niemand auf die Schweiz gewartet hat. Die Diskussion habe im Ausland schon lange Fahrt aufgenommen, sagt ein Beobachter. So hat die UNO-Generalversammlung im vergangenen Jahr dazu eine allgemein formulierte Resolution verabschiedet, die ein solches internationales Gremium skizziert.

Vorbild Irakkrieg? 

Es gibt in der Geschichte ein Beispiel, wie der Prozess ablaufen könnte – und auch damals spielte die Schweiz eine wichtige Rolle. Nach dem Ersten Irakkrieg 1991 wurde in Genf die Entschädigungskommission der UNO eingerichtet. Sie bearbeitete Ansprüche auf Entschädigungen für Verluste und Schäden, die als direkte Folge der unrechtmässigen Besetzung Kuwaits durch den Irak entstanden waren.

Der Irak zahlte insgesamt rund 46 Milliarden Euro. Das Geld ging an Privatleute, Firmen und Regierungsorganisationen, denen durch den irakischen Angriff ein Schaden entstanden war. Das Geld stammte vor allem aus Steuern auf Erdölprodukte.

Veranlasst hatte das damals der Sicherheitsrat der UNO. Wegen des Vetorechts Russlands fehlt eine solch verlässliche Rechtsgrundlage heute. An mehreren Stellen wird nun versucht, eine Lösung zu finden. So hat die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen bereits klargemacht, dass sie dafür sorgen will, dass das Zentralbankvermögen vollumfänglich für den Wiederaufbau der Ukraine eingesetzt werden soll.

Doch nicht nur ist die Rechtslage unklar, es ist auch nicht sicher, um wie viel Geld es sich tatsächlich handelt. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete im Januar, dass die EU-Beamten von den schätzungsweise 258 Milliarden Dollar an eingefrorenen russischen Vermögenswerten nur rund 36 Milliarden Dollar aufspüren konnten. Bald schon soll Klarheit darüber herrschen, wo dieser Schatz zu finden ist.

 EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen will die Zentralbankgelder Russlands für die Ukraine einsetzen. 

Im Rahmen des im Februar bekannt gegebenen zehnten Sanktionspakets hat die EU angekündigt, dass sie eine Übersicht über alle eingefrorenen Vermögenswerte der russischen Zentralbank in der EU erstellen will.

«Wir müssen wissen, wo sich diese befinden und wie viel sie wert sind», sagte von der Leyen. Und weiter: «Dies ist im Hinblick auf die mögliche Verwendung öffentlicher russischer Vermögenswerte zur Finanzierung des Wiederaufbaus in der Ukraine von entscheidender Bedeutung.»

Rund 5 Milliarden Zentralbankgelder in der Schweiz

Bei Schweizer Banken befinden sich laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) weniger als 2 Prozent der russischen Zentralbankgelder. Sollte die Schätzung von 258 Milliarden zutreffen, wären also rund 5 Milliarden davon in der Schweiz.

Keine solche Vermögen sollen hingegen bei der Schweizerischen Nationalbank liegen. «Sie unterhält keine Geschäftsbeziehungen mit der russischen Notenbank», heisst es beim Staatssekretariat für Wirtschaft. Zwischen den beiden Zentralbanken würden weder Guthaben noch Verpflichtungen existieren. 

Wie hoch die Summe auch sein mag, die Schweiz soll bei der Verteilung der Gelder Vorarbeit leisten, fordert Nationalrat Andrey: «Es geht hier um eine Angelegenheit, die auf der Hand liegt: Die eingefrorenen, immensen Gelder gehören dem Aggressor, dem Staat Russland.» Das Land sei für die Schäden in der Ukraine verantwortlich. «Es scheint deshalb nur logisch und konsequent, die eingefrorenen russischen Gelder der Ukraine zuzuführen.»