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Kritik an chinesischen Onlinehändlern
Ist Spielzeug von Temu & Co. gefährlich für Kinder? Bund empfiehlt Schweizer Händler

Kinder spielen im Kita der Baugenossenschaft Frohheim Zuerich (BGF) am 9. Juli 2020 in Zuerich. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
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Eine Päckliflut aus China überschwemmt die Schweiz: Wöchentlich kommen alleine Zehntausende mit Spielwaren gefüllte Pakete aus Asien in der Schweiz an – die meisten aus China.

Diese Zahl eruierte Rolf Schrefel, Chef Nichtzollrechtliche Erlasse beim Bundesamt für Zoll und Grenzschutz, im März 2024. Innerhalb einer Woche wurden demnach alleine durch das Brief- und Postzentrum Mülligen 37’000 Sendungen mit Spielwaren aus Asien geschleust. Schrefel prüfte dazu die Einfuhrzollanmeldungen, wie er im Juni 2024 im Interview mit dem Spielwarenverband Schweiz erklärte.

Temu, Aliexpress und Co. im Fokus

Jede zweite Person, die heute online shoppt, tut das über chinesische Plattformen, und jede fünfte Person hat Spielwaren auf ihrem Einkaufszettel. Der chinesische Billiganbieter Temu ist bei den unter 34-jährigen Schweizerinnen und Schweizern die Nummer 3 unter den Verkaufsplattformen, Konkurrent Aliexpress – ebenfalls aus China – die Nummer 5. Dies zeigt das aktuelle E-Commerce-Stimmungsbarometer der Schweizer Post.

«Shoppen wie Milliardäre!» So preist sich Temu an, seit es 2023 Jahr die USA und Europa erobert. Temu ist eine Verkaufsplattform, auf der Privatpersonen direkt bei chinesischen Händlern einkaufen können. Keine andere Shopping-App wird in der Schweiz häufiger heruntergeladen.

Heute ist der Besitzer von Temu, Colin Huang, mit einem Vermögen von geschätzten 50 Milliarden Dollar der reichste Mann Chinas. Sein Geld macht er mit Kommissionen, die er auf seinen Plattformen – neben Temu in China auch Pinduoduo – von chinesischen Herstellern und Händlerinnen verlangt.

Wenn das Spielzeug die Gesundheit gefährdet

Doch Temu stösst in Europa auf scharfe Kritik: Der Konsumentenschutz, Branchenverbände und Medien haben in Tests festgestellt, dass viele Spielwaren, die Temu nach Europa liefert, gesundheitsgefährdend sind. Im Februar 2024 meldete etwa der Verband Toy Industries of Europe, dass 18 von 19 bei Temu bestellte Spielwaren die Gesundheit der Kleinen gefährden.

Sein Schweizer Pendant, der Spielwarenverband, liess im Herbst 2023 Bestseller für das Kinderzimmer untersuchen, die auf den Apps von Temu und Shein verkauft wurden. Auch hier fanden sich in den Labors giftige Stoffe in den Spielwaren der China-Plattformen. Labortests von Medien in England und Deutschland bestätigen die Befunde.

«Solche Spielwaren sind alles andere als nachhaltig und können das Leben von Kindern gefährden», sagt Sandro Küng, Mediensprecher des Spielwarenverbandes Schweiz (SVS). «Seit unseren ersten Tests vor fünf Jahren mit Spielwaren von Aliexpress und Wish hat sich politisch nichts geändert.» Das Problem sei bekannt, doch der Bundesrat schaue zu, wie Millionen gefährlicher Spielwaren in unser Land kommen und Kinder gefährden würden, so Küng.

Bund warnt auf sozialen Medien vor gefährlichen Spielwaren

Immerhin schlägt sich der Bund neuerdings plakativ auf die Seite des Schweizer Spielwarenhandels. «Ist online gekauftes Spielzeug sicher?», fragt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) seit zwei Wochen auf dem Onlinemedium Linkedin. Und antwortet gleichenorts: «Wenn dir Sicherheit wichtig ist, dann kaufe Kinderspielzeug in Schweizer Onlineshops.»

Information des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen zu Spielwaren auf Linkedin.

Auf der dort verlinkten Website präzisiert das BLV: «Das BLV empfiehlt Konsumentinnen und Konsumenten, in Schweizer oder EU-Onlineshops zu bestellen.» Denn bei der Sicherheit von Spielzeug würden in der EU die gleichen Anforderungen wie hierzulande gelten.

«Die Tatsache, dass ausländische Onlineshops teilweise Spielwaren anbieten, die den Schweizer Anforderungen nicht entsprechen, ist dem BLV seit längerem bekannt», sagt Mediensprecherin Sarah Camenisch zur Spielwaren-Kampagne des Bundesamtes. «Wir informieren die Konsumierenden auf verschiedenen Kanälen über diese Tatsache und über die geltenden Schweizer Bestimmungen, unter anderem auf unserer Webseite und auch auf Social Media.»

