Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Öffentlicher Verkehr
SBB-Chef schiebt Verantwortung in Freiburger Busaffäre ab

SBB-Chef Vincent Ducrot war bis 2020 Direktor der Freiburgischen Verkehrsbetriebe.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Die Freiburgischen Verkehrsbetriebe (TPF) haben für ihre Dienstleistungen vom Kanton und den Freiburger Agglomerationsgemeinden während Jahren zu viel Geld kassiert. Darüber informierte das Bundesamt für Verkehr Anfang Dezember in einer Medienmitteilung. Brisant ist: Die Affäre war in Gang, als der heutige SBB-Chef Vincent Ducrot Generaldirektor der TPF war (2011 bis 2020).

6 bis 7 Millionen Franken müssen die TPF dem Kanton und den Freiburger Agglomerationsgemeinden nun zurückzahlen. Auf den Rappen genau berechnen Spezialisten der Kantonsverwaltung derzeit, wem die TPF wie viel Geld schulden.

Als das Bundesamt für Verkehr die Affäre im Dezember öffentlich machte, richteten sich die Augen auch auf SBB-Chef Ducrot. Was wusste er als ehemaliger TPF-Generaldirektor? Ducrot sagte nach Bekanntwerden der Affäre: «Ich bin überzeugt, dass die TPF diesen Fall so gut wie möglich zusammen mit den Bestellern lösen werden – wie ich es auch getan hätte, wenn ich als TPF-Chef damit konfrontiert gewesen wäre.» Er selbst sei nicht in die Untersuchungen einbezogen, hielt Ducrot fest. Ein langjähriger TPF-Buchhalter musste das Unternehmen hingegen per sofort verlassen, wenige Monate vor seiner Pensionierung.

«Wir waren der Meinung, dass die TPF den Gemeinden Einnahmen aus Werbegeldern weitergeben müssen.»

René Schneuwly, Präsident Agglo Freiburg

Recherchen dieser Zeitung zeigen nun, dass Ducrot als TPF-Generaldirektor in Diskussionen über die (zu) teuren Dienstleistungen involviert gewesen sein soll. An Sitzungen mit Ducrot versuchten Vorstandsmitglieder des Interessenverbands der zehn Freiburger Agglomerationsgemeinden (Agglo Freiburg), die TPF-Buchhaltung zu durchleuchten und zu belegen, dass die TPF für Dienstleistungen zu viel Geld verlangten.

Auch René Schneuwly, Präsident der Agglo Freiburg, sass in Sitzungen mit Ducrot. Er sagt: «Es ging mitunter um die Buswerbung. Wir von der Agglo Freiburg waren der Meinung, dass die TPF uns diese Einnahmen weitergeben müssen, weil die TPF auf Fahrten durch unsere Gemeinden, in Erfüllung der von uns bezahlten Dienstleistungen also, Werbegelder verdienten.» Ducrot und die TPF seien auf die Forderungen aber lange Zeit gar nicht eingegangen, sagt Schneuwly. Er betont: «Wir Agglo-Gemeinden zahlen den TPF 21 Millionen Franken pro Jahr, da ist es legitim, zu unserem Geld zu schauen.»

Hat SBB-Chef Ducrot angesichts der Brisanz der Freiburger Postauto-Affäre zu Unrecht von seiner Person abgelenkt? Die Fragen an Ducrot beantwortet SBB-Sprecher Andreas Stuber. Er schreibt: «Die TPF haben mit der Agglo ihre ÖV-Offerten jährlich besprochen und verhandelt, wie mit allen anderen Bestellern auch. Dabei wurde selbstverständlich auch die Höhe der Abgeltungen diskutiert.»

Fragen zur Buchhaltung haben bei den TPF gemäss Stuber die Verantwortlichen der Finanzabteilung und der Finanzchef analysiert und beantwortet. «Die Agglo nahm dies zur Kenntnis. Vincent Ducrot hatte als TPF-Generaldirektor vor diesem Hintergrund keinen Grund, die Verbuchungspraxis infrage zu stellen», betont SBB-Sprecher Stuber. Eine Praxis, die gemäss Bundesamt für Verkehr im Jahr 1998 begonnen hatte.

Geheimgespräche über Ducrot

Ducrots Rolle bei den Freiburger Verkehrsbetrieben zum Thema gemacht hat der ehemalige Freiburger Finanzdirektor Georges Godel (Die Mitte). Er ist Mitte Januar zurückgetreten. Godel präsidierte den TPF-Verwaltungsrat, war also Vorgesetzter von SBB-Chef Ducrot. Während vier Jahren gab Godel dem Journalisten Jean-Marc Angéloz, seinerseits Onkel von Bundesrat Alain Berset, geheime Interviews über seine Amtsgeschäfte und den Alltag in der Freiburger Regierung.

Sieht sich als Teil von Vincent Ducrots Aufstieg zum SBB-Chef: Der Freiburger Alt-Staatsrat Georges Godel.

Das Buch mit den gesammelten Gesprächen ist nun erschienen (diese Zeitung hat darüber berichtet). Darin schwärmt Godel von Ducrot, betont ihr innig-freundschaftliches Verhältnis und rühmt sich, Ducrot mit seiner Teilnahme an dessen Assessment geholfen zu haben, den SBB-Chefposten zu bekommen. Ducrot habe ihn im Bewerbungsverfahren stets auf dem Laufenden gehalten und ihm frühzeitig seine Überzeugung versichert, dass er neuer SBB-Chef werde, so Godel. Godels Aussagen wollte Ducrot auf Anfrage nicht kommentieren.

Mit Blick auf die Freiburger Busaffäre ist brisant, dass Ducrot gemäss Godel im Vieraugengespräch die Agglo Freiburg heftig kritisierte und auch deren Präsident Schneuwly attackierte. Im Buch sagt Godel über Ducrot: «Er sagte, die Agglo habe keine Zukunftsvision. Mein TPF-Direktor hat oft über die Agglo gesprochen. Er sagte mir, es sei eine Katastrophe. Die Agglo suche Ingenieure in Genf, um herauszufinden, ob das Geld, das die TPF für ihre Dienstleistungen verlangen, gerechtfertigt ist.»

René Schneuwly ärgern Godels Aussagen. Heute, nach Bekanntwerden der Busaffäre, fühlt sich der Agglo-Präsident erst recht bestätigt, die TPF-Rechnungen zu hinterfragen. Für Alt-Staatsrat Georges Godel hatte das Erscheinen des Buchs Konsequenzen. Unter massivem politischem Druck musste er am Montag von seinem Posten als Verwaltungsratspräsident der TPF per sofort zurücktreten. Gemäss der Zeitung «La Liberté» hat ein Bürger, über den Godel im Buch spricht, den Ex-Magistraten bei der Staatsanwaltschaft wegen Amtsgeheimnisverletzung angezeigt.