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Streitfrage um Medienförderung
Profitieren nun die Grossen oder die Kleinen?

Unter anderem soll mit dem Gesetz die Zeitungszustellung stärker vergünstigt werden.
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Die Gegner und die Befürworter des Mediengesetzes scheinen in zwei unterschiedlichen Welten zu leben. Das Förderpaket sei so ausgestaltet, dass kleine und mittlere Zeitungen am stärksten profitieren, betont Medienministerin Simonetta Sommaruga. Es handle sich um ein «Mediengesetz für Grossverleger», monieren hingegen die Gegner. Laut ihren Berechnungen sollen über 70 Prozent der Subventionen an die grossen Medienhäuser im Land gehen. (Mehr zur Abstimmungsvorlage erfahren Sie hier.)

Wer hat recht? Eine Auslegeordnung.

Onlineförderung: + 30 Millionen

Der umstrittenste Teil des Förderpakets sind 30 Millionen Franken jährlich, mit denen Onlinemedien direkt unterstützt werden sollen. Wie viel Geld ein Onlinemedium künftig bekommt, hängt davon ab, wie viel Umsatz es mit Abos oder Spenden macht.

Das Gesetz sieht vor, dass die Kleinen zumindest anteilsmässig überproportional profitieren. So können sich sehr kleine Medien maximal 60 Prozent ihres Onlineumsatzes in Form von Fördergeldern auszahlen lassen. Je höher der Umsatz eines Verlags ist, desto tiefer fällt dieser Satz aus.

Ein Bericht des Bundesamts für Kommunikation (Bakom) zuhanden der zuständigen Nationalratskommission veranschlagte den tiefsten Satz im August 2020 auf 2,5 Prozent. Bakom-Chef Bernard Maissen sagt auf Anfrage: «Da das Parlament im Gesetz nun keine Untergrenze festgelegt hat, könnte der tiefste Satz sogar noch geringer ausfallen.» Die genauen Abstufungen wird der Bundesrat erst auf Verordnungsstufe regeln.

Dazu ein Rechenbeispiel: Ein Grossverlag, der mit Onlineabos 50 Millionen Franken Umsatz macht – für Schweizer Verhältnisse ist das ein hoher Wert –, erhielte bei einem Satz von zwei Prozent 1 Million an Fördergeldern. Ein kleineres Medium mit einem Onlineumsatz von 1,5 Millionen erhielte bei einem Satz von 50 Prozent insgesamt 750’000 Franken Subventionen.

Viele Faktoren sind noch unklar, so haben etwa längst nicht alle Verlage die Höhe ihrer Onlineumsätze offengelegt. Für den Bericht rechnete das Bakom jedoch damit, dass gut die Hälfte der Subventionen (54%) an Medienhäuser mit Jahreseinnahmen von mehr als 5 Millionen Franken gehen würden, die andere Hälfte (46%) an kleinere Verlage. Laut Maissen ist klar: «Der Bundesrat wird in der Umsetzung an seinem Versprechen gemessen werden, dass die lokalen und regionalen Verlage überproportional profitieren. Eine Verschiebung zugunsten der Grossverlage kann er sich nicht leisten.»

Die Gegner rechnen damit, dass 25 von 30 Millionen an die grossen Verlage gehen. Aus einem internen Papier des Komitees geht hervor, dass die Gegner auch Titel wie das «Bieler Tagblatt» oder die «Engadiner Post» zu den Titeln der «grossen Verlagshäuser» zählen. Alt-FDP-Nationalrat Peter Weigelt, der das Referendumskomitee anführt, erklärt die grosse Diskrepanz zudem damit, dass er bereits an die Zukunft denke: «Erhalten die Kleinen einmal Subventionen, werden sie schnell aufgehen in den grossen Verlagen.»

Tageszustellung: +20 Millionen

Auch bei der indirekten Presseförderung fehlen noch vollständige Berechnungsgrundlagen. Allerdings ist die Lage hier klarer, da die Zeitungszustellung in der Schweiz bereits seit über hundert Jahren staatlich vergünstigt wird. Die Mittel gehen nicht direkt an die Medien, sondern an die Post, die den Verlagen dadurch tiefere Rechnungen stellt. (Lesen Sie zum Thema: Warum die Luft für die Schweizer Medien immer dünner wird)

Neu stehen 50 statt 30 Millionen Franken zur Verfügung, um die Zustellung abonnierter Tages- und Wochenzeitungen zu vergünstigen. Heute profitieren laut Bakom zu 79 Prozent kleine und mittlere Verlage von den Vergünstigungen. Die Titel der Tamedia, zu denen auch diese Redaktion gehört, erhalten 11 Prozent, jene von CH Media 7 Prozent und jene von Ringier 3 Prozent.

