Abstimmung über MedienförderungDas Dilemma der Schweizer Medien in vier Grafiken
In Zeiten von Fake News und Pandemie ist unabhängiger Journalismus zentral. Gleichzeitig verlieren Verlage laufend Einnahmen. Können Bundesgelder den Abwärtstrend stoppen?
Am 13. Februar stimmt die Schweiz über das sogenannte Medienförderungspaket ab. Sagt das Stimmvolk Ja, erhalten die Medien hierzulande während sieben Jahren zusätzliche Fördergelder in der Höhe von jährlich 151 Millionen Franken. Ein Referendumskomitee bekämpft das Gesetz, es spricht von einem «staatspolitischen Sündenfall».
Umstritten ist, ob die Subventionen das richtige Mittel sind, um eine Entwicklung aufzuhalten, welche die Schweizer Medienlandschaft bereits seit geraumer Zeit im Griff hat. (Lesen Sie hier zum Thema – 12 Fragen zur Medienförderung: Der nächste hitzige Abstimmungskampf dreht sich um die Medien.) Dass es die Entwicklung gibt, ist allerdings unbestritten: Die Medienvielfalt hat in den vergangenen Jahren stark abgenommen. Geld mit redaktionellen Inhalten zu verdienen, wird immer schwieriger. Die folgenden Grafiken dokumentieren den Trend:
Die verschwundenen Zeitungen
Seit 2003 sind in der Schweiz laut einer Liste des Bundesamts für Kommunikation über 70 Zeitungstitel verschwunden. Es handelt sich dabei um Tages- und Wochenzeitungen, Gratiszeitungen sowie Anzeiger, die komplett eingestellt wurden. Es sind aber auch Titel darunter, die nur noch als Onlineausgabe weitergeführt werden oder mit einer anderen Zeitung fusioniert wurden, sodass ihr Name verschwand.
Nicht abgebildet werden hingegen die Zeitungen, die in sogenannte Mantelsysteme integriert wurden. In diesem Fall erscheint eine Zeitung zwar weiterhin unter ihrem angestammten Namen. Grosse Teile ihrer Berichterstattung, zum Beispiel aus den Bereichen Inland, Ausland, Wirtschaft, Kultur und Sport, werden aber von einer zentralen Redaktion des Verlags geliefert. Dieser sogenannte Mantelteil erscheint in identischer Form auch in anderen Zeitungen desselben Verlags. Die Redaktion Tamedia, zu der diese Zeitung gehört, funktioniert ebenfalls nach diesem Prinzip.
Wie das Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich für das Jahrbuch «Qualität der Medien» errechnet hat, erschien 2020 jeder vierte Artikel in der Deutschschweiz in mehreren Zeitungen gleichzeitig. Im Jahr 2017 hatte dieser Anteil noch deutlich tiefer gelegen – damals war es erst jeder zehnte Artikel. Die höchste inhaltliche Konzentration besteht dabei in der Politikberichterstattung.
Wie viele Onlinetitel im fraglichen Zeitpunkt neu gegründet wurden, kann das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) auf Anfrage nicht sagen.
Schwund bei Abos
Dass es zunehmend weniger lukrativ ist, eine Zeitung herauszugeben, hat mehrere Gründe. Einer davon ist, dass immer weniger Haushalte gedruckte Zeitungen abonnieren. Insbesondere junge Menschen informieren sich vermehrt auf Social Media – oder sie konsumieren gar keine Informationsmedien mehr. Von 2003 bis 2020 ist die Zahl der abonnierten Zeitungen in der Schweiz deshalb von 3,39 Millionen auf 1,61 Millionen gesunken.
Online lieber gratis
Nun ist es nicht ungewöhnlich, dass neue Technologien ältere mit der Zeit ablösen. Inzwischen haben fast alle Medien einen Onlineauftritt, der umfassend über die Geschehnisse in der Region, in der Schweiz und im Ausland berichtet. Hätten die ehemaligen Printleserinnen einfach auf ein Onlineabo gewechselt, hätte dies für die Verlage vergleichsweise geringe Umstellungen zur Folge gehabt.
Allerdings ist die Bereitschaft der Schweizer Bevölkerung, für Onlinenachrichten zu zahlen, bislang relativ gering. In einer Erhebung des Reuters Institute gaben in der Schweiz im Jahr 2020 gerade einmal 13 Prozent an, für digitale News zu bezahlen. Zum Vergleich: In den USA lag der Anteil bei 20 Prozent, bei den digitalaffinen Norwegern sogar bei 42 Prozent. Viele Nachbarländer bewegen sich jedoch in einem ähnlichen Bereich wie die Schweiz oder verzeichnen gar noch tiefere Werte.
Kritische Stimmen wenden ein, dass die Verlage an diesem Zustand wohl nicht ganz unschuldig sind – stellten sie ihre Onlineinhalte den Leserinnen und Lesern doch lange komplett gratis zur Verfügung. Auch das Aufkommen von Gratiszeitungen dürfte einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Nutzungsverhalten der Kundschaft gehabt haben.
Werbebudgets fliessen ab
Neben den Abo-Einnahmen ist auch das zweite – und in der Vergangenheit deutlich wichtigere – finanzielle Standbein der Verlage ins Wanken geraten: die Werbeeinnahmen. Wer für sein Autogeschäft oder seine Schmuckkollektion Werbung machen will, tut dies immer seltener in der gedruckten Zeitung. Oft inserieren Firmen direkt bei Facebook oder Google, wo sie sehr spezifische Zielgruppen anpeilen können – beispielsweise 30-jährige Frauen, die in der Stadt leben und eine Vorliebe für nachhaltige Produkte haben.
Die Werbeeinnahmen der Schweizer Printmedien sind deshalb regelrecht eingebrochen – von 1,86 Milliarden Franken im Jahr 2002 auf nur noch 432 Millionen Franken im Jahr 2020. Die Online-Werbeeinnahmen der Verlage können diesen Verlust nicht annähernd kompensieren. Die Schweizer Onlinemedien nahmen 2020 mit Werbung im redaktionellen Teil netto 254 Millionen Franken ein, zusammen mit den Einnahmen aus Immobilien- und Job-Marktplätzen sind es 462 Millionen Franken. Zum Vergleich: Der Werbeumsatz von Facebook und Google wird in der Schweiz auf deutlich über 2 Milliarden Franken jährlich geschätzt – Tendenz steigend.
Diskutiert wird deshalb auch, ob die Internetkonzerne künftig eine Abgabe dafür entrichten sollen, dass sie auf ihren Portalen Inhalte von privaten Medien anzeigen. Das sogenannte Leistungsschutzrecht beschäftigt die Politik in zahlreichen Ländern, kurz vor Weihnachten hat auch der Bundesrat angekündigt, eine Regulierung zu prüfen. Diese Bestrebungen sind allerdings nicht Teil des Medienförderungsgesetzes und werden unabhängig davon vorangetrieben.
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