Ungesunder TabakkonsumRauchen lässt das Gehirn schrumpfen
Nahezu alle Bereiche des Gehirns sind betroffen, wie eine neue Studie zeigt. Die durch Tabak verursachten Schäden sind offenbar nicht zu reparieren. Welche Risiken damit verbunden sind.
Dass Rauchen schädlich ist, dürfte sich trotz aller Verharmlosungsversuche der Tabaklobby herumgesprochen haben. Wer eher der visuelle Typ ist, für den gibt es anschauliche Schockbilder auf jeder Zigarettenpackung. Geteerte Lungen, verfaulte Zähne und amputierte Beine sind dort zu sehen. Vor etlichen Gebrechen, darunter Krebs, Herzinfarkt und Unfruchtbarkeit, wird gewarnt. Womöglich ist ein weiteres Leiden, dessen Dimensionen Wissenschaftler aus den USA gerade genauer vermessen haben, dazu geeignet, noch mehr Raucher von ihrem gefährlichen Laster abzubringen: Rauchen lässt das Gehirn schrumpfen.
Die Psychiater und Radiologen von der Washington University in St. Louis zeigen im Fachmagazin «Biological Psychiatry: Global Open Science», wie eng Rauchen und Gehirngrösse zusammenhängen. Das Team um Laura Bierut hat dazu auf den Datensatz der UK Biobank zurückgegriffen und in die Studie mehr als 32’000 Erwachsene aufgenommen, deren Hirngrösse mittels bildgebender Verfahren erfasst wurde. Dabei zeigte sich, dass bei jenen Probanden, die regelmässig geraucht haben, die Hirngrösse kleiner war als beim altersentsprechenden Durchschnitt.
14 Prozent der Alzheimerfälle wegen Rauchen
«Bis vor kurzem haben Wissenschaftler die Auswirkungen des Rauchens auf das Gehirn tendenziell übersehen oder vernachlässigt», sagt Bierut in einer Pressemitteilung. «Das lag auch daran, dass wir uns auf die furchtbaren Schädigungen von Herz und Lunge konzentriert haben.» Doch je genauer die Folgen für das zentrale Nervensystem untersucht wurden, desto deutlicher zeigte sich, wie schlecht Rauchen für das Gehirn ist. Das Denkorgan altert vorzeitig, und damit steigt das Risiko für Raucher, schon früh an kognitiven Einschränkungen zu leiden oder an Demenz zu erkranken.
Das Forscherteam stellte weiter fest, dass es eine eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung gibt. Je mehr Zigarettenpackungen pro Jahr und während der gesamten Raucherkarriere bisher konsumiert worden waren, desto kleiner das Gehirn. «Das klingt schlecht, und das ist auch schlecht», sagt Bierut. «Zu einem geringeren Hirnvolumen kommt es mit zunehmendem Alter sowieso. In einer alternden Gesellschaft ist das ein wichtiger Punkt, denn Alter und Rauchen ergänzen sich als Risikofaktoren für eine Demenz.» Etwa 14 Prozent aller Alzheimererkrankungen weltweit führen Forscher auf Zigarettenkonsum zurück.
Nahezu alle Bereiche des Gehirns sind bei Rauchern laut Studie von den Schrumpfungsprozessen betroffen, die weisse wie die graue Substanz, auch wenn letztere stärker beeinträchtigt war. Besonders ausgeprägt waren die Schädigungen zudem in der Hirnrinde und dem Hippocampus. Diese beiden Regionen sind besonders für kognitive Leistungen wie Sprache, abstraktes Denken und das Erinnerungsvermögen zuständig. Auch die als Ventrikel bezeichneten Hohlräume im Gehirn waren bei den Rauchern grösser als bei den Nichtrauchern.
Rückgang der Hirnmasse offenbar irreversibel
Als mögliche Ursache für die Hirnschrumpfung kommen mindestens zwei Mechanismen infrage. Einerseits wirken Nikotin und viele andere in Tabakprodukten enthaltene Substanzen als Zellgifte, die sich schädlich auf die Schutzbarriere der Blut-Hirn-Schranke auswirken. In der Folge kann das Hirngewebe direkter angegriffen werden. Andererseits drosseln die Inhaltsstoffe von Zigaretten und anderen Tabakwaren die Durchblutung in den Hirnarterien und tragen dazu bei, dass die Blutgefässe schneller verkalken. Diese Schädigungen kumulieren sich und beschleunigen so den Volumenverlust des Gehirns.
Offenbar ist der Rückgang der Hirnmasse irreversibel, denn auch Menschen, die schon vor Jahren mit dem Rauchen aufgehört haben, weisen kleinere Gehirne auf als jene, die nie geraucht haben. Die gute Nachricht ist immerhin, dass der Schwund nicht weiter voranschreitet, wenn Abhängige den Tabakkonsum beendet haben. Die ursprüngliche Grösse des Gehirns wird allerdings nicht wieder erreicht.
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