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Teure Lebensmittel
Preisüberwacher kritisiert hohe Bio-Preise bei Migros und Coop

Verdienen die Grossverteiler mehr mit dem Verkauf von biologischen Bananen im Vergleich mit konventionell hergestellten? Dieser Frage ging der Preisüberwacher nach. 
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Kurz vor Weihnachten verhinderte die Migros die Veröffentlichung eines Berichts von Preisüberwacher Stefan Meierhans zu überhöhten Bio-Preisen bei den beiden Grossverteilern Migros und Coop. Im Inhaltsverzeichnis seines Newsletters vom 21. Dezember hatte er eine Analyse zu den «Preisen und Margen der (Bio-)Lebensmittel im Detailhandel» angekündigt. Weiter unten im Text musste Meierhans aber vermelden: «Der vorgesehene Beitrag zur Vorabklärung des Preisüberwachers entfällt vorderhand aufgrund von rechtlichen Abklärungen.»

Die Migros hatte mit ihren Rechtsanwälten interveniert und die Veröffentlichung damals unterbunden. Nun, rund einen Monat später, konnte Meierhans den Bericht doch noch veröffentlichen – offenbar nach einer Einigung mit der Migros. Einige wenige Stellen in dem Bericht sind geschwärzt. Es dürfte sich um Gewinn- und Margenangaben handeln, die die Migros als Geschäftsgeheimnis erachtet.

Höhere Marge bei vier von fünf Bioprodukten

Der 17 Seiten dicke Bericht enthält brisante Aussagen. Wichtigstes Ergebnis: Mit vier von fünf Bioprodukten erzielen Migros und Coop eine höhere Bruttomarge als mit vergleichbaren konventionellen Produkten (lesen Sie dazu den Kommentar). «Dies lässt auf einen gewissen Spielraum bei der Preissetzung einzelner Produkte schliessen», schreibt Meierhans.

Sodann verglich er die ihm vorliegenden Daten zu den Nettomargen der Schweizer Unternehmen mit den Preisen in den Niederlanden. Die Wahl fiel auf dieses Land, «weil hier das Wettbewerbsumfeld intensiver ist», heisst es im Bericht. Folglich seien in den Niederlanden die Nettomargen in Prozent vom Verkaufspreis «bei den Bioprodukten ohne Ausnahme tiefer». In der Schweiz sei dies bei gut einem Viertel der Produkte nicht der Fall.

«Das ist ein Indiz dafür, dass das wenig wettbewerbsintensive Umfeld in der Schweiz dazu beiträgt, dass Bioprodukte stärker verteuert werden, weil sie eine extrahohe Marge zu tragen haben», schreibt Meierhans. Wie gross die Marktmacht der beiden Schweizer Detailhandelsriesen ist, zeigt eine Auswertung des Marktforschungsunternehmens GFK. Demgemäss erreichten Coop und Migros inklusive Denner 2021 einen Anteil von knapp 80 Prozent an den Gesamtumsätzen im Lebensmittelbereich.

Dies und die vergleichsweise tiefe Bedeutung der Harddiscounter (etwa 14 Prozent Marktanteil) ermöglichten es Migros und Coop, «Betriebsgewinne zu erzielen, die deutlich höher sind als in Vergleichsländern», schreibt Meierhans.

Migros und Coop wehren sich gegen die Vorwürfe und sagen, sie verdienten an Bio- und Labelprodukten nicht mehr als bei konventionell hergestellten – insbesondere, da bei Verarbeitung, Verpackung, Kontrolle, Zertifizierung und Handel dieser Produkte teils deutlich höhere Kosten entstünden.

Ein Migros-Sprecher schreibt, die heutige Gewinnmarge liege bei 2,3 Prozent. Und: «Die Bruttomarge der Migros bei Bioprodukten entspricht im Durchschnitt in etwa jener von konventionellen Lebensmitteln.»

Eine Coop-Sprecherin schreibt, der vom Preisüberwacher vorgeschlagene fixe Preisaufschlag trage den effektiven Kosten aller Beteiligter keine Rechnung und wäre ein unzulässiger Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit. Bei dessen Anwendung würde das Biosortiment massiv verkleinert werden, da es nicht kostendeckend geführt werden könnte.

Vorwurf: Migros und Coop hemmen Verkäufe von Bioprodukten

Der Preisüberwacher stützt mit seinem Bericht den Verdacht, den Bauern sowie Konsumenten- und Tierschutzorganisationen schon lange hegen: Migros und Coop nutzen ihre Marktmacht aus, um hohe Margen zu fordern – was zur Folge habe, dass sie den Biomarkt in seiner Entwicklung hemmten. So hatte im November eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz im Auftrag des Schweizer Tierschutzes besagt, dass die Marktmacht von Coop und Migros den Absatz von Labelfleisch stocken lässt.

In jüngster Zeit gewann das Thema zusätzlich an Aktualität: Wegen der steigenden Teuerung kamen Bio- und Labelprodukte noch mehr unter Druck.

Den Vorwurf überhöhter Preise gibt es über das Biosegment hinaus. 2019 war eine Studie im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft zum Schluss gekommen, dass Migros und Coop aufgrund der europaweit einmaligen Marktkonzentration hohe operative Gewinne einfahren könnten. Im vergangenen Sommer hatte der Milchproduzenten-Verband die hohen Margen der Detailhändler bei Milch angeprangert.

