Zulieferer für ChipherstellerDiese Maschinen produzieren, was alle Welt haben will
Ohne die Anlagen von ASML gäbe es keine neuen Smartphones, keine künstliche Intelligenz, keine modernen Waffensysteme: Nun gerät die niederländische Firma ins Spannungsfeld zweier Grossmächte.
![Wer im Reinraum der niederländischen Firma ASML vor dieser gigantischen Maschine steht, empfindet unweigerlich Ehrfurcht.](https://cdn.unitycms.io/images/1g5p-p3qqVU9SeJdzE7XdG.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=t5kSw0S_DXk)
- ASML ist der weltweit führende Anbieter komplexer Chipherstellungsmaschinen.
- Die USA versuchen, Chinas Zugang zu ASML-Technologie zu beschränken.
- Aktuelle ASML-Maschinen sind extrem präzise und erzeugen winzige Nanostrukturen.
- ASML plant weiterhin die Expansion, ungeachtet geopolitischer Spannungen.
In fahlgelbem Kunstlicht steht die Maschine in der riesigen Halle, so gross wie ein Autobus. Vollgestopft mit einem Gewirr aus Kabeln, Schläuchen und Rohren, Ventilen und Schaltern und viel matt glänzendem Metall – die komplexeste Maschine der Welt. Und nur eine einzige Firma weltweit kann sie bauen: ASML.
ASML? Von diesem Unternehmen haben wohl die meisten noch nie etwas gehört. Die Firma aus Veldhoven bei Eindhoven in den Niederlanden ist der wichtigste Zulieferer für Chiphersteller wie Intel, Samsung oder TSMC. Mehr als 42’000 Menschen arbeiten weltweit für ASML, die Firma machte zuletzt 27,5 Milliarden Euro Umsatz – und 7,8 Milliarden Euro Gewinn. Es ist das zweitwertvollste Unternehmen Europas, nur SAP wird an der Börse noch höher bewertet. Und das hat einen Grund.
Die Maschinen, die ASML herstellt, sind nicht nur extrem komplex. Manche halten sie gar für die wichtigsten der Welt. Man braucht sie, um die schnellsten Chips herzustellen. Die stecken zum Beispiel in neuen iPhones, in Laptops mit künstlicher Intelligenz (KI), in den KI-Chips des Börsenstars Nvidia. Man braucht sie auch für hochmoderne Waffensysteme. Klar also, dass nicht bloss die Chefs von Chip-Herstellern bei ASML ein und aus gehen. Tim Cook von Apple war hier, Jensen Huang von Nvidia. Aber auch US-Präsident Joe Biden war schon zu Besuch. Als Abgesandter der amerikanischen Techindustrie.
Plötzlich mittendrin im Konflikt USA gegen China
Es ging bei Bidens Besuch aber nicht bloss um den transatlantischen Handel. Es ging auch um Geopolitik. Die USA wollen nicht, dass China Zugang zu den neuesten Errungenschaften der Hochtechnologie von ASML bekommt. Anfang 2024 zog die niederländische Regierung die bereits erteilten Ausfuhrlizenzen nach China für einige hoch entwickelte Chip-Maschinen von ASML zurück – mutmasslich auf Druck der USA.
Bei ASML kam das naturgemäss nicht so gut an. «Wir werben stark dafür, dass die Chip-Branche soweit irgend möglich eine globale ist», sagt Roger Dassen, der im Vorstand von ASML für Finanzen zuständig ist. Und man wünsche sich, dass es auch so bleibe. «Das ist doch in aller Interesse», schiebt er nach, sehr diplomatisch. «Sobald man anfängt, solche Ökosysteme in kleinere aufzuspalten, wird sich der Fortschritt verlangsamen.»
![«Wir sind nur ein bescheidener Hersteller von Maschinen»: ASML-Finanzchef Roger Dassen.](https://cdn.unitycms.io/images/8rm7pOdKqb6A5ePEj-sOK8.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=RVXCY5N-Kvs)
Aber Dassen weiss auch, dass er wenig dagegen tun kann. «Wir sind nur ein bescheidener Hersteller von Maschinen», sagt er am Besprechungstisch in seinem grosszügigen, holzgetäfelten Büro im 20. Stock des ASML-Hochhauses. Dassen ist es natürlich vollkommen bewusst, dass «bescheiden» hier masslos untertrieben ist angesichts der Tatsache, dass seine Maschinen produzieren, was alle Welt haben will. Aber natürlich respektiere man den Wunsch der Regierung. Mehr will er, der Finanzchef, dazu nicht sagen.
