Überraschender GerichtsentscheidDarum muss Rumänien neu wählen
Das Verfassungsgericht hat kurz vor der Stichwahl den gesamten Wahlvorgang annulliert und einen Neustart angeordnet. Zuvor hatten mehrere Stellen von Manipulationen aus dem Ausland berichtet.
- Das Verfassungsgericht Rumäniens annullierte die gesamte Präsidentschaftswahl wegen Manipulationsvorwürfen.
- Calin Georgescu gewann den ersten Wahlgang mit 23 Prozent vor Elena Lasconi.
- Vermutungen über russische Einmischung führten zur Annullierung der Stichwahl am Sonntag.
- Ministerpräsident Ciolacu forderte umfassende Ermittlungen zur Aufklärung der Wahlmanipulationen.
Das rumänische Höchstgericht in Bukarest hat am Freitagnachmittag in einer sehr überraschenden Entscheidung die gesamte Präsidentschaftswahl annulliert, deren Stichwahl am kommenden Sonntag angestanden hätte. Gemäss Umfragen hätte der Sieger des ersten Wahlgangs, der rumänische Rechtsextremist und Russland-Freund Calin Georgescu, im zweiten Wahlgang bis zu 60 Prozent der Stimmen holen können. Das Verfassungsgericht ordnete allerdings an, dass der gesamte Wahlprozess inklusive der Festlegung eines neuen Termins, der Kandidatennominierung und der Wahlkampagne neu gestartet werden müsse.
Hintergrund waren massive Zweifel an der Rechtmässigkeit des ersten Wahlgangs gewesen, den Georgescu mit knapp 23 Prozent vor der liberalen Kandidatin Elena Lasconi gewonnen hatte. Der 62-jährige Agrarökonom hatte angegeben, in seinem Wahlkampf, der vor allem über soziale Medien abgewickelt wurde, weder über finanzielle noch organisatorische Unterstützung verfügt zu haben.
Informationen zahlreicher staatlicher und ziviler Stellen jedoch – angefangen vom Nationalen Sicherheitsrat und der Wahlbehörde bis zu wissenschaftlichen Instituten und Nichtregierungsorganisationen – deuten darauf hin, dass der Wahlkampf «das Ergebnis einer orchestrierten Manipulation von ausserhalb des Landes» gewesen ist, wie die Nachrichtenplattform Digi.24 schreibt.
Sofort nach dem ersten Wahlgang waren Vermutungen aufgekommen, dass Georgescu von externen Geldgebern, mutmasslich auch aus Russland, unterstützt worden sei. Zudem sollen zahlreiche Influencer dafür bezahlt worden sein, Wahlkampfspots von Georgescu ohne entsprechende Kennzeichnung gepostet und damit seinen Bekanntheitsgrad massiv erhöht zu haben.
Das Verfassungsgericht hatte allerdings erst einmal nicht die Annullierung, sondern eine erneute Auszählung der Stimmen angeordnet. Diese brachte aber keine neuen Erkenntnisse. Eine Absage der Stichwahl war von Politikinsidern zudem als riskant gewertet worden, weil eine Woche nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am vergangenen Sonntag die Parlamentswahl anstand. Die siegreiche sozialdemokratische Partei PSD einigte sich jedoch danach mit anderen Parteien der Mitte sehr schnell auf Koalitionsverhandlungen – und auf die Unterstützung der liberalen Präsidentschaftskandidatin Lasconi in der Stichwahl.
Dazu kommt es nun nicht mehr. Bereits am Donnerstagabend hatten sich Hinweise verdichtet, dass das Verfassungsgericht seinen ersten Beschluss, die Wahl nicht zu annullieren, kassieren könnte. Dutzende Eingaben und Beschwerden waren an die Höchstrichter herangetragen worden. War anfangs noch argumentiert worden, die Eingaben könnten erst nach der Stichwahl ausgewertet werden, zog das Gericht nun doch die Reissleine. Rumänische Medien werten die Entscheidung als «beispiellos» und «schockierend».
«Kandidatur des Betrügers» Calin Georgescu
Erste Reaktionen aus Politik, Medien und von Experten sind positiv. Nun werde die «Kandidatur des Betrügers» beendet, zitiert die Zeitung «Adevarul» einen Politikwissenschaftler. Die Annullierung der gesamten Wahl sei die einzig richtige Entscheidung, sagte Ministerpräsident Marcel Ciolacu. Das Wahlergebnis sei durch die Intervention Moskaus massiv verzerrt worden.
Nun brauche es jedoch weitere Ermittlungen, um herauszufinden, wie die Wahlmanipulationen möglich gewesen seien und wie der Rechtsextremist Georgescu seine Kampagne habe aufziehen können. Die Rumänen brauchten jetzt «klare Antworten der Behörden, die auf soliden Beweisen basieren, denn das Vertrauen der Öffentlichkeit in staatliche Institutionen und in die demokratischen Prozesse, die dem Funktionieren des Landes zugrunde liegen», hänge grundlegend von dieser Untersuchung ab, so Ciolacu.
Die zweitplatzierte Kandidatin nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl, Elena Lasconi von der Partei USR, zeigte sich hingegen empört. Das Verfassungsgericht habe die rumänische Demokratie «mit Füssen getreten», sagte sie nach Bekanntgabe der Entscheidung. Sie hätte gewonnen, wenn man sie hätte antreten lassen, sagte Lasconi. Sie verurteile «aufs Schärfste, was heute passiert ist». Aber sie sei sich sicher: «Gott, die Wahrheit, das rumänische Volk und das Gesetz» würden letztlich siegen.
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