Interview mit Jürg Grossen«Reisserische Berichterstattung gehört nicht gefördert»
Der GLP-Chef lehnt die geplante Medienförderung ab – und schert damit in der eigenen Partei aus. Allerdings argumentiert er ganz anders als die meisten Gegner.
Herr Grossen, wie informieren Sie sich über das aktuelle Geschehen?
Ich habe eine lokale und eine überregionale Zeitung als E-Paper abonniert. Früher hatte ich jeweils auch die gedruckte Version im Briefkasten, aber die Zeitungen landeten immer gleich im Altpapier, darum bin ich ganz umgestiegen. Als Nationalrat habe ich das Privileg, dass ich zu gewissen Themen einen Medienspiegel per Mail bekomme. Zusätzlich bekomme ich Pushnachrichten verschiedener Onlineportale auf mein Handy.
Ihre Partei dürfte am Samstag die Ja-Parole zum Medienförderungspaket beschliessen. Sie als Präsident sind jedoch dagegen. Warum?
Das ist eine Güterabwägung. Die Mitglieder der GLP-Fraktion sind sich einig, dass das Gesetz ein paar Vorteile, aber auch Nachteile hat. Wir finden es richtig, Medien gezielt staatlich zu fördern, insbesondere auch lokale und solche im Onlinebereich. Gleichzeitig halten wir es für fragwürdig, alte Technologien – sprich Print – mit Steuergeldern zu unterstützen. Für mich überwiegen die Nachteile, für andere in der Partei die Vorteile.
«Das alte Postbüchlein ist schliesslich auch ein Auslaufmodell.»
Sie argumentieren damit ganz anders als die meisten bürgerlichen Gegner des Gesetzes. Diese stören sich primär an der Onlineförderung und weniger an den Zustellvergünstigungen für Zeitungen.
Es ist unbestritten, dass die Medien als vierte Gewalt eine sehr wichtige Funktion in unserer Demokratie haben. Und für mich ist es klar, dass wir nicht nur den freien Markt spielen lassen können, wenn sich das Herstellen journalistischer Inhalte wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Aber sollen wir wirklich mit Millionen eine Technologie fördern, mit der viele junge Menschen nichts mehr anfangen können? Ich habe auch ökologische Vorbehalte: Eine Frühzustellung, bei der ein Töffli am Morgen früh durchs Quartier fährt, ist für mich nicht förderungswürdig. Die Gelder fliessen aus meiner Sicht zu stark in den Papierdruck und in Treibstoff statt in die journalistische Qualität.
Was ist mit den älteren Leserinnen: Kann ihnen zugemutet werden, auf Onlinemedien umzusatteln?
Ich verlange das nicht von allen, aber finde durchaus, dass sich ältere Menschen auch mit der Zukunft beschäftigen und mit der Zeit gehen dürfen. Das alte Postbüchlein ist schliesslich auch ein Auslaufmodell. Meine Eltern zum Beispiel haben vor einigen Jahren mit siebzig ihr Festnetztelefon aufgegeben und sind nur noch über das Handy erreichbar. Und sie sind auf ein Elektroauto umgestiegen. Ich finde das toll.
Es wäre für Sie also kein Verlust, wenn die Printzeitungen nach und nach eingehen?
Erstens glaube ich nicht, dass die Printzeitungen bei einem Nein zum Gesetz sofort eingehen würden. Die bestehenden Zustellförderungen blieben ja erhalten, sie würden nur nicht ausgebaut. Und zweitens löst das Gesetz die Probleme nicht nachhaltig. Dafür sind die Förderungen zu wenig zielgerichtet.
«Eine Idee wäre, jungen Menschen Mediengutscheine auszustellen.»
Die Subventionen – 151 Millionen Franken zusätzlich pro Jahr – sind auf sieben Jahre befristet. Das Geld könnte den Medien den nötigen Schnauf verschaffen, damit diese selber neue, tragfähige Finanzierungsmodelle entwickeln.
Der Druck bleibt so oder so hoch. Die zusätzlichen Mittel fliessen zu einem erheblichen Teil nicht dorthin, wo sie die Probleme der Medien ernsthaft lindern könnten. Es braucht ganz andere Ansätze, um den Medien in ihrer schwierigen Situation zu helfen – vor allem den kleinen, regionalen. Aber wie gesagt: Es ist ein Abwägen. Wenn meine Partei die Ja-Parole beschliesst, trage ich diese mit.
Wie sähe ein Mediengesetz nach Ihrem Geschmack aus?
Eine Idee wäre, jungen Menschen Gutscheine auszustellen, mit denen sie ein Abo eines Mediums nach Wahl abschliessen könnten. Dadurch lernten sie früh den Wert von Qualitätsmedien kennen. Und natürlich müssten die lokalen Medienanbieter speziell gefördert werden. Priorität hat für mich wie gesagt auch die Förderung von Onlinemedien – wobei ich die Subventionen nicht danach bemessen würde, wer viel Geld mit Abos und Spenden einnimmt, sondern nach grundsätzlichen journalistischen Qualitätskriterien.
Das ist doch staatspolitisch äusserst heikel. Eine Stärke des vorliegenden Gesetzes ist ja gerade, dass das Verhalten der Leser entscheidet, welche Medien gefördert werden. Nicht der Bund soll festlegen, welche Art von Berichterstattung genehm ist.
Mit den Gutscheinen würden ja gerade die Leserinnen und Leser entscheiden. Und auch sonst geht es mir nicht darum, welcher Inhalt genehm ist, sondern ob journalistische Grundsätze eingehalten werden. Natürlich ist das ein schmaler Grat. Aber bei SRF und den konzessionierten Fernseh- und Radiostationen gibt es auch Kriterien. Ich möchte nicht einfach ohne Auflagen Geld ausschütten. Reisserische Berichterstattung gehört nicht gefördert.
Um das jetzige Gesetz hat das Parlament jahrelang gerungen. Wie realistisch ist es, dass nach einem Nein in nützlicher Frist ein neues, besseres Mediengesetz zustande käme?
Ich bin ehrlich: Das ist eine grosse Herausforderung. Die Rechten wollen alles dem Markt überlassen, die Linken und Konservativen wollen Strukturerhalt betreiben und ohne Bedingungen Geld reinschütten. Es ist nicht einfach, konstruktive Lösungen zu finden.
Gewisse Kreise hoffen auf das sogenannte Leistungsschutzrecht: Also auf die Idee, dass Facebook und Google die Verlage künftig dafür entschädigen sollen, dass sie News-Artikel auf ihren Plattformen anzeigen. Was halten Sie davon?
Ich finde diese Idee diskussionswürdig. Weil immer mehr Geld zu diesen Plattformen abfliesst und sie Inhalte anzeigen, die sie nicht selber hergestellt haben, ist die Forderung nachvollziehbar. Solche Bemühungen laufen ja auch in anderen Ländern. Ich denke, eine internationale Lösung wäre zielführend.
Der Abstimmungskampf dürfte in der politischen Mitte entschieden werden. Ihre Partei ist ebenso gespalten wie die Mitte-Partei, die ebenfalls am Samstag die Parole fasst. Mit welcher Dynamik rechnen Sie bis am 13. Februar?
Wenn ich tippen soll, würde ich sagen, dass unsere Basis am Ende Ja stimmen wird. Aber insgesamt dürfte es die Vorlage nicht leicht haben an der Urne.
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