Das Bundesamt rät nicht nur beim Kauf von Spielzeugen dazu, auf Schweizer Anbieter zu setzen. Auch Lebensmittel, andere Gebrauchsgegenstände und Kosmetika sollten nur bei Schweizer Onlineshops bestellt werden. Denn, so Camenisch: «Ausländische Onlinehändler unterliegen nicht der schweizerischen Lebensmittelgesetzgebung, weshalb sie Waren anbieten könnten, die den schweizerischen Anforderungen nicht entsprechen.»

«Temu nimmt Produktsicherheit und -qualität sehr ernst», sagt ein Unternehmenssprecher von Temu auf Anfrage. «Händler auf unserer Plattform müssen strenge Sicherheitsstandards einhalten und dies dokumentieren.» Temu führe Stichproben durch und überwache kontinuierlich, «um Probleme schnell zu beheben und sicherzustellen, dass Verbraucher bedenkenlos einkaufen können».

Die Onlineplattform verpflichte sich zur Einhaltung geltender Gesetze und Vorschriften in allen Märkten, in denen sie tätig sei, so Temu. «Wir sind bestrebt, unsere Dienstleistungen kontinuierlich zu verbessern, um allen ein erstklassiges Einkaufserlebnis zu bieten.»

Kontrollen sind laut Bundesrat kaum möglich

Die Kritik der Schweizer Spielwarenbranche an den Praktiken der Onlineanbieter aus China geht jedoch über die ungenügende Einhaltung von Sicherheitsstandards bei manchen Artikeln hinaus. Sie kritisiert auch, dass die Verkaufsplattformen aus China gefälschte Artikel anbieten und die Entrichtung von Mehrwertsteuern umgehen. Das Newsportal «Watson» berechnete kürzlich, dass dem Bund alleine durch die von der Mehrwertsteuer befreiten Geschäfte von Temu jährlich 24 Millionen Franken entgehen würden.

«Wir erwarten, dass Bundesrat und Parlament dafür sorgen, dass diese Konsumgüter nach unserem Recht gesetzeskonform sein müssen», sagt SVS-Sprecher Sandro Küng, «und dass alle Lücken unseres Systems, die diese Plattformen systematisch ausnutzen, geschlossen werden.» Der SVS schlägt beispielsweise vor, dass die Schweiz die in allen EU-Staaten seit Juli 2021 gültige Marktüberwachungsverordnung übernimmt.

Diese bestimmt, dass die chinesischen Onlineplattformen die Verantwortung dafür tragen müssen, dass online angebotene Ware allen EU-Verordnungen zur Sicherheit und Gesundheit entspricht, so Küng. Bisher stelle sich der Bund aber auf den Standpunkt, «es liege in der Eigenverantwortung der Konsumenten, wenn sie Ware in China bestellen». Tatsächlich gelten die Schweizer Gesetze und Richtlinien zur Produktesicherheit heute nicht für Importe, die von Privatpersonen getätigt werden.

This photo taken on October 9, 2017 shows a Chinese employee making stuffed panda toys as they are prepared to export for the upcoming Christmas festive season, at a toy factory in Lianyungang in China's eastern Jiangsu province. (Photo by AFP) / China OUT

«Es liegt in der Verantwortung der Hersteller und Inverkehrbringer, sicherzustellen, dass ihre Produkte die rechtlichen Anforderungen erfüllen», bestätigt Sarah Camenisch, Mediensprecherin für das zuständige Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. Ausländische Onlineshops und -plattformen wie zum Beispiel Temu und Shein würden nicht der Schweizer Lebensmittelgesetzgebung unterstehen.

Auf diese Position stellt sich auch der Bundesrat in seiner Antwort auf eine in der Frühjahrssession im Parlament eingereichte Interpellation. «Was macht der Bundesrat gegen den Import von Spielzeug mit einer schlechten Qualität, das die Gesundheit von Kindern gefährdet?», fragte der Waadtländer Mitte-Nationalrat Roduit Benjamin.

Aus der Antwort des Bundesrates wird klar: Es bleibt vorerst bei den vom BLV an Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten gerichteten Warnungen, dass Einkäufe auf ausländischen Onlineplattformen und in Internetshops ein Risiko seien. Das werde das BLV auch «weiterhin tun», so der Bundesrat. Hingegen wäre es «in der Praxis kaum möglich», den «Erwerb von Spielzeug auf ausländischen Webshops oder Online-Plattformen zum privaten häuslichen Gebrauch zu kontrollieren».