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Temu und Co. verstopfen Flughafen Zürich
Wegen Paketflut aus China: Medikamente verspätet ausgeliefert

Flughafen Zürich: Swiss-Flugzeuge und Gepäckanhänger auf dem Vorfeld an einem bewölkten Tag.
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In Kürze:
  • Tägliche Direktflüge aus China bringen 100’000 oft ungenügend deklarierte Pakete nach Zürich-Kloten.
  • Wichtige Medikamente und Maschinenteile erreichen wegen der Paketflut ihre Empfänger hierzulande mit Verzögerung.
  • Schweizer Detailhandelsvertreter fordern einheitliche Regeln für alle Online-Marktplätze.

Täglich erreichen rund 100’000 Pakete der chinesischen Onlinehändler Temu und Shein die Schweiz, wie die Logistikmarktstudie 2025 zeigt. Die meisten dieser Kleinstsendungen unter der Zollfreigrenze kommen per Direktflug in Zürich an – und verstopfen seit Monaten die Abfertigung.

«Die kleinen Päckchen aus China sind oft schlecht und unvollständig deklariert, das macht die Zollabwicklung durch unsere Spediteure mit dem Zoll extrem aufwendig», sagt Tom Odermatt vom Verband der Spediteure und Logistiker, Spedlogsuisse.

Händler, welche grosse Mengen einfliegen, wie Temu, bestimmen, was zuerst abgeladen wird. Darunter leiden die vielen Spediteure, welche kleinere Sendungen wie Maschinenteile oder Medikamente in der Schweiz ausliefern müssen. Ihre Pakete bleiben liegen und kommen mit bis zu sieben Tagen Verspätung an.

Die Billigware blockiert laut Odermatt nicht nur die Flughafen-Infrastruktur, sondern auch Kapazitäten in den Flugzeugen, welche Schweizer Firmen für den Import von Vorprodukten benötigen.

Medikamente werden verspätet ausgeliefert

Mit dem täglichen Flaschenhals am Flughafen schlagen Spediteure sich schon seit Monaten herum – lange bevor sie wegen US-Zöllen gegen China eine zusätzliche Billigwarenschwemme aus China befürchten mussten. So wurden in der Weihnachtszeit wichtige Medikamente verspätet ausgeliefert, weil die Paketflut den Betrieb überlastete oder gar lahmlegte.

Der Verband sieht nun mögliche erste Anzeichen dafür, dass Händler aus China wegen des absehbaren Zollhammers der USA vermehrt auf andere Märkte wie die Schweiz ausweichen. Seit Jahresbeginn verzeichnet der Flughafen Zürich spürbar mehr Pakete aus China. «Spediteure sind noch stärker ausgelastet, und die Abfertigung dauert länger», warnt Odermatt.

Die Situation dürfte sich bald zusätzlich verschärfen, wenn hiesige Konsumenten bei einem weiteren Billiganbieter aus China online shoppen können und zwar über die Social-Media-App Tiktok. Der Tiktok-Shop soll in der Schweiz demnächst starten.

Bereits Temu hat mit seinem Markteintritt 2023 in der Schweiz einen Bestellboom ausgelöst: 350 Millionen Franken Umsatz im ersten Jahr, letztes Jahr sogar eine Verdoppelung. Kein Wunder: Die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer hat letztes Jahr ein Päckli bei Temu bestellt, wie eine Comparis-Umfrage zeigt.

Die Swiss Retail Federation kritisiert: «Temu und Co. erfüllen weder Schweizer Produktsicherheits- noch Umwelt- oder Sozialstandards.» Konsumentenschützer verurteilten Temus Werbemethoden als «aggressiv und manipulativ».

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) reagierte auf den Druck und intervenierte bei Temu wegen irreführender Werbung. Letzte Woche teilte das Seco mit, Temu habe sich in der Schweiz dazu verpflichtet, problematische Lockangebote aus App, Website und E-Mails zu entfernen.

EU will Zollbefreiung für Kleinstpäckli aus China beenden

Auch in der EU wächst der Widerstand gegen die Billigware «Made in China». Die Kommission plant eine komplette Aufhebung der Zollbefreiung für Waren unter 150 Euro sowie eine Zoll-Bearbeitungsgebühr für Pakete von Onlinehändlern wie Temu und Shein.

