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Papablog: Vorteil des Älterwerdens
Nie wieder Freundschaftsbücher!

Schön wärs: Ein Mädchen füllt ganz ohne Hilfe ein Freundschaftsbuch aus.
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Ein Jahr noch. Nach den Sommerferien geht der Elfentroll in die Schule und das Minikind hat sein letztes Kitajahr. Dann wird sich der Abschnitt «Kindergarten» für immer für uns schliessen. Natürlich ist das auch mit ein bisschen Wehmut verbunden. Ich habe hier schon einmal darüber geschrieben, was diese Zeit so besonders macht und wie viel Spass ich mit meinen Vorschulkindern hatte. Aber es ist auch eine unendliche Erleichterung. Elternabende auf viel zu kleinen Stühlen, Geld ausgeben für Mittagsmahlzeiten, die nie gegessen werden, und Schilder, die darüber informieren, dass «wir Hand-Fuss-Mund-Krankheit, Läuse, Magen-Darm und Scharlach haben» sind eine ziemliche Herausforderung.

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Freundschaftsbücher, die wahre Hölle

Man sollte sich jedoch nichts vormachen: Die wahre Hölle, das sind Freundschaftsbücher. Bücher also, die anderen Kita-Kindern gekauft wurden, damit ihre «Freunde» sie mit nach Hause nehmen, wo sie als Artefakt elterlicher Schuld daran erinnern, vor wie langer Zeit man das längst hätte ausfüllen müssen. Natürlich sehen sie von aussen so bunt, lustig und harmlos aus, dass die eigenen Kinder bald auch eins haben wollen. Also kauft man eins, es wird mit in die Kita genommen, der Yannick soll da reinschreiben, Yannicks Eltern verfluchen einen, Circle of Life, Wheel of Fortune, yeah (hier bitte Elton Johns Stimme einfügen). Und was da alles reingeschrieben werden muss: Daten, Anschrift, Vorlieben, Hobbys, Lieblingsessen – garniert mit einem aktuellen Porträtfoto in Passgrösse, weil es sonst ja zu gross zum Kleben ist?

Dazu zwei Fragen: Wie viele Passfotos besitzen Sie in Zeiten von digitaler Fotografie und Handycams? Und wer will das alles wann ernsthaft nochmal lesen? Damit meine ich nicht die gemeinsame Kontrolllesung, mit der eruiert werden soll, ob die Eltern von Yannick da auch schön alles ausgefüllt haben. Ich meine die theoretisch möglichen Gelegenheiten mit 9, 15, 28, 51 oder von mir aus auch 83, zu denen man versonnen lächelnd das vom vielen Blättern schon ganz abgenutzte Freundschaftsbuch hervorzieht und sich alles noch mal durchliest: Yannick, 5 Jahre, geboren am …, wohnhaft in …,Lieblingsessen Pasta, Lieblingsfarbe Blau, mag Paw Patrol, mag keine Gurke. Um anschliessend den Blick in die Ferne schweifen zu lassen und zu denken: «Mensch, der Yannick. Das war mal ein Freund! Pasta und Paw Patrol. Also wenn Yannicks Mutter es nicht so akkurat aufgeschrieben hätte, ich würde es nicht glauben.»

Satanisches Eigenleben

Was ist das? Was soll das? Wo sind eigentlich all die Datenschutzbeauftragten, wenn man sie mal braucht? Mein Name ist Nils Pickert und ich hasse Freundschaftsbücher. Ich hasse alles daran. Ich hasse es, sie zu kaufen, ich hasse es, sie ausfüllen zu müssen, ich hasse es, mich überhaupt damit zu beschäftigen. Ich hasse dieses dumpfe Gefühl der Hilflosigkeit, gemischt mit schaler Panik, wenn das Freundschaftsbuch eines Kindes in unserem Haushalt frei herumflottiert ist und man nach ein paar Tagen (ok, ich gebe es zu: Es sind WOCHEN) in der Kita daran erinnert wird, dass Yannick jetzt aber wirklich gerne sein Freundschaftsbuch zurück hätte.

Wobei Yannick und seinen Eltern da kein Vorwurf zu machen ist. So ein Freundschaftsbuch führt ein satanisches Eigenleben und nährt sich von den unguten Gefühlen aller Beteiligten. Von schlechtem Gewissen und all den «Wo ist dieses Buch, was war noch mal das Lieblingsessen, das verdammte Foto klebt nicht!»-Momenten. Also ja, mir wird die Kitazeit meiner Jüngsten sicher fehlen. Aber mit ihrem Ende bricht auch bald ein güldener, freundschaftsbuchloser Morgen an.