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Medienkonferenz zum Missbrauch-Bericht
«Selbst verurteilte Personen wurden geschützt und dem Zugriff der Justiz entzogen»

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Das Wichtigste in Kürze:

Ende der Medienkonferenz

Damit endet die Medienkonferenz.

Unseren Bericht zum Pilotprojekt der Uni Zürich finden Sie hier: Die Studie zeigt ein erschreckendes System.

Der Kommentar dazu hier: Die katholische Kirche hat die Schweiz getäuscht.

Und hier werden die Vorwürfe gegen die Bistümer aufgelistet: Unter Verdacht stehen mehrere Schweizer Bischöfe.

Katholische Kirche Zürich lanciert ein anonymes Meldesystem

Nach der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche Schweiz wollen die Zürcher Kirchen noch genauer hinschauen: Sie haben ein niederschwelliges Online-Meldesystem für Hinweise lanciert. Zahlreiche Kirchgemeinden haben den Meldebutton bereits auf ihre Webseite integriert.

Mit dem Meldesystem «Kirche schaut hin» soll Missbräuchen und Fehlverhalten künftig noch konsequenter vorgebeugt werden, schreibt die katholische Kirche im Kanton Zürich in einer Mitteilung vom Dienstag.

Vom neuen Meldesystem erhofft sich die Zürcher Kirche viel. Es könnten anonym Erlebnisse oder Beobachtungen von unangemessenem Verhalten gemeldet werden, ohne dass die Meldenden dadurch negative Konsequenzen befürchten müssten, heisst es in der Mitteilung.

Jede eingehende Meldung soll mit hinzugezogenen Fachpersonen rasch bearbeitet und beantwortet werden. «So kann frühzeitig Fehlverhalten aufgedeckt und weiteres Leid hoffentlich verhindert werden.» (SDA)

Kann sich etwas ändern, wenn Bischöfe so viel Macht haben?

In der katholischen Kirche sind die Bischöfe Exekutive, Legislative und Judikative, kann sich überhaupt etwas ändern, wenn die Macht so gebündelt ist?

Er wäre persönlich sehr froh, wenn die Macht nicht so sehr bei ihm geballt sei, sagt Bischof Bonnemain. Es sei sein Ziel, diese Macht zu verteilen. Auf die Nachfrage, dass dafür wohl ein Papstentscheid notwendig sei, sagt Bonnemain, dann müsse er den Papst ermutigen, darauf hinzuarbeiten.

Wie viele der Beschuldigten sind geweiht?

Das wurde in der Pilotstudie nicht genau erhoben, der Anteil sei aber sehr hoch, die grosse Mehrheit der Beschuldigten sind also geweiht.

Wieso so spät?

Wieso kam diese Untersuchung nicht schon früher? Die Schweiz ist sehr spät, sagt Studienleiterin Monika Dommann. Im Ausland geschah das früher, schon vor 20 Jahren wäre es auch hier möglich gewesen. Man wollte das vielleicht aussitzen. Dafür habe man jetzt von Studien im Ausland lernen können, dort wurden Fehler gemacht bei der Aufarbeitung, welche die Uni Zürich nun vermeiden konnte.

Wie viele Fälle kommen noch?

«Wir wissen, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist», sagt Studienleiterin Meier. «Wir wissen aber nicht, wie gross der Eisberg unter der Oberfläche noch ist.» Das gesamte Ausmass werde man wohl nie erfassen könne. Es wurden nicht alle Fälle gemeldet und es seien mittlerweile bestimmt schon Betroffene gestorben, welche ihre Stimme nie erhoben haben. Daher werde es nicht möglich sein, eine definitive Zahl der Opfer zu erhalten.

Wie geht die Konferenz mit Rücktrittsforderungen um?

Man habe sich das überlegt und man sei bezüglich dieser Thematik im Gespräch in der Bischofskonferenz, sagt Bonnemain. Mehr will er im Moment aufgrund Persönlichkeitsrechte aber nicht dazu sagen.

Welche Massnahmen werden 2024 umgesetzt?

Bonnemain hat vier Massnahmen aufgeführt und er präzisiert nun, alle Massnahmen sollen schnellstmöglich umgesetzt werden, man diskutiere nun die Finanzierung.

Bischof untersucht Vorwürfe gegen Mit-Bischöfe?

Wie ist es eigentlich möglich, dass Bischof Bonnemain die Vorwürfe gegen seine Mit-Bischöfe untersucht?

Bischof Bonnemain verweist auf ein Gesetz von 2019, er wurde damit beauftragt. Er sehe aber ein, dass es da Interessenskonflikte gebe und werde sich dafür einsetzen, dass diese Bestimmungen geändert werden. «Aber wir sind noch nicht soweit.»

Aktenvernichtung gestoppt?

Bonnemain sagt, dass alle Bistümer die Selbsterklärung unterschrieben haben, um die Vernichtung von Akten im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen zu stoppen. Man sei da erst seit kurzem dran, noch hätten sich nicht alle kantonalen Kirchen getroffen, aber die Mehrheit habe bereits unterzeichnet und er geht davon aus, dass das alle anderen auch noch tun werden. Ob der Vatikan davon schon Kenntnis hat, wisse er nicht, sagt Bonnemain. Falls jemand im Vatikan dagegen protestieren würde, werde er das auf seine Kappe nehmen, sagt der Bischof.

