Ticker Nationalratswahl ZürichDie Mitte ist Wahlsiegerin, SP und EDU gewinnen, GLP und Grüne verlieren
Der Zürcher Wahlkrimi ist entschieden: Im Schlussspurt gab es noch überraschende Abgewählte und vor allem unvermutete Neugewählte.
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Das Wichtigste in Kürze:
Die Mitte hat bei den Nationalratswahlen im Kanton Zürich zwei zusätzliche Sitze geholt. SP und EDU gewinnen je einen Sitz. Die GLP verliert zwei Sitze, die Grünen einen.
Prominente Abgewählte sind Meret Schneider (Grüne) und Therese Schläpfer von der SVP. Auch Jörg Mäder und Judith Bellaiche (beide GLP) verlieren ihr Mandat.
Neu im Rat sind unter anderen Aktivistin Anna Rosenwasser und Islam Alijaj (beide SP), Nina Fehr Düsel (SVP) und Nicole Barandun (Mitte).
Die Wahlbeteiligung betrug 46,95 Prozent.
SVP in fast allen Gemeinden top
Derzeit sind im Kanton 127 Gemeinden ausgezählt. Bis in zwei Gemeinden schwingt die SVP als wählerstärkste Partei obenaus. Einzig in Kilchberg und Zumikon erzielte die FDP am meisten Wähleranteile.
Dennoch erreichen die SP und vor allem die Die Mitte gemäss jüngster Hochrechnung am meisten zusätzliche Wähleranteile.
Ihre Anteile dürften sich noch erhöhen, denn die Städte Zürich und Winterthur – beide links orientiert – sind noch nicht ausgezählt.
Erste Analyse von Chef-Analyst Peter Moser
Peter Moser ist im Kanton Zürich seit über 20 Jahren an Wahlsonntagen Herr der Zahlen. Als Leiter Analyse im Statistischen Amt des Kantons ist er verantwortlich für die Hochrechnungen und die Interpretation der Wahlresultate. Trotz des deutlichen Wahlerfolgs der SVP und der Niederlage der Grünen sagt er vor den Medien: «Die Verschiebungen sind minim – wie es sich gehört für ein stabiles politisches System.»
Den Erfolg der Mitte erklärte Moser vor allem mit der Fusion der CVP mit der BDP. Klar könne man sagen, dass die EDU davon profitiert hat, dass sie mit den Massnahmenkritikern von Mass-Voll und Aufrecht eine Listenverbindung eingegangen ist. Die christlich-konservative Traditionspartei dürfte in Zürich einen Sitz gewinnen. Ob das der zusätzliche 36. Sitz ist, den der Kanton Zürich in diesem Jahr aufgrund des Bevölkerungswachstums erhält, könne man aber nicht sagen.
Ebenfalls keine Aussage konnte Moser zum jetzigen Zeitpunkt zur Listenverbindung FDP/SVP machen, welche die beiden Parteien letztmals 2007 eingegangen sind.
Bemerkenswerte Personalia
Es könnte zu überraschenden Personalien kommen. So hat Kantonsrätin Nina Fehr Düsel auf der SVP-Liste den Parteipräsidenten Domenik Ledergerber überholt. Sie dürfte in die Fussstapfen ihres Vaters Hans Fehr treten, der früher im Nationalrat politisiert hatte. Kantonsrat Martin Hübscher wiederum kann sich auf ein glänzendes Resultat freuen: Er landet – Stand jetzt – mit Startnummer 10 auf Rang 7 der SVP-Liste.
Ebenfalls bemerkenswert ist das sehr gute Abschneiden von SP-Kandidat Islam Alijaj. Der Zürcher Gemeinderat, der im Rollstuhl sitzt, hat mit einem intensiven Wahlkampf drei Ränge gutgemacht und überholt zum Beispiel Juso-Präsident Nicola Siegrist oder Sibylle Marti, Co-Fraktionspräsidentin der SP im Kantonsrat. Alijaj gehörte zu den Top Ten der Schweiz, was das Wahlbudget betrifft. Er deklarierte bei der Finanzkontrolle Gesamteinnahmen von 195'700 Franken.
Angeführt wurde die Liste vom EVP-Politiker aus Teufen im Zürcher Unterland Donato Scognamiglio, der es nun hinter Nik Gugger auf den zweiten Platz der EVP-Liste bringt. Ansonsten hatten vor allem Freisinnige hohe Wahlbudgets.
Auch speziell ist, dass Konrad Langhart den dritten Mitte-Nationalratssitz holen könnte. Langhart war vor viereinhalb Jahren noch Präsident der SVP Kanton Zürich, trat aber nach einer Wahlniederlage und anschliessender Kritik von Christoph Blocher zurück und etwas später aus der SVP aus. Er schloss sich im Kantonsrat der CVP-Fraktion an, ein Jahr später trat er der Mitte bei. (Nachtrag: Gemäss Hochrechnung von 16.10 Uhr ist Langhart von Yvonne Bürgin überholt worden, welche die Mitte-Fraktion im Kantonsrat präsidiert.)
Ebenfalls bemerkenswert ist, dass die Grüne Katharina Prlicz-Huber vor ihrer zweiten Abwahl steht. Die Zürcher Ex-Stadtratskandidatin war bereits 2011 aus dem Nationalrat abgewählt worden.
SP holt auf
Die Prognose von SVP-Kantonalpräsident Domenik Ledergerber dürfte sich bewahrheiten: Die SVP gewinnt doch nicht so viele Wahleranteile, wie es die erste Hochrechnung vorausgesagt hatte. Gemäss der jüngsten Hochrechnung dürfte sie nur noch 1,5 Prozentpunkte mehr erreichen.
