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Lungenkrebs-Screening für Raucher
Früherkennung senkt das Sterberisiko um 20 Prozent

Ein Arzt schaut auf Computertomografie-Aufnahmen eines Lungenkrebspatienten.
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Mehr als ein Viertel der Raucherinnen und Raucher stirbt gemäss Zahlen des Bundes früher oder später an Lungenkrebs – der zweithäufigsten Tabak-Todesursache, gleich nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Viele dieser Todesfälle könnten künftig vermieden werden. Zu diesem Schluss kommt das nationale Expertengremium Krebsfrüherkennung, das heute Dienstag die Empfehlung veröffentlichte, Risikopersonen ein Lungenkrebs-Screening mit niedrig dosierter Computertomografie (CT) anzubieten. In der Schweiz rückt damit die systematische Früherkennung bei der häufigsten Krebstodesursache ein gutes Stück näher.

«Der Nutzen ist vergleichbar mit demjenigen der etablierten Früherkennung von Darmkrebs und der Mammografie», sagt Marcel Zwahlen, Präsident des Expertengremiums. «Es gibt deshalb keinen Grund, nicht auch ein systematisches Lungenkrebs-Screening zu unterstützen.» Wenn schwere Raucher oder Ex-Raucher während zehn Jahren alle ein bis zwei Jahre zur Früherkennung gehen, können sie ihr Risiko, an Lungenkrebs zu sterben, um bis zu 20 Prozent senken. Bei 10’000 schweren Raucherinnen und Rauchern liesse sich nach den vorliegenden Studien mit jährlichen Screenings die Zahl der Todesfälle über einen Zeitraum von 10 Jahren von 200 auf etwa 160 senken.

Keine falsche Sicherheit für Raucher

Mediziner hoffen schon länger auf eine vorzeitige Erkennung von Lungentumoren. Heute ist der Krebs immer noch meist sehr weit fortgeschritten und deshalb nur noch schwer therapierbar, wenn er entdeckt wird. In der Schweiz hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) im Jahr 2016 ein Gesuch für ein Lungenkrebs-Screening zurückgewiesen. Die Studienlage sei zu dünn, hiess es damals. Seither, im Jahr 2020, sind neue, vielversprechende Daten einer grossen Studie aus den Niederlanden veröffentlicht worden, die nun zur positiven Empfehlung zuhanden des BAG und der Kantone geführt haben.

Die exakten Kriterien für ein Früherkennungsprogramm hat das Expertengremium nicht festgelegt. Diese müssten später ausgearbeitet werden, sagt Zwahlen. Die Fachleute schlagen aber vor, das Screening ausschliesslich gesunden Personen ab einem Alter von 55 Jahren und mit etwa 20 sogenannten «Pack-Years» anzubieten. Diese haben also zum Beispiel 20 Jahre lang ein 20 Zigaretten (eine Schachtel) pro Tag oder 10 Jahre 40 Zigaretten pro Tag geraucht. In der Schweiz würden aktuell schätzungsweise 100’000 bis 320’000 Personen die Kriterien dafür erfüllen.

«Risikopersonen sollten beim Rauchstopp ohne Paternalismus unterstützt werden, unabhängig davon, ob sie eine Früherkennungsuntersuchung machen oder nicht.»

Marcel Zwahlen, Präsident des nationalen Expertengremiums Krebsfrüherkennung

Nicht zuzutreffen scheint die Befürchtung, dass die Möglichkeit einer Früherkennung oder ein unauffälliger Befund Raucherinnen und Raucher dazu verleiten könnte, länger oder häufiger zu rauchen. Dann würde ein entsprechendes Programm nicht zu weniger, sondern zu mehr Krebs, Herzinfarkten und Hirnschlägen führen.

Der Berner Epidemiologe Marcel Zwahlen winkt ab: «In den teilweise sehr umfangreichen Studien gab es keine Hinweise auf einen solchen paradoxen Effekt.» Er sieht sogar die Möglichkeit einer gegenteiligen Wirkung. «Im Rahmen eines Screenings werden starke Raucher mit ihrem Lungenkrebsrisiko konfrontiert, welches sie möglicherweise lieber verdrängen möchten.» Dies könnte sie zusätzlich zu einem Rauchstopp motivieren. «Risikopersonen sollten dabei ohne Paternalismus unterstützt werden, unabhängig davon, ob sie eine Früherkennungsuntersuchung machen oder nicht», so Zwahlen.

Der exakte Nutzen eines Screenings hängt allerdings davon ab, wie ein Programm konkret aufgezogen wird. Unbedingt verhindern müsse man aus Sicht des Expertengremiums sogenanntes wildes Screening. Dabei betreiben Anbieter Früherkennung ausserhalb von systematischen Programmen und nehmen es dabei mit den Kriterien für eine Teilnahme und dem Vorgehen nach einem auffälligen Befund nicht so genau. Die CT-Untersuchung droht dann mehr zu schaden, als zu nützen. Wenn beispielsweise Jüngere und Wenigraucher zur Früherkennung gehen, kommt es zu mehr Fehlalarmen, mehr Folgeuntersuchungen, mehr Komplikationen und Eingriffen, die ohne Screening nie stattgefunden hätten.

Ohne Screening-Programme droht Ungleichbehandlung

Ohne Screening-Programme, die von den Krankenkassen bezahlt werden, droht auch eine Ungleichbehandlung, weil Schlechtergestellten das Geld für eine Früherkennung fehlt – ein Zustand, den das Expertengremium und auch die Krebsliga vermeiden möchten. Allerdings gibt es in der Schweiz schon seit Jahren Anbieter, die solche CT-Untersuchungen mit aufgeweichten Kriterien und vergleichsweise günstig durchführen. Ein Geschäftsmodell, denn Zusatzuntersuchungen aufgrund häufiger und unklarer Befunde gehen dann zulasten der Grundversicherung.

Die nun veröffentlichte positive Bewertung ist ein wichtiger Schritt auf dem verschlungenen Weg zu einer systematischen Lungenkrebs-Früherkennung in der Schweiz. Zwar sitzt das BAG zusammen mit der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) in der Trägerschaft des Expertengremiums Krebsfrüherkennung und hat den Auftrag für die Beurteilung selbst erteilt. Trotzdem unternimmt das BAG nichts, bevor interessierte Kreise einen Antrag für die Finanzierung von Screening-Programmen eingereicht haben. Die zuständige Kommission beim BAG müsste dann eine weitere Bewertung vornehmen, die bei einem positiven Entscheid vom Bundesrat beurteilt werden müsste. Anschliessend wären die kantonalen Gesundheitsämter am Zug. Denn damit die Grundversicherung die Kosten für die Früherkennung übernimmt, müssen alle Kantone jeweils ein eigenes Screening-Programm aufbauen.