Zugang zu allen Archiven?

Eine Frage zu den Akten zu Schweizer Fällen sexuellen Missbrauchs die nach kanonischem Recht dem Vatikan überstellt werden. In den Archiven in Rom gäbe es deshalb wertvolle Dokumente. Doch die apostolische Nuntiatur, die Vertretung des Vatikans in der Schweiz, hat den Schweizer Forschenden den Zugang zu den Archiven bisher verweigert. Wird sich die Schweizer Bischofskonferenz dafür einsetzen, dass sich das ändert?

Die Bischofskonferenz werde darauf drängen, dass auch der Vatikan seine Archive öffne, sagt Bonnemain, da sei er überzeugt, er habe sich allerdings mit seinen Kollegen noch nicht abgesprochen. «Falls nötig, werde ich mich beim Papst persönlich mit diesem Anliegen melden», sagt er.

Konsequenzen für Bischöfe?

Es ist klar, dass wir über die Bücher gehen müssen, sagt Bischof Bonnemain. Die Fachgremien müssen restruktiert werden. In Deutschland habe man schon viele Schritte in diese Richtung gemacht. Man sollte professionell und unabhängig geführte Strafgerichte und Disziplinargerichte haben, sagt Bonnemain. In den bisherigen Gerichten sei man überfordert, habe zu wenig Kompetenzen.

Welche Konsequenzen die Untersuchungen nun haben, liegt nicht in seiner Kompetenz, sagt Bonnemain. Er sei mit der Voruntersuchung beauftragt und erstelle den Bericht, aufgrund dessen anschliessend Massnahmen getroffen werden, sagt der Bischof.

Wann öffnet die Kirche alle Archive?

Bischof Bonnemain sagt, es erstaune ihn nicht, dass jetzt 1002 Fälle bekannt wurden seit 1950. Das sei logisch, aufgrund der Zahlen, die für die letzten 20 Jahre vorliegen. Er erwarte noch ein viel grösseres Ausmass. Man werde das jetzt nach und nach entdecken, mit der Folgestudie. Man sei jetzt mitten in einem Kulturwandel, für den sich jeder aktiv einsetzen müssen, damit alle Kirchen in der Schweiz und auch in Rom bereit sind, alle Archive zu öffnen und nichts mehr zu vertuschen.

Fragerunde

Gibt es kriminelle Strukturen in der Kirche? In der Pilotstudie wurde das nicht festgestellt, man könne von strukturellen Problemen sprechen, die solche Verbrechen ermöglichen und verhindern, dass solche Verbrechen untersucht und bestraft werden, erklärt Martina Meier.

Man sei vorsichtig mit Mafia-Vergleichen, sagt Monika Dommann. Das bedeute nicht, dass es nicht genau so schlimm sei, aber man müsse spezifisch verstehen, wie die katholische Struktur solche spezifischen Tatbestände produziert.

Vreni Peterer: «Heute werden viele Betroffene weinen»

Nun kommt noch Vreni Peterer, Präsidentin der «Interessengemeinschaft für Missbrauchsbetroffene im kirchlichen Umfeld», zu Wort. Sie habe sich vorgenommen, heute nicht zu weinen, aber die Ausführungen hätten sie getroffen, da konnte sie die Emotionen nicht mehr zurückhalten. «Heute werden viele Betroffene weinen, wenn sie das lesen und hören», sagt Peterer. Als Sprachrohr für die Opfer, Betroffenen und Überlebenden möchte sie betonen, dass hinter den 1002 Fällen Menschen stecken. Man sei erschüttert. Ein Priester hat mindestens 67 Kindern missbraucht, liest Peterer aus dem Bericht vor, das sei unglaublich. Die weitere Forschung werde noch viele weitere Schicksale zutage bringen.

Auch das gesamte Umfeld der Betroffenen leide, gibt Peterer zu denken. Deshalb sei es wichtig, dass die nationale Fachstelle zusammen mit der katholischen Kirche nun möglichst rasch geschaffen werde. Als selbst Betroffene wisse sie, wie schwierig es ist, darüber zu sprechen. Wichtig sei auch, dass der spirituelle Missbrauch auch beleuchtet werde, betont Peterer.

Sie fordert Gerechtigkeit und Transparenz in kirchlichen Verfahren. Dabei sollen auch die Betroffenen angehört werden. «Viele Betroffene leiden ihr ganzes Leben lang im Stillen», weiss Peterer. Sie macht auf «Oral History» aufmerksam, nichts wirke so gut, wie die eigene Geschichte erzählen zu können.

«Kirche muss mit der Schuld leben»

«Der Bericht konfrontiert uns mit dem Leid der Betroffenen», sagt der Bischof weiter. Verantwortlich seien die Täter und die Vertuscher. Aber auch die Kirche trage eine grosse Mitverantwortung, dass so viele Menschen oft lebenslang unter den Folgen zu leiden haben. Man könne sich dafür als Vertreter der Kirche nicht einfach entschuldigen, man müsse mit der Schuld leben und Verantwortung übernehmen.