Um die Päckliflut abzubremsen, führte der Bund per Anfang Jahr eine Mehrwertsteuer von 8,1 Prozent ein auf Lieferungen von ausländischen Plattformen – vorher waren Päckli unter 62 Franken steuerfrei. Griffigere Massnahmen gegen Onlinehändler aus Übersee, wie sie sechs parlamentarische Vorstösse verlangten, lehnte der Bundesrat letztes Jahr ab und verwies auf bereits geltende Vorschriften.

Seit die USA Anfang Monat Zölle auf China-Importe erhöht haben, wächst der Druck von günstiger China-Ware auf Europa und die Schweiz. Speditionsverbandsvertreter Odermatt warnt: «Wenn das Volumen aus China noch weiter steigt, droht eine Überlastung der gesamten Lieferkette mit weiteren Verspätungen, Kostensteigerungen und Verlust an Wettbewerbsfähigkeit.»

Er fordert klare Kante gegen die Billigflut: Zölle und Mehrwertsteuer ab dem ersten Franken, strengere Deklarationspflichten mit saftigen Bussen bei Falschangaben – und verbindliche technische Standards, damit nicht jeder Ramsch ins Land kommt.

Seco weist Kritik zurück

Dagmar Jenni, Direktorin der Swiss Retail Federation, fordert: «Unabhängig davon, wie sich China-Importe entwickeln, bleibt der Schweizer Detailhandel gegenüber ausländischen Online-Marktplätzen stark benachteiligt.» Es brauche «gleich lange Spiesse».

Sie will genau beobachten, ob die neue Mehrwertsteuerpflicht die Billigflut etwas eindämmen kann: «Erweist sich diese Massnahme als wirkungslos, setzen wir uns für die komplette Streichung der Zollwertfreigrenze ein.» Auch eine Zollbearbeitungsgebühr wie in der EU sei vorstellbar – zumindest vorübergehend.

Auf die Kritik, zu wenig gegen mangelhafte China-Ware zu unternehmen, erklärt das Seco: Wer Produkte einführe, sei verantwortlich dafür, dass sie den Vorschriften entsprechen. Es gebe stichprobenartige Kontrollen durch die Marktüberwachungsbehörden. 

Wie viel mehr Ware es zu kontrollieren gebe, zeigt die Zunahme bei den Zollanmeldungen. Letztes Jahr verzeichnete das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (Bazg) rekordhohe 58 Millionen Anmeldungen. Der Anstieg dürfte laut einer Bazg-Sprecherin insbesondere auf die steigende Anzahl Sendungen im Onlinehandel aus Asien zurückzuführen sein.

Für Sandro Küng vom Schweizer Spielwarenverband ist der kürzliche Start des Tiktok-Shops in Europa und der baldige Markteintritt in der Schweiz Anlass, den Druck auf den Bundesrat zu erhöhen. «Wir verlangen ein Importverbot von unsicheren Spielwaren. Die Spielzeugverordnung muss auch von Temu, Shein und Tiktok eingehalten werden», so Küng. 

Die Verbandsmitglieder seien konsterniert, die Probleme seien schon lange bekannt. Küng: «Chinesische Online-Marktplätze wie Temu und Shein dürfen Spielwaren in die Schweiz liefern, die im Schweizer Handel nicht zugelassen wären, weil sie zu gefährlich sind.» Solche Anbieter würden Schweizer Gesetze systematisch missachten. Stichproben am Zoll bei täglich 500’000 Paketen aus Asien seien «ein Tropfen auf den heissen Stein».

Schluss mit «China-First-Policy» des Bundes bei Billigwaren

Der Verband kämpft seit Jahren gegen die unkontrollierte Flut gefährlicher Billigspielwaren aus China. Bereits 2019 deckte er auf, dass ein Grossteil der Spielzeuge von Aliexpress und Wish gesundheitsgefährdend ist.

Dass weiterhin gefährliche Produkte mit Tiefpreisen aus Übersee in die Schweiz gelangen und hiesigen Händlern das Wasser abgraben, ist für Küng unverständlich: «Die China-First-Policy des Bundesrats bei Billigwaren muss aufhören.»