Sicherheitslage«Schweiz ist deutlich weniger sicher», Geheimdienst schlägt Alarm
Das sicherheitspolitische Umfeld habe sich massiv verschlechtert, berichtet der Nachrichtendienst. Er spricht von einer «akzentuierten» Terrorgefahr und warnt vor «eurasischen Autokratien».
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Seine Lageberichte waren auch früher keine Beschwichtigungsschriften. Doch dieses Jahr schlägt der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) mehr als sonst Alarm. «Wir leben in einer gefährlichen, volatilen Übergangszeit hin zu einer Neuordnung der globalen Machtverhältnisse», heisst es im Bericht.
Das sicherheitspolitische Umfeld verschlechtere sich von Jahr zu Jahr weiter. «Die Schweiz ist angesichts des stark polarisierten Umfelds mit Multikrisen und mit Waffengewalt ausgetragenen Konflikten in Europa und an Europas Peripherie deutlich weniger sicher als noch vor wenigen Jahren», hält der Geheimdienst fest.
Einfluss der USA wird zurückgedrängt
Vor allem warnt der NDB vor einer «Gruppe eurasischer Autokratien»: Russland, der Iran, Nordkorea und China kooperierten vermehrt auch militärisch, was Auswirkungen auf regionale Kriege und Krisen habe. Diese Staaten wollten den Einfluss der USA zurückdrängen.
Europa sei sicherheitspolitisch von den Vereinigten Staaten abhängig, was durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine «schmerzhaft deutlich» geworden sei. China wolle bis Mitte des Jahrhunderts zur Weltmacht werden. «Die westliche Vormacht USA wird zudem durch die Präsidentschaftswahl 2024 und eine neue Administration innenpolitisch absorbiert sein.»
Terrorbedrohung «akzentuiert»
Neben dem «Abnutzungskrieg ohne absehbares Ende» zwischen Russland und der Ukraine drohe im Nahen Osten ein «Flächenbrand», insbesondere zwischen Israel und dem Iran. Die seit Jahren erhöhte Terrorbedrohung Europas und der Schweiz hat sich im Nachgang der Hamas-Gräuel in Israel und des Kriegs in Gaza laut dem NDB «zusätzlich akzentuiert».
Insbesondere Jugendliche – darunter der Schüler, der in Zürich im März einen jüdischen Familienvater niederstach – fühlten sich von der islamistischen Propaganda im Internet inspiriert. Der NDB listet Polizeiinterventionen gegen gewaltbereite Islamisten in verschiedenen Kantonen auf. Elf Jugendliche im Alter von vierzehn bis achtzehn Jahre wurden dabei in den Monaten März und Juni festgenommen. Die Terrormiliz Hizbollah, gefördert vom Iran, unterhalte in der Schweiz «in der schiitisch-libanesischen Diasporagemeinschaft ein Netzwerk» mit einigen Dutzend Unterstützern, von denen einige gemäss NDB auch eine «eine terroristische Aktion» durchführen könnten.

Spionagemässig sind Russland und China nach wie vor in der Schweiz am aktivsten. Sie unterhalten Residenturen – also nachrichtendienstliche Stützpunkte in diplomatischen Vertretungen – und Tarnfirmen. Das vom Westen sanktionierte Russland beschafft sich so Güter, die sowohl zivil als auch militärisch eingesetzt werden können. Für die Schweizer Exportkontrolle seien falsch deklarierte Empfänger schwierig zu erkennen. Der Weiterverkauf solcher Güter über Drittländer könne «nicht umfassend kontrolliert werden».
Weniger Operationen des NDB
Trotz Zunahme der Gefahren führte der NDB gemäss neu publizierten Zahlen zuletzt weniger Operationen durch, für die er Genehmigungen des Bundesverwaltungsgerichts und aus dem Bundesrat braucht. Konkret bekam er vergangenes Jahr nur einmal im Bereich Gegenspionage die Möglichkeit dazu sowie einmal zum Schutz kritischer Infrastruktur. Im Vorjahr waren doppelt so viele Operationen genehmigte worden, also vier.
Diese Redaktion hat kürzlich eine Operation publik gemacht, die 2023 begann und sich gegen einen russischen Militäragenten richtete. Eine intensive Observation, die 2024 andauerte, zeigte: Der für die Berner Handelsmission Russlands akkreditierte Russe hatte in Bern Scharfschützen-Munition und im Baselbiet Laborgeräte beschafft, die potenziell zur Herstellung von Chemiewaffen eingesetzt werden können.
150 neue Stellen beantragt
Für eine Observation eines einzigen ausländischen Agenten rund um die Uhr braucht es gemäss NDB-Direktor Christian Dussey 15 Personen – Personal, das der Dienst nur sehr beschränkt hat. Deshalb hat die Sicherheitspolitische Kommission (SIK) des Ständerats kürzlich einen Antrag für 150 neue Stellen beim NDB gutgeheissen. Ende 2023 verfügte der NDB über 438 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die nationalrätliche Schwesterkommission hat am Dienstag entscheiden, nicht auch noch aktiv zu werden in der Sache. Die Kommission hat gemäss ihrer Präsidentin Priska Seiler Graf (SP, ZH) zwar aus sicherheitspolitischen Überlegungen Sympathien für die Ausbauforderung. Aber sie war auch der Meinung, dass auch noch andere Argumente miteinbezogen werden müssen in einen solchen Entscheid, wie zum Beispiel die finanzielle Lage des Bundes. Sie fand die Finanzkommission verfüge über die besseren Informationen, um zu skizzieren, wie dabei vorgegangen werden soll.* Die Grünen fordern beispielsweise, dass der Geheimdienst-Ausbau verbunden ist mit dem Pochen auf strikte Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben. SVP-Vertreter in der SIK verlangten, dass die 150 avisierten neuen Stellen andernorts in der Bundesverwaltung kompensiert werden. Die Finanz-Fachleute des Parlaments beugen sich noch diese Woche über die Personalzahlen. Der NDB gehört zu den kleinesten Nachrichtendiensten in Europa.
* Diese Stelle wurde nachträglich ergänzt und präzisiert.
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