Bisher konnten nur Zeitungen mit einer Auflage von höchstens 40’000 Exemplaren profitieren. Diese Obergrenze wird nun aufgehoben. Damit dürfte sich die Verteilung neu zugunsten der grossen Medienhäuser verschieben. Bakom-Chef Maissen betont jedoch: «Das werden wirklich geringfügige Verschiebungen sein, das heisst, dass neu vielleicht etwa 75 Prozent an die Kleinen gehen.»

Frühzustellung: +40 Millionen

Neu eingeführt wird zudem eine Vergünstigung der Frühzustellung, 40 Millionen stehen dafür bereit. Will ein Verlag, dass seine Zeitung werktags bis 6.30 Uhr und sonntags bis 7.30 Uhr im Briefkasten liegt, musste er dafür bisher den vollen Preis zahlen. Bei den geplanten Vergünstigungen gilt wiederum, dass die kleineren Verlage höhere Zuschüsse bekommen, wobei der Schlüssel noch nicht festgelegt wurde.

Wie viele Exemplare heute per Frühzustellung verteilt werden, weiss das Bakom nicht – auch das ist ein Geheimnis der Verlage. Maissen sagt, es sei gut möglich, dass Unternehmen, die bisher aus finanziellen Gründen darauf verzichtet haben, künftig auf die vergünstigte Frühzustellung wechseln. Dies macht eine Prognose zusätzlich schwierig.

Trotz der vielen Unbekannten hat das Westschweizer Portal «Heidi News» im September 2020 einen Versuch gewagt. Die Autoren errechneten, dass die Tamedia als grösster Verlag auf insgesamt 22,8 Millionen Franken Tages- und Frühzustellvergünstigungen käme, CH Media auf 15,5 Millionen, Ringier auf 7,2 Millionen und die NZZ auf 3,4 Millionen. Bakom-Chef Maissen kann die Plausibilität der Zahlen nicht bestätigen.

Immerhin: Gewisse Verlage scheinen in ihrer eigenen Rechnung auf ähnliche Zahlen zu kommen. So heisst es bei der Medienstelle von Ringier, man rechne insgesamt – also inklusive Online – mit Fördermitteln in der Höhe von ungefähr 5 bis 8 Millionen Franken. Bei der NZZ geht man davon aus, dass man über alle Förderkategorien «in der Grössenordnung eines tiefen einstelligen Millionenbetrags profitieren könnte». Und CH-Media-Verleger Peter Wanner rechnet in der Frühzustellung mit 10 Millionen Franken, wie er in einem Interview sagte. Tamedia machte keine Angaben.

Regionalsender und weitere Massnahmen: + 51 Millionen

Gemäss der Rechnung der Gegner können die grossen Verlage auch bei zwei weiteren Fördertöpfen tüchtig zulangen. So sollen 20 von 25 Millionen, die für die Nachrichtenagenturen, Journalistenausbildungen, den Presserat oder IT-Infrastrukturen reserviert sind, bei den grossen Medienhäusern landen.

Für Beobachter ist diese Rechnung nicht nachvollziehbar – alle Medien profitierten davon in einem ähnlichen Ausmass. Gegner Peter Weigelt sagt dazu: «Kleine Medien brauchen keinen Presserat. Da meldet sich der Gemeindepräsident, wenn etwas nicht stimmt. Und Personal, das in Journalistenschulen ausgebildet wird, findet danach meist nicht in Regionalzeitungen Unterschlupf, sondern bei der SRG oder Tamedia.»

Weiter gehen die Gegner davon aus, dass von den 28 zusätzlichen Millionen für Lokalradios und -TVs rund 20 Millionen in den Taschen der Grossverleger landen. Auch dies erstaunt, ist doch CH Media der einzige der grossen Verlag, der elektronische Medien mit einem Abgabeanteil besitzt. Allerdings hat das Gegenkomitee auch hier grosszügig kalkuliert und etwa die Sender des Bündner Verlags Somedia ebenfalls mitgezählt.

Fazit

Mit ihrer Rechnung, wonach mindestens 70 Prozent der Subventionen bei den grossen Verlagen landen, haben die Gegner mit Sicherheit zu grosszügig kalkuliert. So kann es als abenteuerlich bezeichnet werden, wenn Förderungen für den Presserat oder für Journalistenschulen den grossen Verlagen angerechnet werden. Auch bei der Onlineförderung und den Zustellermässigungen werden Annahmen getroffen, die aufgrund der verfügbaren Daten unplausibel sind.

Richtig ist jedoch, dass auch die grossen Verlage bei einem Ja zum Mediengesetz von Geldern in Millionenhöhe profitieren. Dies liegt auch an der Struktur der Schweizer Medienlandschaft: Sehr viele regionale Titel gehören heute zu grossen Verlagen.

Und schliesslich stellt sich die Frage, wer oder was als «Grossverleger» bezeichnet wird. In der Regel sind damit Tamedia, Ringier, CH Media und die NZZ gemeint. Wenn die Gegner auch Publikationen wie die «Engadiner Post» in ihre Rechnung einbeziehen, erhält der Begriff «Grossverleger» eine ganz andere Bedeutung.