Probleme beim PharmazuliefererWeltmarktführer Lonza reiht Patzer an Patzer
Gewinnwarnungen, Börsenabsturz, Fehler bei der Chefauswahl: Dem Schweizer Biotechhersteller passieren eine Reihe von Missgeschicken. Was ist da los?

Lonza ist in kurzer Zeit zum weltgrössten Pharmazulieferer aufgestiegen. Mit Milliarden baute der Konzern im Wallis ein Biotech-Valley auf, das mit der Produktion des Covid-Impfstoffes berühmt wurde. Jetzt, wo sich zeigen muss, ob der Wachstumsplan aufgeht, reihen sich Patzer an Patzer. An einfachsten Aufgaben scheitert der Konzern.
Das drängendste Problem: Lonza sucht nach einem neuen Chef oder einer Chefin. Dem Konzern gelang es dreimal hintereinander nicht, die Stelle so zu besetzen, dass die Person nicht abrupt gehen muss.
«Wir merken, dass viele Investoren warten, bis eine angemessene neue Chefin oder ein Chef ernannt ist und 2024 das Vertrauen in die Aktie wiederherstellen kann», schreiben die Finanzanalysten der US-Investmentbank Jefferies.
Der letzte Lonza-Chef, Pierre-Alain Ruffieux, musste den Konzern verlassen, weil er vergangenen Juli die Anlegerschaft mit einer Gewinnwarnung verschreckte. Sein Vertrauen war nicht mehr zu retten. Sein Patzer: Er hatte nur wenige Wochen zuvor seine Jahresziele bestätigt und musste dann eingestehen, dass Lonza seine angepeilte Gewinnmarge nicht erfüllen kann. Die Aktie sackte in den Keller – und hat sich bis heute nicht erholt.
Nach drei plötzlichen Abgängen an der Spitze in kurzer Folge steht jetzt der Verdacht im Raum, dass Lonza-Präsident Albert Baehny den Konzern nicht loslassen kann und zum Chef-Schreck geworden ist.
Mit 71 Jahren hat Baehny derzeit auch die operative Führung inne. Er gehört zu den prägenden Wirtschaftslenkern der Schweiz: Den Sanitärskonzern Geberit machte er gross, heute ist die Firma ebenso wie Lonza im Schweizer Leitindex SMI gelistet. Lonza baute Baehny vom einfachen Chemieunternehmen zu einem Konzern um, der mRNA-Impfstoffe herstellt genauso wie Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, die zur zielgerichteten Behandlung von Krebszellen eingesetzt werden.

Von Wegbegleitern wird Baehny zwar als klare Führungspersönlichkeit beschrieben, die jedoch grossen Wert auf respektvollen Umgang legt. Bei Geberit baute er seine interne Nachfolge für den Chefposten von langer Hand auf und mischt sich als Verwaltungsratspräsident nicht ins operative Geschäft, wie es heisst. Baehny sei zudem fehlertolerant und bescheiden. Bei Geberit etwa esse der Verwaltungsrat in der Sitzungspause in der Kantine zwischen einfachen Angestellten zu Mittag.
Es ist wohl eher so, dass bei Lonza unpassende Kandidaten auf den Chefsessel kamen. Diese Fehlgriffe aber verantwortet der gesamte Verwaltungsrat respektive sein Nominierungsausschuss. Dazu gehört Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder.
Die neuerliche Chefsuche erfolgt in einer für den Konzern schwierigen Zeit, denn vergangenen Oktober passierte ein weiterer Patzer: Der Konzern musste eine zweite Gewinnwarnung herausgeben. Bei der für Anlegerinnen und Anleger wichtigen Profitabilität vor Steuern, Zinsen und Amortisierungen erwartet Lonza 2023 unter 30 Prozent des Umsatzes. Die Aktie sackte noch tiefer in den Keller.
Den Grund für die Gewinnwarnung hätte Lonza voraussehen können: Moderna kündigte seinen Impfstoffauftrag, der Bedarf sank rapide, und die eigenen Produktionsanlagen des US-Unternehmens reichen nun aus. Für Modernas vorzeitigen Ausstieg erhält Lonza immerhin 200 Millionen Franken. Hinzu kommt ein Restumsatz mit dem mRNA-Wirkstoff für 2023 von 300 Millionen.

Um neue Aufträge muss sich Lonza keine Sorgen machen. Die Branche boomt, inzwischen lassen auch grosse Pharmakonzerne wie Roche oder Novartis vermehrt bei spezialisierten Pharmazulieferern produzieren. Zum Teil weil die Produktion immer anspruchsvoller wird. Zum Teil stellen sie so ihre Lieferketten breiter auf und machen sie so stabiler.
Bei Investitionen auf Turbokurs
Riskant für Lonzas Profitabilität sind aber seine hohen Investitionen. Der Umsatz wächst zwar jährlich um mehr als 10 Prozent. Aber jedes Jahr steckt der Konzern rund 2 Milliarden Franken oder 30 Prozent seiner Erlöse in den Bau neuer Produktionsanlagen.
Der Schweizer Pharmazulieferer Siegfried, der viel kleiner, aber bei der Produktion klassisch hergestellter Wirkstoffe weltweit führend ist, investiert lediglich 10 bis 12 Prozent seines Umsatzes und bleibt damit auf der sicheren Seite. Auch er steigt mit der Herstellung von viralen Vektoren für Gentherapien in die Biotechproduktion ein. Dabei werden die Wirksubstanzen nicht mehr chemisch, sondern durch genmanipulierte Zellen hergestellt.
Lonza dagegen ist bei seinen Investitionen auf Turbokurs. Der Konzern baut extra Überkapazitäten für die Medikamentenproduktion und -abfüllung auf, die die Gewinnmarge belasten. Nur so aber kann er auf neue Aufträge schnell reagieren. Im Pharmaauftragsgeschäft ist dies entscheidend, wie sich während der Pandemie gezeigt hat: Ohne flexible weltweite Kapazitäten hätte Lonza den Impfstoffauftrag von Moderna nie bekommen.
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