Muss er auch gar nicht. Man kann sich selbst ein Bild davon machen, was diese Maschinen eigentlich so unverzichtbar macht und wie ein «bescheidener Hersteller» ins Spannungsfeld zweier Grossmächte geraten konnte. Dafür fährt man mit dem Lift ganz nach unten, zieht Schutzkleidung und Überschuhe an, setzt eine Kopfhaube auf und legt eine Gesichtsmaske an. So gewaltig die Maschinen hier in der Werkshalle auch sind: Sie dienen dazu, unfassbar winzige Strukturen zu erzeugen, und müssen deshalb im Reinraum montiert werden. Jedes Stäubchen, jedes Haar könnte einen Riesenschaden verursachen.
Ein Rundgang durch den Reinraum von ASML ist auch eine Tour durch die Welt des Ultrakleinen. Am Ende fragt man sich: Wie zum Teufel kann das überhaupt funktionieren?
Ein Millimeter ist ja schon nicht viel. So dick wie ein Fingernagel. Ein Zehntel davon, das kann man sich noch vorstellen. Bei einem Hundertstel wirds schon schwierig. Aber ein millionstel Millimeter? Ein Tausendstel eines Tausendstelmillimeters? Unmöglich. Doch die Chips, wie sie in unseren Smartphones oder Laptops stecken, funktionieren nur deshalb so gut, weil es in ihrem Innersten in genau solch unglaublich winzigen Dimensionen zugeht. Die feinsten Linien auf dem zentralen Chip etwa des jüngsten iPhones sind nur noch wenige Nanometer, also millionstel Millimeter, breit. Diese Nanostrukturen bilden kleine Schalter, Transistoren genannt. Auf einer Fläche so gross wie ein Fingernagel finden Milliarden von ihnen Platz.
![Jedes Stäubchen könnte einen Riesenschaden verursachen: Im Reinraum darf nur mit Schutzkleidung gearbeitet werden.](https://cdn.unitycms.io/images/CjP8tSq9affBX4A226pI_P.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=UVT4MuF5lp0)
Also wie entsteht ein solcher Chip? Chips herzustellen, das sei «so ähnlich wie Lasagne zubereiten», sagt Marc Assinck aus der Kommunikationsabteilung des Maschinenherstellers. Nur gibt es hier nicht einen Koch, sondern 25’000 Menschen aus 120 Ländern, die an den Maschinen zusammenarbeiten. 90 Prozent der Mitarbeiter sind Ingenieurinnen und Ingenieure verschiedener technischer Fachrichtungen, darunter Chemiker, Physiker, Mathematiker.
Wie das Pastagericht sind auch Chips aus verschiedenen Schichten aufgebaut, bei den schnellsten sind es rund 100 Lagen. Und wie bei der Lasagne werden die Schichten eine nach der anderen hergestellt, manchmal kommen die Chip-Rohlinge sogar in einen Ofen. Damit aber enden die Gemeinsamkeiten.
Chips entstehen in hauchdünnen Scheiben aus hochreinem Silizium, den sogenannten Wafern. Diese werden lichtempfindlich beschichtet, dann mit UV-Licht durch eine Maske – eine Art Negativ – belichtet. Danach ätzt man in anderen Maschinen eine Schicht der belichteten Teile weg. Diese Schritte werden wiederholt, zwischendrin können auch noch Ionen eingebracht oder Metallschichten aufgetragen werden. Das ist so weit bekannt, seit Jahrzehnten arbeitet die Branche nach diesem Muster. Nur sind die Dimensionen inzwischen unfassbar zusammengeschrumpft. Und deshalb braucht es ein ganz besonderes UV-Licht und Maschinen, die so gross sind wie ein Autobus.
Wer vor diesen Kolossen aus Stahl steht, spürt so etwas wie Ehrfurcht. Ehrfurcht davor, dass Menschen es geschafft haben, eine Maschine wie diese zu entwickeln und zu bauen. Sie muss nach einem genauen Plan zusammengebaut werden, erklärt Marc Assinck, «jeder Schritt ist genau vorgegeben».
