Untersuchungen an Urner SchuleAm Kollegium in Altdorf wurden Fälle von Missbrauch an Schülern vertuscht
An der heutigen Kantonalen Mittelschule Uri wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren Schüler missbraucht. Der damalige Rektor und die Regierung wussten offenbar davon.

Recherchen der «Rundschau» von SRF zeigen ein System von sexuellen Übergriffen am Altdorfer Kollegium Karl Borromäus in den 1960er- und 1970er-Jahren. Die Missbräuche an der heutigen Kantonalen Mittelschule Uri wurden offenbar jahrelang vertuscht. In der SRF-Sendung, die am Mittwochabend ausgestrahlt wird, spricht Benedikt H., ein ehemaliger Schüler, von wiederholten sexuellen Übergriffen durch Pater Felix.
Er sagt: «Er hat sich entblösst und vor mir masturbiert, er hat mich gezwungen, sein Glied in den Mund zu nehmen, bis er in mich eingedrungen ist.» Benedikt H. war 14, als er missbraucht wurde. Jahrzehnte später sprach er erstmals darüber. Er meldete sich beim Bistum Basel, dieses zahlte ihm 20’000 Franken Genugtuung.
«Einmaliger Fehltritt», «unschicklich, aber nicht strafbar»
Auch Pater Notker, der Musiklehrer an der Schule war, missbrauchte offenbar Schüler. Er soll sie nackt fotografiert haben und sie unter dem Vorwand des Aufklärungsunterrichts berührt haben. Die Urner Regierung und die Schulleitung haben laut SRF damals von den Missbräuchen gewusst – jedoch haben sie nichts unternommen. Die Fälle wurden vertuscht.
Pater Hugo Willi, der damalige Rektor, wusste demnach seit 1975 von mehreren Fällen. Dies, weil sich Eltern an ihn gewandt hatten. Einem Vater, der die sofortige Suspendierung von Pater Notker verlangte, habe Pater Hugo Willi geantwortet: «Der betreffende Lehrer beging einen einmaligen Fehltritt mittlerer Schwere. Eine Wiederholung konnte nicht festgestellt werden. Wir haben also keinen Grund, von einer krankhaften Veranlagung zu sprechen.»
Laut der Recherche informierte Pater Hugo Willi auch den damaligen Erziehungsdirektor, Regierungsrat Josef Brücker. Auch dieser sei der Meinung gewesen, dass die «Verfehlungen» einen sofortigen Ausschluss aus dem Schuldienst nicht rechtfertigen würden. So hiess es: «Das Verhalten von P. Notker muss zwar als unschicklich bezeichnet werden. Es dürfte aber kaum strafbar sein.»
Urner Bildungsdirektor zeigt sich «erschüttert»
Der heutige Urner Regierungsrat und Bildungsdirektor Georg Simmen zeigt sich «erschüttert» und sagt SRF: «Meines Erachtens hat man damals die Institutionen, den Ruf der Schule und der Kirche höher gewichtet als die Leiden der Opfer. Die hat man fast negiert.»
Ralph Aschwanden von der Bildungs- und Kulturdirektion Uri bestätigt auf Anfrage dieser Redaktion, dass es klar scheint, dass dem Schutz der Institution und dem Ruf der Lehrpersonen deutlich mehr Priorität zukam. Auch verweist er auf eine «ausserordentlich dünne Aktenlage». So wurde «wohl bewusst» auf eine Verschriftlichung von Sitzungen und Gesprächen verzichtet. «Wir bedauern aufrichtig, dass jungen Menschen damals Unrecht angetan wurde und dass die staatlichen Schutzmechanismen offensichtlich versagten.»
Nun sei es wichtig, zuzuhören. Die Bedürfnisse der Betroffenen sollen in den Mittelpunkt gestellt werden.
Die mutmasslichen Täter leben nicht mehr
Zurzeit laufen Untersuchungen der Universität Zürich, um den Fall aufzuarbeiten. Forschende untersuchen dort derzeit sexuelle Missbräuche im Umfeld der katholischen Kirche. Auch ist laut Aschwanden der Kanton Uri mit einem Aufruf an Betroffene sowie in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich selbst aktiv geworden. «Eine Aufarbeitung steht ausser Frage für uns und ist notwendig», sagt er.
Die mutmasslichen Täter kann man nicht mehr befragen: Pater Felix ist im Jahr 1984 verstorben. Pater Notker verstarb im Jahr 2024.
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