Never Mind the Markets: Externe KostenNichts weiter als interessengeleitete Zahlenspiele
Diverse Studien aus Verkehr und Landwirtschaft zeigen, wie willkürlich die externen Kosten berechnet werden.
Seit langem wissen wir, dass auch auf einem funktionierenden Markt die Preise nicht alle Kosten widerspiegeln. Das betrifft Kosten für Schäden, die man einem Verursacher nicht in Rechnung stellen kann, weil sie die Allgemeinheit betreffen. Typisches Beispiel ist die Gratisverschmutzung von Luft oder Wasser durch Schadstoffemissionen, die mit Produktion, Konsum und Transport verbunden sind. Genauso gibt es aber auch externen Nutzen. Wenn etwa ein Imker Honig erntet, dann stellt er den damit verbundenen Bestäubungsnutzen seiner Bienen der Allgemeinheit kostenlos zur Verfügung.
Die ökonomische Wunderwaffe zum Umgang mit externen Kosten (bzw. Nutzen) heisst: Internalisieren! Der Staat soll für die «richtigen» Preise sorgen, welche auch die ökologische Wahrheit sagen. Über Steuern, Abgaben oder auch Emissionszertifikate gilt es, die Preise von Gütern so weit zu erhöhen, dass auch die externen Kosten abgedeckt sind. Und umgekehrt soll externer Nutzen durch Zahlungen an dessen Erzeuger abgegolten werden. Wenn man das richtig macht, so die Meinung, dann würde der Markt nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch richtige Anreize setzen.
Wer zahlt, befiehlt
Jetzt müsste man nur noch wissen, wie hoch diese externen Kosten im konkreten Fall jeweils sind. Zu diesem Zweck werden eine Menge Studien in Auftrag gegeben, die dann mit exakten Zahlen aufwarten. Die Resultate hängen aber stark vom Interesse der Auftraggeber ab. Je nach Situation geht es darum, die externen Kosten entweder klein oder gross zu rechnen. Wenn beispielsweise die Automobilindustrie eine Studie zur Berechnung der externen Kosten des Strassenverkehrs in Auftrag gibt, dann werden diese gering ausfallen. Und wenn der Verband öffentlicher Verkehr eine solche Studie in Auftrag gibt, dann werden die errechneten Kosten erheblich höher sein. Wer zahlt, befiehlt.
Bleiben wir einen Moment beim Verkehr. Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) hat tatsächlich vor kurzem die externen Kosten des gesamten motorisierten Verkehrs berechnen lassen und diese belaufen sich gemäss ARE-Studie auf gut 13 Milliarden Franken. Beim CO2-Ausstoss verwendet die ARE-Studie den Kostensatz von 120 Franken pro Tonne CO2. Bei der Organisation Myclimate kann man sich eine Tonne CO2 aber mit 29 Franken und damit viel billiger «kompensieren» lassen. Myclimate hat eben einen Anreiz, den Preis für eine Tonne CO2 tief zu halten. Denn wird dieser zu hoch, werden Flugpassagiere ihren CO2-Austoss nicht mehr freiwillig kompensieren.
Besonders en vogue ist dieses Jahr die Berechnung von externen Kosten in der Landwirtschaft. Denn die Bauern stören aus zwei Gründen. Von grüner Seite werden sie als Umweltsünder angeprangert. Und die Wirtschaft ärgert sich über die Opposition der Bauern bei Freihandelsabkommen. Daraus ergibt sich ein Interesse, den Bauern möglichst hohe externe Kosten anzulasten. Zuerst wartete Avenir Suisse zu Beginn dieses Jahres mit einer Studie auf, in der behauptet wird, dass die Landwirtschaft 20.7 Milliarden Kosten pro Jahr verursacht. Einen wesentlichen Beitrag zu diesem Wert liefern externe Umweltkosten, welche Avenir Suisse mit ein paar Kunstgriffen auf über 7 Milliarden veranschlagte.
Objektive Internalisierung? Gibt es nicht!
Besser begründet sind soeben publizierte Zahlen eines Berichts der Organisation «Vision Landwirtschaft», welche die Landwirtschaft aus ökologischer Perspektive kritisiert. Der Bericht beziffert die externen Kosten mit 3.6 Milliarden Franken, welche aber ganz anders zustande kommen als in der Studie von Avenir Suisse. Während bei Avenir Suisse Biodiversitätsverluste mit mehr als 5 Milliarden den Löwenanteil der externen Kosten ausmachen, kommen diese bei Vision Landwirtschaft gar nicht vor. Den grössten Beitrag liefern dort Ammoniakemissionen mit 1.7 Milliarden Franken.
Doch auch die 3.6 Milliarden sind willkürlich. Noch im Jahr 2016 hatte Vision Landwirtschaft die externen Kosten der Landwirtschaft für das Jahr 2014 mit lediglich 0.9 Milliarden beziffert. Sind diese Kosten also innerhalb von wenigen Jahren um fast 3 Milliarden gestiegen? Die Antwort lautet: Nein! Man hat einfach neue Wege gefunden, die Kosten hoch zu rechnen. Während Vision Landwirtschaft bei den externen Kosten inzwischen «grosszügige» Berechnungen anstellt, ist man bei den gemeinwirtschaftlichen Leistungen und damit dem externen Nutzen der Landwirtschaft (z.B. Pflege der Kulturlandschaft) kleinlich. Diese werden gerade mal mit 1 Milliarde Franken angegeben, obwohl der Bund viel höhere Zahlungen an die Bauern zur Abgeltung dieser Leistungen zahlt. Doch das Interesse lag eben darin, den externen Nutzen klein und die externen Kosten gross zu rechnen.
Was können wir somit daraus schliessen? Studien zu externen Kosten sind in den meisten Fällen interessengeleitete Zahlenspiele, die zu politischen Zwecken eingesetzt werden. Da es keine objektiven Kriterien für die Internalisierung gibt, ist Willkür vorprogrammiert. Das sollte man sich merken.
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