Das bedeute alles mögliche zu unternehmen, um die Risiken für Missbräuche zu minimieren und die Vertuschung zu verhindern. «Alle in der Kirche tätigen Personen stehen in der Verantwortung», betont Bonnemain. «Nur eine gewaltfreie Kirche hat eine Daseinsberechtigung», sagt Bischof Bonnemain zum Schluss.

Nun spricht Bischof Bonnemain

Der Bischof des Bistums Chur wendet sich zuerst an alle Betroffene: «Ihnen wurde grosses Leid zugefügt. Die Beschuldigten haben das Vertrauen der Personen und der Eltern schamlos ausgenutzt. Sie haben die eigene gesellschaftliche und religiöse Stellung ausgenutzt. Die Mischung aus psychischer und religiöser Manipulation ist typisch für das Vorgehen von Tätern im kirchlichen Kontext», sagt Bonnemain. «Die Verantwortung all jener, welche die Täter geschützt und die Taten vertuscht haben, wiegt sehr, sehr schwer.»

Kirchliche Führungspersonen hätten es zugelassen, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die sich in der Kirche engagierten und hier Schutz suchten, den Sexualstraftätern völlig ausgesetzt waren. «Selbst verurteilte Personen wurden geschützt und bloss versetzt oder dem Zugriff der Justiz entzogen», sagt Bonnemain. Die Verantwortungsträger haben damit in Kauf genommen, dass die Täter weiter Gewalt ausüben konnten und weitere Kinder und Erwachsene Opfer dieser Täter wurden.

Bischof Bonnemain

«Trotz Bemühungen und Initiativen in den letzten Jahren haben wir Verantwortlichen lange gezögert, sich dem Thema gemeinsam zu stellen», sagt Bonnemain weiter. Jahrzehntelang wurden die Fälle einzeln betrachtet, anstatt auf das ganze System zu schauen, gibt der Bischof zu. «Es fällt schwer einzugestehen, dass falsch verstandene Grundzüge der Kirche den Missbrauch begünstigt haben», sagt Bonnemain. Er spricht konkret das Machtgefüge in der Kirche an, den Umgang mit Sexualität und auch das Frauenbild an.

Das Pilotprojekt der Uni Zürich zeige, wie viel Arbeit noch vor der Kirche stehe. Man habe bereits mehrere Massnahmen in Angriff genommen, um die Probleme anzugehen. Für Betroffene sollen schweizweit professionelle Angebote geschaffen werden, wo Missbräuche gemeldet werden können. Dies will die Kirche zusammen mit den Betroffenen prüfen und realisieren.

Zweitens sollen künftig kirchliche Angehörige besser geprüft werden. Es werde eine standardisierte psychologische Prüfung eingeführt. Drittens soll das Personalwesen professionalisiert werden. Viertens wird Aktenvernichtung im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen verboten, sagt Bonnemain. Dazu haben sich alle Bistümer bereit erklärt. Die Aktenvernichtung war bisher möglich, wie die Pilotstudie zeigte.

Statement von Betroffenerorganisation

Nun spricht Jacques Nuoffer, der die Betroffenenorganisation der Romandie vertritt. Es brauche nun dringend eine nationale Anlaufstelle für Betroffene, wo sie sich melden können. Er ruft auch dazu auf, neben der historischen Aufarbeitung weitere Forschung zu den Missbrauchsfällen zu betreiben, auch auf soziologischer und psychologischer Ebene.

Insbesondere im Tessin brauche es noch einen Effort, um mehr Fälle aufzudecken, sagt Nuoffer.

«Prozess hätte schon vor 20 Jahren angestossen werden müssen»

Nun spricht Studienleiterin Monika Dommann und redet gleich Klartext: «Die Resultate der Untersuchung zeigen, dass die katholische Kirche diesen Prozess schon vor mindestens 20 Jahren hätte anstossen müssen.» Das Projekt sei der erste systematische Versuch, das Ausmass des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche in der Schweiz greifbar zu machen.

Die weiteren Untersuchungen sollen auch die Verantwortung des Staates klären, erklärt Dommann. Oftmals wurden Aufträge an die Kirche übertragen, wobei es dann zu Missbräuchen kam. Auch das Thema Homosexualität werde wichtig sein. Zudem werde man international forschen, auch in Rom und im Vatikan wollen die Forscherinnen und Forscher Akten einsehen. Diese Anfragen wurden bislang aber abgelehnt, sagt Dommann. «Es gibt noch viel zu tun.»

Das Forschungsteam erklärt die Ergebnisse

Vanessa Bignasca, Lucas Federer und Lorraine Odi stellen nun die Ergebnisse im Detail fest. Magda Kaspar fehlt aufgrund kurz bevorstehender Entbindung. Die Studie zeigt eine erschreckendes System: Hunderte Kirchenmänner vergingen sich sexuell an Kindern – und wurden durch die Bischöfe gedeckt. Lesen Sie hier unseren Bericht zur Uni-Studie.