Detailhändler verweigern Auskunft

Bemerkenswert ist, wie stark der Widerstand ist, auf den Meierhans bei seiner Untersuchung stiess. Zunächst hatte er in seiner im Frühling 2021 gestarteten Vorabklärung die sechs grössten Detailhändler um Auskunft über ihre Margengestaltung, und zwar bei landwirtschaftlichen Produkten aus dem Biosegment, und um Daten zu 14 Produkten (je bio und konventionell) der vergangenen Jahre ersucht. Diese Daten hatte er offenbar anstandslos erhalten.

Doch weil die Teuerung im vergangenen Jahr stark anstieg, ersuchte Meierhans «gewisse Detailhändler» in einem zweiten Schritt um die Aktualisierung ihrer Daten um ein weiteres Jahr bis Sommer 2022. Die Unternehmen hätten eine weitere Auskunft abgelehnt – und dies, obwohl das Preisüberwachungsgesetz vorschreibt, dass marktmächtige Unternehmen dem Preisüberwacher alle erforderlichen Auskünfte erteilen und die notwendigen Unterlagen zur Verfügung stellen müssen.

Welche Händler die Auskunft verweigerten, bleibt geheim. Die entsprechende Stelle im Bericht ist geschwärzt. Mit ziemlicher Sicherheit handelt es sich um die Migros und entweder um Denner oder Coop; jedenfalls sind nur die Namen von zwei Firmen geschwärzt.

Migros und Coop lehnen Preissenkungen ab

Widerstand gab es auch, als Meierhans ausgewählten Detailhändlern einen Vorschlag zur Selbstverpflichtung bei der Ausgestaltung ihrer Margen bei Bioprodukten vorlegte – was diese rundweg ablehnten. «Trotz des spürbaren Widerstands gewisser Unternehmen der Branche hat der Preisüberwacher einigen je einen Vorschlag für eine einvernehmliche Lösung gemacht», schildert Meierhans.

Konkret: Da die Konsumentinnen und Konsumenten durchschnittlich einen Bio-Preisaufschlag zwischen 10 und 30 Prozent akzeptieren würden, schlug er vor, dass absolut keine höheren Margen (in Franken pro Kilo, Liter oder Stück) verrechnet werden, solange der prozentuale Bio-Preisaufschlag mehr als 20 Prozent beträgt. Das heisst, höhere Nettomargen bei Bioprodukten wären nur zulässig, solange diese nicht mehr als 20 Prozent teurer sind als ihr entsprechendes konventionelles Produkt. «Bedauerlicherweise waren die eingeladenen Unternehmen zu dieser mit Preissenkungen verbundenen Zusage nicht bereit.»

Nun ist wohl die Wettbewerbskommission am Drücker

Meierhans gibt sich damit nicht zufrieden. Er schreibt, mit seinem ersten Bericht seien nun mehrere offene Fragen aufgeworfen. Namentlich: Behindern Migros und Coop den wirksamen Wettbewerb? Und: Braucht es in der Schweiz eine Regulierung analog zu Neuseeland, um gerade auch im Biobereich zu hohe Margen zu verhindern?

Um diese Fragen zu beantworten, werde er das Thema «unter ständige Beobachtung stellen und weiterverfolgen», kündigt Meierhans an. Das könnte auch bedeuten, dass er die Wettbewerbskommission einschalten will. Diese ist zuständig, wenn der Verdacht besteht, dass Unternehmen ihre Marktmacht missbrauchen – beispielsweise bei der Preisgestaltung.

Seit Anfang vergangenen Jahres hat die Wettbewerbskommission einen neuen Hebel in der Hand, den Tatbestand der «relativen Marktmacht». Eine solche ist gegeben, wenn Kunden, Bauern und Lebensmittelhersteller nicht auf andere Anbieter ausweichen können. Ein relativ marktmächtiges Unternehmen macht sich strafbar, wenn es diese beherrschende Stellung missbraucht.

Meierhans jedenfalls schreibt: «Eine Folge der hohen Marktkonzentration von Migros und Coop in der Schweiz sind die hierzulande höheren Preisaufschläge, da sich die beiden dulden und nicht wirklich bekämpfen – anders als beispielsweise in Deutschland finden hier womöglich Preiskämpfe viel weniger intensiv statt.»

Entsprechend hatte sich vor sechs Jahren der damalige Vizedirektor der Wettbewerbskommission geäussert. Er sagte in einem Interview, dass Coop und Migros bei früheren Befragungen keine eindeutigen Beweise dafür geliefert hätten, dass sie alle Preisvorteile beim Einkauf an die Kunden weitergeben würden. Und weiter: «Die hohen Bruttomargen sind eine Blackbox.»

Im Parlament wird der Druck auf Migros, Coop und Co. grösser

Die Stiftung für Konsumentenschutz reagierte am Freitag umgehend auf den Bericht des Preisüberwachers und forderte, dass die «zuständige Wettbewerbskommission ihre Arbeit macht und gegen die Marktmacht von Coop und Migros vorgeht». Präsidentin Nadine Masshardt, die für die SP im Nationalrat sitzt, hat einen entsprechenden parlamentarischen Vorstoss eingereicht.

In der Dezembersession hatte der Ständerat bereits einen Vorstoss seiner Wirtschaftskommission überwiesen, mit dem der Bundesrat «vor dem Hintergrund der starken Konzentration im Schweizer Agrar- und Lebensmittelmarkt – insbesondere im Detailhandel» beauftragt wird, in einem Bericht die Wettbewerbssituation zu durchleuchten und zu bewerten. Zu prüfen seien insbesondere eine Stärkung und ein Ausbau der Marktbeobachtung – mit dem Ziel, die Transparenz in der Preisbildung zu erhöhen.