Medienkonferenz zum Missbrauch-Bericht«Selbst verurteilte Personen wurden geschützt und dem Zugriff der Justiz entzogen»
Die Universität Zürich hat den sexuellen Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche in der Schweiz untersucht und stellt nun erste Ergebnisse vor. Die Medienkonferenz zum Nachlesen.
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Das Wichtigste in Kürze:
Die Universität Zürich hat in einem einjährigen Pilotprojekt den sexuellen Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche in der Schweiz seit Mitte des 20. Jahrhunderts untersucht.
Die Studie zeigt eine erschreckendes System: Hunderte Kirchenmänner vergingen sich sexuell an Kindern – und wurden durch die Bischöfe gedeckt. Lesen Sie hier unseren Bericht zur Uni-Studie.
Unser Kommentar zum Bericht: Die katholische Kirche hat die Schweiz getäuscht.
Selbst Säuglinge vom Missbrauch betroffen
512 Beschuldigte wurden vom Forschungsteam identifiziert. 149 haben zwei oder mehr Personen missbraucht. 39 Prozent der Betroffenen sind weiblich, 56 Prozent männlich, in fünf Prozent der Fälle war das Geschlecht nicht klar, erklärt Meier.
Von den ausgewerteten Akten zeugten gemäss Meier 74 Prozent von einem Missbrauch an Kindern. Dabei war das gesamte Altersspektrum vertreten, von Missbrauch an Säuglingen bis zu Jugendlichen.
Jeder siebte Fall betraf aber eine erwachsene Person, erklärt Meier. Das sei bedeutsam, da es in bisherigen Forschungen meist um Kinder und Jugendliche ging.
Die aufgedeckten Fälle seien wohl nur die Spitze des Eisbergs. Oftmals wurden Meldungen nicht schriftlich festgehalten oder in die Archive aufgenommen. In zwei Diözesen wurden zudem Akten vernichtet, sagt Meier.
Forschungs-Leiterin: Zehntausende Seiten untersucht
Nun spricht Marietta Meier, Co-Leiterin des Forschungsteams der Uni Zürich. Sie sagt, dass im Gegensatz zu anderen Studien nun das ganze Umfeld der katholischen Kirche untersucht wurde. Man habe die Zusicherung erhalten, auf alle Quellen zugreifen zu können.
Das Team hat Zehntausende Seiten untersucht, auch aus den Geheimarchiven, die Anzeigen und Anschuldigungen gegen Priester enthalten. Mit einigen Ausnahmen stiessen die Forscherinnen und Forscher dabei nicht auf Hürden. Zusätzlich wurden Dutzende Gespräche mit Betroffenen und mit der Kirche geführt, erklärt Meier.
Im Projekt habe man 1002 Missbrauchsfälle identifiziert und teilweise analysiert. «Diese vermitteln einen ersten vorläufigen Eindruck von der Menge der Betroffenen, von der Allgegenwärtigkeit des Problems und der Verteilung über die ganze katholische Kirche hinweg», sagt Meier. Es wurden Fälle über die gesamte Untersuchungsperiode belegt. Fast die Hälfte der Fälle wurde in den Jahren 1950 bis 1969 gefunden, danach nahm das Ausmass ab.
Römisch-katholische Zentralkonferenz: «Es bedrückt und beschämt uns»
Renata Asal-Steger, Präsidentin der römisch-katholischen Zentralkonferenz RKZ, nimmt als Erste Stellung zum Bericht. Was heute präsentiert werde, beschäftige die katholische Kirche schon lange. «Es bedrückt und beschämt uns», sagt Asal-Steger. «Wir suchen nach Worten und wissen, dass wir nicht die richtigen finden, dass wir besser schweigen sollten.»
Man habe lange am Thema vorbeigeredet, sich entschuldigt, aber nicht die Lehren aus der Geschichte gezogen. «Es ist ein wichtiger Tag für die katholische Kirche in der Schweiz», sagt Asal-Steger. Einige hätten Angst vor diesem Tag, weil noch mehr Missbräuche ans Licht kommen. «Auch wenn heute grauenvolle Taten und unsägliche Mängel der katholischen Kirche ans Licht kommen, sind wir dankbar», sagt die RKZ-Präsidentin.
Es soll nun alles auf den Tisch und zwar schonungslos, sagt Asal-Steger zur Untersuchung. «Die Forschenden haben in kurzer Zeit enorm viel aus dem Dunkeln gebracht.»
Man habe keinen Einfluss genommen und danke den Forschenden für die Studie, die nun von 2024 bis 2026 im Auftrag der Kirche weitergeführt werden soll.
Die Medienkonferenz beginnt
Die beiden Professorinnen Monika Dommann und Marietta Meier stellen nun die Ergebnisse ihrer Studie vor. Auch der Bischof des Bistums Chur, Joseph Bonnemain, ist vor Ort und wird sich zur Untersuchung äussern. Als Erstes erhält aber Renata Asal-Steger von der römisch-katholischen Zentralkonferenz das Wort. Auch ein Vertreter der Betroffenenorganisation der Romandie wird ein Statement halten.
Ausgangslage
Zürcher Historikerinnen der Universität Zürich haben ein Jahr lang die Geschichte des sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz untersucht. Es handelt sich um eine Pilotstudie, die klären soll, welche Quellen existieren und zugänglich sind. Ab 2024 folgt ein dreijähriges Forschungsprojekt.
Das Forschungsteam unter der Leitung von Monika Dommann und Marietta Meier hat für das Pilotprojekt zugängliche Akten aus allen Landesteilen untersucht. Im Zentrum standen die Strukturen, die den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen und Erwachsenen ermöglichten und es erschwerten, diesen aufzudecken und zu ahnden.
Die Pilotstudie der Uni Zürich zeigt ein erschreckendes System: Hunderte Kirchenmänner vergingen sich sexuell an Kindern. Lesen Sie hier unseren Bericht zur Untersuchung.
Die Studie schockiert, schreibt unsere Reporterin Catherine Boss in ihrem Kommentar. Die Bischöfe haben sich lange gegen eine Aufarbeitung der sexuellen Übergriffe gewehrt. Jetzt kommt die Wahrheit mit voller Wucht und zeigt: Die Katholische Kirche hat die Schweiz getäuscht.
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