Neue Regeln für PreisvergleicheWerden Konsumentinnen und Konsumenten mit Aktionen getäuscht? – «Es ist ein bewährter Psychotrick»
Ab kommendem Jahr darf der Detailhandel Produkte beliebig lange mit Preisreduktion verkaufen. Konsumpsychologe Christian Fichter kritisiert die neue Regelung.
Auf den ersten Blick wirkt die Medienmitteilung des Bundesrats so, als würden Konsumentinnen und Konsumenten beim Einkauf mehr Transparenz erhalten: Von einer «Vereinfachung der Vorschriften beim Selbstvergleich» ist die Rede. Doch tatsächlich wird es schwieriger, zwischen verschiedenen Aktionsangeboten zu differenzieren.
Bis Ende Jahr gilt für Preisreduktionen noch folgende Halbierungsregel: Eine Ware darf nur halb so lange zu einem reduzierten Preis angeboten werden wie zuvor mit dem ursprünglichen Preis. In jedem Fall aber nicht länger als zwei Monate. Beispielsweise darf ein Produkt, das während eines Monats für 100 Franken angeboten wurde, höchstens für zwei Wochen zu einem Aktionspreis an die Kundschaft verkauft werden.
Neu gibt es zusätzlich zur bisherigen Halbierungsregel folgende Variante: Der ursprüngliche Referenzpreis ist nicht mehr befristet, wenn ihn ein Handelsgeschäft einmal während 30 Tagen verwendet hat. Ein Paar Schuhe, das für 200 Franken niemand kaufen wollte, darf die Händlerin also auch zum Beispiel zwei Jahre später wie folgt mit dem Ursprungspreis vergleichen: «50 statt 200 Franken».
Das klingt eher nach einem verlockenden Schnäppchen, als wenn sich der Rabatt nur auf den vorangegangenen Preis beziehen würde.
«Es wird das Gefühl einer günstigen Gelegenheit vermittelt»
Das bestätigt Christian Fichter, Wirtschaftspsychologe und Forschungsleiter an der Fachhochschule Kalaidos. Den Vergleich zwischen Referenzpreis und Aktionspreis bezeichnet Fichter als «simplen und bewährten Psychotrick». Das funktioniere nachweislich und erhöhe die Wahrscheinlichkeit eines Verkaufs: «Denn es wird das Gefühl einer günstigen Gelegenheit vermittelt, die man verpassen könnte.» Der Mensch sei konditioniert, auf solche Zeichen zu reagieren.
«Aus Konsumentensicht ist das schlecht», sagt Fichter. Zudem laufe es dem Gedanken der Aktionspreise entgegen. Denn eine Aktion sei definitionsgemäss befristet. Gewiss sei das aber im Interesse des Detailhandels.
Auf Initiative des Detailhandels
Tatsächlich ist die Initiative für diese Anpassung der Preisbekanntgabeverordnung vom Detailhandelsverband Swiss Retail Federation ausgegangen. Deren ehemalige Präsidentin Christa Markwalder hat im Parlament einen entsprechenden Vorstoss eingereicht und damit eine Mehrheit gefunden.
Dagmar Jenni, Direktorin der Swiss Retail Federation, argumentiert, dass auch Konsumentinnen und Konsumenten profitieren könnten: «Der tatsächliche Wert eines Produkts ist ihnen sonst oft gar nicht bewusst.»
Nicht zuletzt entlaste die neue Regelung den Detailhandel: «Bei Anpassungen mussten bisher alle Produkte in manchmal kurzen Abständen von Hand mit neuen Preisen beschriftet werden.» Das sei sehr aufwendig. Gewisse Unternehmen schieben Restbestände manchmal lieber ins Ausland ab, um das zu vermeiden. Das sei ökologisch nicht sinnvoll. Und die neue Flexibilität ermögliche schliesslich einem Geschäft, sich schrittweise an einen idealen Verkaufspreis heranzutasten. Bisher sei das schwierig gewesen.
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