Pharmafirma sucht PräsidentenEin Bierbrauer muss Lonzas Probleme lösen
Heineken-Manager Jean-Marc Huët soll das Präsidium übernehmen. Doch was hat die Produktion von Bier und von Medikamenten gemeinsam?

In einer entscheidenden Phase soll ein Mann aus der Bier- und Nahrungsmittelindustrie die Führung beim Pharma-Auftragsfertiger Lonza übernehmen, wie Lonza am Freitag mitteilte. Jean-Marc Huët ist bislang Präsident bei Heineken. Zuvor war er Finanzchef bei Unilever. Zudem ist er beim niederländischen Catering-Unternehmen Vermaat im Präsidium.
Bier, Lebensmittel, Apéro-Häppchen haben mit der Produktion und Abfüllung von Biotech-Medikamenten viel gemeinsam. Deswegen ist der Vorschlag des Niederländers Huët zur Wahl als Präsident von Lonza nicht ungewöhnlich. Bei beiden Industrien geht es um Fermentationsprozesse und höchste Sauberkeitsanspr¨üche. An der Börse kam der Wechsel gut an: Die Lonza-Aktie legte nach Handelsbeginn mehr als 12 Prozent zu.
Auch im Präsidium vom Medikamentenhersteller Sandoz finden sich Manager aus der Nahrungsmittelindustrie: François-Xavier Roger ist Nestlé-Finanzchef und Urs Riedener kommt von Emmi.
Entlastung für Doppelfunktion
Mit einer Wahl Huëts, der zwar bei niederländischen Konzernen arbeitet, aber in der Schweiz lebt, soll der 71-jährige Albert Baehny entlastet werden. Denn er hat derzeit zwei entscheidende Positionen bei Lonza inne: das Präsidium und die Chefrolle.
Der bisherige Lonza-Präsident Baehny will sich an der Generalversammlung im Mai nicht mehr zur Wiederwahl stellen. Er bleibt jedoch Konzernchef, bis eine Nachfolge für diesen Posten gefunden wurde. Bislang hat er beide Aufgaben in Doppelfunktion inne, da vergangenen September der letzte Chef Lonza plötzlich verliess, da er das Vertrauen zur Anlegerschaft nach einer unvermittelt ausgesprochenen Gewinnwarnung nicht wiederherstellen hatte können. (Lesen Sie mehr: Weltmarktführer Lonza reiht Patzer an Patzer)
Bei der letzten September eingeleiteten Suche nach einem neuen Chef oder einer neuen Chefin geht es vorwärts: Derzeit gibt es acht Kandidierende, sagt Baehny. Im Frühling soll dann die Entscheidung fallen und bekannt gemacht werden. Allerdings dürfte es dann noch bis Ende Jahr dauern, bis die neue Person ihr Amt antritt. Denn sie muss erst kündigen. «In Toppositionen beträgt die Kündigungsfrist 6 Monate», betont Baehny.
Corona-Ende zeigt sich in Zahlen
Die Aufgabe der neuen Führung ist eine besondere: Lonza investiert derzeit mit rund 2 Milliarden jährlich so viel in neue Produktionsanlagen wie nie zuvor, denn der Markt für Biotech-Medikamente wächst. (Lesen Sie unseren Kommentar: Plötzlich in der Weltspitze – und dann damit überfordert.) Aktuell aber schwanken die Aufträge von Pharmafirmen für die Herstellung ihrer Wirkstoffe wegen der Anpassung an die Nachpandemiezeit, was zu Überkapazitäten bei Lonza führt.
Der Umsatz stieg 2023 um 7,9 Prozent auf 6,7 Milliarden Franken. Das ist ein deutlich geringeres Wachstum als im Vorjahr. Im laufenden Jahr wird es noch weniger: Denn die Produktion des Covid-Impfstoffs von Moderna fällt weg. Sie machte zuletzt 500 Millionen aus und wird 2024 null betragen.
Die neue Führung muss gegen eine Umsatz-Schrumpfung ankämpfen. Lonza stellt sich für 2024 auf ein «flaches Umsatzwachstum» ein. Dies ist zwar eine Stagnation, bedeutet aber, dass neue Kunden und Projekte gefunden werden müssen, um den Moderna-Wegfall wenigstens auszugleichen. Dies hat letztes Jahr schon funktioniert. «Deshalb gab es keine Entlassungen in der Biotech-Produktionsanlage in Visp, die Mitarbeitenden konnten von der mRNA-Wirkstoffproduktion für den Covid-Impfstoff an anderen Herstellungslinien beschäftigt werden», sagt Baehny.
Weltweit stieg die Zahl der Lonza-Mitarbeitenden vergangenes Jahr um 3 Prozent auf 18’000. Laut Baehny geht der Trend auch dieses Jahr weiter in Richtung Stellenaufbau, in der Produktion wie auch in der Verwaltung. «Wir haben da kontinuierlichen Bedarf.»
Auch dieses Jahr 2 Milliarden für neue Produktionsanlagen
Der Gewinn bei Lonza brach allerdings ein: Er betrug noch 655 Millionen Franken nach 1,22 Milliarden im Vorjahr. Wegen hohen Wettbewerbsdrucks und niedriger Rendite schliesst Lonza sein Werk in China. «Chinesen bevorzugen chinesische Firmen», so Baehny. Aber auch durch eine Werkschliessung in den USA fallen Kosten und Abschreiber an und belasten den Gewinn.
Die Investitionen in neue Produktions- und Abfüllanlagen weltweit laufen aber weiter und sollen auch dieses Jahr knapp 2 Milliarden Franken betragen. Lonza investiert vor allem in Biotech-Produktionsanlagen, bei denen Säugetierzellen oder Bakterien Antikörper-Medikamente herstellen.
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