Vier Wechsel in vier Jahren Lonza sucht schon wieder einen neuen Chef
Beim weltgrössten Pharmazulieferer übernimmt erneut der 71-jährige Albert Baehny. Der Konzern schafft es nicht, seine Führung so zu besetzen, dass sie bleibt.
Albert Baehny wird dieses Jahr 71, und praktisch über Nacht ist er zum ältesten Konzernchef der Schweiz geworden. Nach dem plötzlichen Abgang des bisherigen Lonza-Chefs Pierre-Alain Ruffieux übernimmt Verwaltungsratspräsident Baehny erneut die Doppelführung des Medikamentenherstellers. Schon 2019 hatte er das getan und dann in der Corona-Pandemie den Auftrag für die Herstellung des Impfstoffs für Moderna eingefädelt und Visp zur Biotech-Produktionsanlage Europas ausgebaut.
Baehny, der zugleich auch weiter als Verwaltungspräsident beim Sanitärhersteller Geberit arbeitet, ist unbestritten Mr. Lonza, doch der Konzern hat ein Führungsproblem. Der frühere Roche-Manager Ruffieux geht nach nicht einmal drei Jahren. Davor hatten sich schon zwei andere Konzernchefs die Türklinke nur innerhalb von Monaten in die Hand gegeben.
Lonza schafft es nicht, ihren wichtigsten Posten so zu besetzen, dass die Führung auch bleibt. Dies ist für einen Konzern, der ähnlich wie die Pharmaindustrie langfristig planen muss, problematisch.
Absturz an der Börse
Lonza forscht und entwickelt nicht selbst Medikamente, sondern stellt für Pharmafirmen Wirkstoffe her. Die Pharmaindustrie selbst lagert dies immer mehr an Auftragshersteller aus. Wichtig ist für Firmen wie Lonza dabei, benötigte Kapazitäten richtig zu planen und zu managen und bei neuen Technologien dabei zu sein.
«Die Zeit unter Baehny im Jahr 2019/20 wirkt rückblickend wie die beste der vergangenen fünf Jahre», kommentiert Finanzanalyst Daniel Buchta von der Zürcher Kantonalbank. Er begrüsst Baehnys Doppelrolle für den Übergang, bis eine neue operative Führung gefunden ist. Die Börse teilt Buchtas Freude hingegen nicht: Die Lonza-Aktie sackte am Montag um 10 Prozent ab.
Was Anleger fürchteten, seien versteckte operative Probleme, sagt Finanzanalystin Sibylle Bischofberger. Es war jedoch eher die mangelnde Kommunikation von Ruffieux intern wie auch gegenüber den Investorinnen und Investoren, die zu seinem Abgang führte, wie aus dem Umfeld des Lonza-Verwaltungsrats zu hören ist.
Lonza ist auf immensem Expansionskurs. Der Konzern hat nicht nur im Zuge der Impfstoffherstellung während der Pandemie in neue Anlagen investiert, sondern auch schon davor wie danach seine Kapazitäten vor allem im Biotechbereich hochgefahren. Auch im laufenden Jahr hält Lonza die Investitionen weiter bei 30 Prozent des Umsatzes. Das sind rund 2 Milliarden Franken.
Erst Beruhigung, dann Gewinnwarnung
Für das Management bedeutet dies eine doppelte Herausforderung: Die neuen Anlagen müssen in Betrieb genommen und Hunderte neue Fachkräfte eingestellt werden. Zugleich braucht es neue Aufträge.
Damit hatte es dieses Jahr Probleme gegeben. Lonza musste im Juli mit einer Gewinnwarnung aufschrecken. Dies nachdem der bisherige Konzernchef Ruffieux noch Anfang Mai die Jahresziele bestätigt hatte. «Ungeschickt», nennt Bankanalyst Buchta diese Kommunikation.
Grund für Lonzas aktuelle Probleme ist das Marktumfeld: Wie erwartet geht die Produktion des Covid-Impfstoffs zurück. Aber auch Aufträge von Biotechfirmen für die Herstellung von Wirkstoff für die Entwicklung neuer Medikamente harzen. Denn sie streichen ihre Projekte aus Spargründen zusammen.
Ausserdem stellt Lonza Kapseln für Nahrungsergänzungsmittel her. In diesem für den Konzern lukrativen Geschäft mit hohen Margen nimmt die Zahl der Aufträge im Moment aber ab. Denn vor allem in den USA nehmen die Verkäufe ab, was laut Lonza nicht daran liegt, dass die Leute weniger Vitamine und Mineralien einnehmen, sondern dass die Händler ihre während der Pandemie aufgestockte Lager abbauen.
Nun muss Baehny mit der Suche nach einer neuen Führung beginnen. Und will in den kommenden Monaten «für weiteres Wachstum in allen Geschäftsbereichen sorgen», wie es in der Medienmitteilung heisst. Auf dem Investorentag am 17. Oktober in Visp wird er den Investoren neue Ziele bis 2027 präsentieren. Die muss dann eine neue Chefin oder ein neuer Chef umsetzen.
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