Der Laserstrahl könnte einen Golfball auf dem Mond treffen
Was im Bauch dieser Riesenmaschine passiert, grenzt ans Unglaubliche. Ausserhalb des stählernen Kolosses befinden sich Hochleistungslaser. Deren Strahl ist um ein Vielfaches stärker als bei Lasern, mit denen in der Industrie Metalle geschnitten werden. Und er ist extrem fokussiert. Würde man ihn auf den Mond richten, könnte man dort, also in fast 400’000 Kilometern Entfernung, einen Golfball abschiessen.
Genau muss der Laserstrahl auch sein, denn er soll winzige Tröpfchen aus Zinn treffen, und zwar jedes genau zweimal – 50’000 Tröpfchen pro Sekunde. Der Laserstrahl wird dafür über unzählige optische Elemente geleitet, verstärkt und schliesslich mit besonders leistungsfähigen Optiken auf die Tröpfchen gerichtet. Der erste Schuss verformt das Tröpfchen zu einer Art Omelett, der zweite lässt es verdampfen – mit einer Temperatur, die 40-mal heisser ist als die an der Sonnenoberfläche. Dabei entsteht ein Plasma, und das strahlt etwas ab, was die Ingenieure brauchen: extrem ultraviolettes Licht (EUV) mit sehr kurzer Wellenlänge.
Weil selbst Luft das extreme UV-Licht verschlucken würde, müssen die nächsten Schritte im Vakuum passieren. Über ein komplexes System aus Spiegeln wird das EUV-Licht gebündelt und umgeleitet zur sogenannten Maske, die man sich ähnlich vorstellen kann wie ein Fotonegativ. Die Maske enthält die Vorlage für die Strukturen, die auf dem Chip entstehen sollen. «Das sind die präzisesten Spiegel der Welt», sagt Peter Kürz vom Hersteller Zeiss.
Nur mit dieser ungeheuren Präzision ist es möglich, auf Chips immer mehr Transistoren zu quetschen und diese damit schneller, aber auch energieeffizienter zu machen. Moderne Laptops halten heute locker einen Arbeitstag lang durch, Smartphones haben eine millionenfach höhere Rechenleistung als die schrankgrossen Computer, mit denen die Nasa Ende der 1960er-Jahre die Mondlandung steuerte.
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Das Spiegelsystem, das allein schon so gross ist wie ein Kleinwagen, liefert das deutsche feinmechanisch-optische Industrieunternehmen Carl Zeiss aus dem süddeutschen Oberkochen.
Die Zusammenarbeit mit Zeiss verlief nicht immer reibungslos. Während die Niederländer Risiken nicht scheuen, oft unkonventionell arbeiten, hatten die Deutschen keine grosse Lust, sich auf Abenteuer einzulassen. Dass die Sache mit dem extremen UV-Licht wirklich funktionieren würde, war ja auch keineswegs sicher. Noch 2016 erschien ein Artikel in einem Tech-Magazin über eine Fachkonferenz, auf der Teilnehmer die Technologie endgültig für tot erklärten. Doch ASML blieb dabei und bewies zwei Jahre später, dass es doch ging. «Das brauchte ganz schön viel Durchhaltevermögen», sagt Dassen, der erst 2018 an Bord kam. Heute weiss man aber, was man aneinander hat. «Zeiss ist absolut unverzichtbar für alles, was wir tun», sagt Dassen.
Das zeigt sich auch bei der jüngsten Entwicklung von ASML. Um noch feinere Strukturen zu erzeugen, muss mehr Licht auf die Wafer gebracht werden. Dazu macht man etwas, das man von Fotokameras kennt: Man erhöht die Lichtstärke der Optik. Und wie bei Kameras führt das dazu, dass die optischen Systeme, in diesem Fall die Spiegel, enorme Grössen von etwa einem Meter erreichen müssen. Auch die gesamte Maschine wird dadurch noch einmal grösser. Zeiss nahm auch diese Hürde, aber sogar bei ASML sagen sie, noch grössere Maschinen werde man nicht mehr bauen als diese.
