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Trockene Zeit in der Nordschweiz
Kraftwerke stellen Turbinen ab, Frachtschiffe sind nur halb beladen: Was sind die Folgen der tiefen Wasserstände?

Niedriger Wasserstand im Untersee bei Mannenbach-Salenstein mit freiliegendem Seeboden und Stegen. Foto: Madeleine Schoder.
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In Kürze:
  • Die Rheinkraftwerke produzieren wegen des niedrigen Wasserstands nur 55 bis 60 Prozent ihrer Leistung.
  • Containerschiffe können derzeit bloss die Hälfte ihrer üblichen Fracht laden.
  • Die Natur zeigt sich erstaunlich anpassungsfähig gegenüber den tiefen Wasserständen im Frühling.

Am Bodenseeufer liegen Boote auf dem Trockenen, am Rheinfall ragen Steine aus dem Flussbett, zwischen Interlaken und Bönigen müssen Schiffspassagiere mit Extrabussen transportiert werden: Die Folgen der tiefen Wasserstände in der nördlichen Schweiz sind weitreichend. Transportunternehmen oder Stromproduzenten bekommen sie ebenfalls zu spüren. 

Auf Anfrage bestätigt das Kraftwerk Schaffhausen, das erste Laufwasser-Rheinkraftwerk nach dem Bodensee, dass es aufgrund des geringen Durchflusses momentan nur rund 55 Prozent der durchschnittlichen April-Strommenge produzieren kann. Auch die Wasserkraftwerke Laufenburg und Rheinfelden produzieren nur rund 60 Prozent der Leistung – in Laufenburg sind momentan drei von zehn Turbinen in Betrieb, in Rheinfelden zwei von vier. 

Für die Basler Containerschifffahrt bedeutet der tiefe Rheinpegel, dass Frachter zurzeit nur 30 bis 60 Prozent ihres Volumens laden können, wie das Regionaljournal Basel von SRF berichtet. Um die gleiche Ladung zu transportieren, braucht es also etwa doppelt so viele Schiffe bei doppelt so hohen Kosten. Viele Reedereien versuchen, auf Lastwagen oder Züge auszuweichen.

Die Folgen für die Natur sind noch unproblematisch

Die momentane Trockenperiode habe auf die Natur noch keinen besorgniserregenden Einfluss, aber «wir haben ein ernsthaftes Niederschlagsdefizit zu einer ungewöhnlich frühen Jahreszeit», sagt Hydrologe Andri Bryner vom Wasserforschungsinstitut des Bundes Eawag. Und er präzisiert: «Das ist ein Stress für die Natur, nur schon weil der Lebensraum unter Wasser kleiner wird.»

Karte der Schweiz mit farbigen Punkten zur Darstellung von Umweltdaten. Quelle: BAFU, 11.04.2023.

Manche Fische im Bodensee laichen in den seichten Ufergewässern. Diese liegen zurzeit trocken. «Fische können sich aber gut adaptieren und finden ihre Laichplätze. Der Pegel sinkt ja nicht von heute auf morgen, sodass ihr Laich auf einmal trockenfallen würde», sagt der Hydrologe. Glücklicherweise habe die Wetterlage noch wenig Auswirkung auf die Temperatur des Wassers. Für Fische würde der Wassermangel nämlich vor allem dann zum Problem, wenn Kaltwasserbereiche fehlen. «Für Äschen sind Wassertemperaturen über 25 Grad verheerend. Im Hitzesommer 2018 starben im Rhein etwa 90 Prozent der Äschen-Population.»

In der wassernahen Flora und Fauna gibt es sogar Pflanzen und Insekten, die von der Trockenheit profitieren. «Gewisse Pflanzenarten sind auf die natürliche Seeschwankung angewiesen und mit der Regulierung der Seen zunehmend bedroht», so Bryner. Er nennt – am Beispiel Bodensee – den Uferhahnenfuss, die Strandnelke oder das Bodenseevergissmeinnicht, die sich jetzt entwickeln können. 

Ein offener Schachtdeckel am Ufer des Untersees bei der Seebadi Mammern, umgeben von Wasser und grünen Algen. Foto: Madeleine Schoder

Entwarnung gibt es auch aus der Landwirtschaft. Wie das Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung Agroscope auf Anfrage mitteilt, sind die Böden momentan eher auf der feuchten bis sehr feuchten Seite – die Trockenheit betreffe zwar die Oberflächengewässer, sei jedoch kein Thema für die Pflanzenproduktion.

Auch Trinkwasser ist mehr als genug vorhanden

Um das Trinkwasser müsse sich die Bevölkerung ebenfalls keine Sorgen machen. «Viele glauben, dass die Trinkwasserentnahmen grossen Einfluss auf den Seepegel haben, weil beispielsweise aus dem Bodensee Millionen Liter von Trinkwasser bis nach Stuttgart geleitet werden», sagt Bryner. Und gibt Entwarnung: «Die Trinkwassernutzung lässt den Seespiegel vom Bodensee im Zentimeterbereich sinken, jetzt reden wir aber von Metern.» Ausserdem habe die Schweiz die grössten Wasserreserven im Grundwasser. 

Und die Grundwasserdaten zeigen, dass die Speicher mehrheitlich noch gut gefüllt sind. Bryner hat berechnet: «Von den rund 150 Kubikkilometer Volumen Grundwasser nutzen wir 1 Kubikkilometer pro Jahr als Trinkwasser – wir könnten also theoretisch jahrelang von dieser Reserve zehren.»

Das braucht es, um die Situation zu normalisieren

Da seit Februar fast kein Regen mehr gefallen sei, müsste möglichst bald eine zusätzliche Monatsration an Regen fallen, um das Defizit auszugleichen, sagt Hydrologe Bryner. Dies sei aber durchaus möglich, «wir hätten dann einfach einen sehr nassen Mai». Ob diese trockene Periode mit dem Klimawandel zu tun habe, beantwortet der Hydrologe mit einem «bedingt». Man wisse aus der Forschung, dass es in Zukunft immer mehr zu lang anhaltenden Trockenperioden kommen werde. «Ob die aktuelle Grosswetterlage aber dazugehört, wird man erst in fünf oder zehn Jahren in der Statistik sehen können», so Bryner. 

Was das Wasser betreffe, gehe die Klimaforschung allerdings davon aus, dass «sich für die Schweiz die Gesamtmenge an Niederschlag nicht ändern wird», sagt Bryner. Aber das Wasser könne anders fallen. «Wenn jetzt beispielsweise alles auf einmal käme, wäre das problematisch, weil grosse Mengen Wasser nicht schnell genug versickern können und es zu Überschwemmungen kommen kann.»

Die in diesem Fall gute Nachricht: Regen ist bereits für die kommenden Tage und für Ostern angesagt.