Sieben Jumbojets braucht es, um eine ASML-Maschine zu transportieren, wenn man sie zuvor in Bauteile zerlegt hat. Die Vorgängermaschinen werden in Veldhoven noch komplett zusammengebaut und getestet. Dann bauen die Techniker sie erneut auseinander und bei den Kunden in deren Reinräumen wieder auf. Von den neuen Hochleistungsmaschinen werden nur die einzelnen Teile, etwa das optische System, fertig montiert. Die ganze Maschine wird dann erst beim Kunden aufgebaut.
Etwa 350 bis 400 Millionen Euro kostet ein solches Monstrum, dazu kommen Wartungskosten. Teams von ASML sind stets in der Nähe des Kunden, auch wenn die Maschine längst läuft. Denn nichts ist schlimmer für eine Chip-Fabrik, als wenn der Herstellungsprozess unterbrochen wird. Chip-Fabriken sind nur dann rentabel, wenn sie an sieben Tage die Woche jeweils 24 Stunden laufen.
![Etwa 350 bis 400 Millionen Euro kostet ein solches Monstrum, dazu kommen Wartungskosten.](https://cdn.unitycms.io/images/6wTTuHH-Kby8C3gnqZ69lQ.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=BHB8PK_C2KU)
Das weiss man natürlich auch in den USA, weshalb es aus der US-Regierung bereits die Forderungen gab, ASML solle seinen Wartungsservice für einige seiner Maschinen in China doch einstellen. ASML gefällt das alles nicht, aber wie der Nachrichtendienst Bloomberg berichtet, plant der niederländische Premierminister Dick Schoof wohl, die Lizenz für die Wartung von Maschinen in China im neuen Jahr nicht mehr zu erneuern. Das würde chinesische Chip-Hersteller wie Huawei oder SMIC treffen. Und wie das alles unter Donald Trump sein wird, ist auch noch offen.
Die Maschinen von ASML sind so teuer, dass sie schon eine besonders lange Nutzungsdauer bieten müssen, damit sich die hohen Kosten rentieren. Tatsächlich, sagt ASML-Finanzchef Dassen, seien noch die meisten aller jemals produzierten Lithografiemaschinen von ASML im Einsatz. Zwar kann man aus einer 30 Jahre alten Maschine kein Werkzeug für High-End-Chips machen. Aber der modulare Aufbau der Maschinen macht es möglich, einzelne Module auszutauschen oder umzurüsten und so etwa schneller zu machen oder die Ausbeute an funktionierenden Chips zu erhöhen. Diese, im Fachjargon Yield genannte Ausbeute liege zwischen 70 und 80 Prozent, sagt Assinck.
Die ersten der jüngsten Riesenmaschinen werden gerade bei Intel in Hillsboro bei Portland, Oregon, aufgebaut und kalibriert – ein Prozess, der Monate dauern kann. Weil es zudem noch viele alte Bestellungen aufzuarbeiten gibt, läuft es bei ASML trotz der Wirtschaftsflaute gut. Viele Unternehmen nutzten Zeiten geringerer Nachfrage, um ihre Produktionsanlagen zu modernisieren, sagt Finanzchef Roger Dassen. Und für die Zeit danach sieht ASML ebenfalls gute Zeiten für sich und die Branche. Zwar würden weniger Elektroautos verkauft als geplant, sagt Dassen, aber: «KI treibt ganz sicher die Nachfrage.» Nicht nur die Chips für die KI-Berechnungen selbst, auch die Speicher-Chips müssten mit den High-End-Maschinen hergestellt werden.
Bei ASML will man sich auf dem Erfolg aber nicht ausruhen, sagt Vorstandsmitglied Dassen. Nur bei den Maschinen für High-End-Chips habe ASML ein Monopol, für weniger avancierte Chips gebe es Konkurrenten aus Japan wie Nikon oder Canon. Dassen will daher den Geist der Firma bewahren, der ASML erst in die jetzige starke Position gebracht hat. «Wenn etwas Neues auftaucht, kann man es ablehnen. Oder man schaut es sich an, und wenn es vielversprechend ist, dann springt man drauf.» Man könnte es auch mit den Worten von Andy Grove, dem legendären Intel-Gründer, sagen. Der formulierte es mal so: «Nur die Paranoiden überleben.»
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