Im Aufwärtstrend ist die SP. Sie legt 1,6 Prozent zu. Unbestritten siegreich ist die Die Mitte mit 3 Prozent.
Weiter auf dem Abwärtstrend sind die GLP (-1,4 Prozent), FDP (-1,2 Prozent) und die Grünen (-5,4 Prozent).
EVP (- 0,4 Prozent) und EDU (-0,1 Prozent) bleiben stabil. Mass-voll gewinnt knapp 1 Prozent dazu.
Das ergäbe folgende Sitzverteilung:
2. Hochrechnung: Walliser bleibt drin
Laut der Hochrechnung von 15.10 Uhr ist Bruno Walliser wieder unter den Gewählten – auf Kosten von Kantonsrätin Romaine Rogenmoser.
Die ersten Personalien
Das dürften nach der ersten Hochrechnung die Gewählten sein:
Das die Abgewählten:
Acht neue Zürcher Nationalratsmitglieder
Gemäss Hochrechnung schaffen es folgende Kandidierenden neu in den Nationalrat:
Martin Hübscher (SVP)
Nina Fehr Düsel (SVP)
Romaine Rogenmoser (SVP)
Michèle Dünki-Bättig (SP)
Islam Alijaj (SP)
Nicole Barandun (Die Mitte)
Konrad Langhart (Die Mitte)
Erich Vontobel (EDU)
Stand jetzt: 4 Abgewählte
Laut der Hochrechnung kommt es zu einem Sesselrücken in der Zürcher Delegation.
Abgewählt sind, Stand jetzt:
Bruno Walliser (SVP)
Katharina Prelicz-Huber (Grüne)
Meret Schneider (Grüne)
Judith Bellaiche (GLP)
Was laut dem Chefanalytiker des Kantons schon klar ist
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SVP gibt sich vorsichtig
Plus 3,3 Prozent: Die erste Hochrechnung verspricht der Zürcher SVP einen grossen Zuwachs. Verschreien wollen die Parteichefs aber noch nichts. Er sei «verhalten optimistisch», sagt Parteipräsident Domenik Ledergerber – und er erinnert an den Dämpfer bei den Kantonsratswahlen dieses Jahr: Da war die erste Hochrechnung ähnlich vielversprechend für die Volkspartei gewesen, am Schluss schaute aber nur ein Plus von 0,5 Prozent heraus.
Die Partei habe den Finger auf die Wunde gelegt, sagt Ledergerber. «Die Bevölkerungsexplosion, die unsichere Stromversorgung und die unbefriedigende Energiestrategie beschäftigen die Bevölkerung.» Die SVP habe diese Probleme benannt und Lösungen aufgezeigt.
Martin Hübscher, Fraktionspräsident im Kantonsrat, pflichtet bei: «Wir haben im Wahlkampf gemerkt, dass die Menschen viel offener für die SVP geworden sind.» Anders als vor vier Jahren: Damals habe die grüne Welle nicht zuletzt auch die SVP-Basis verunsichert, weil einzelne Parteiexponenten als Klimaskeptiker wahrgenommen worden seien.
Die Trends für die Sitze
Gemäss der Hochrechnung zur Sitzverteilung im Nationalrat gewinnt Die Mitte zwei Sitze (neu 3 Sitze), die SVP und SP kommen auf einen Sitz mehr. Die SVP hätte dann 11 Sitze, die SP 8 Sitze.
GLP und FDP müssen einen Sitz abgeben (GLP: 5 Sitze, FDP: 4 Sitze), die Grünen verlieren zwei Sitze (neu 3 Sitze).
Die EDU gewinnt einen Sitz. Die EVP kann ihren Sitz halten.
Grünen-Präsidentin: «Schlechte Nachricht für den Klimaschutz»
Mit einem Taucher um 5,3 Prozentpunkte sieht es gemäss erster Hochrechnung schlecht aus für die Grünen. Co-Präsidentin Selma L'Orange Seigo spricht in einer ersten Reaktion von einem «schmerzhaften Resultat». Sie sorgt sich vor allem darum, dass die grünen Themen an Einfluss verlieren werden. «Es ist eine schlechte Nachricht für den Klimaschutz», sagt L'Orange Seigo.
Als Grund für das schlechte Resultat sieht sie eine schlechte Mobilisierung der Grünen-Wählerinnen und -Wähler. Politische Fehler sieht die grüne Co-Präsidentin keine. «Vielleicht haben wir zu schlecht erklärt, warum die Klimafrage für alle Menschen sehr wichtig ist.»
Dass die Klimakleber den Grünen geschadet haben könnten, glaubt L'Orange Seigo nicht. Umgekehrt hätten aber die Klimastreiks vor vier Jahren sehr geholfen. Einziger Trost für die Grünen: Sie haben – immer noch laut erster Hochrechnung – weniger verloren als vor vier Jahren gewonnen. Damals legten sie um 7,2 Prozent zu (auf 14,1 Prozent).
SVP legt zu, SP stabil, FDP und Grüne verlieren
Laut der ersten Hochrechnung des Kantons Zürich steht die Siegerpartei der Wahlen 2023 fest: Die SVP dürfte um 3,3 Prozentpunkte an Wähleranteilen zulegen. Die Mitte legt um 1,9 Prozent zu. Die SP kann ihren Wähleranteil halten (+0,2 Prozent).
Zu den Verliererparteien gehört die GLP. Sie verliert minim (-0,7 Prozent). Die FDP verlieren 1,9 Prozent. Enttäuschend dürften die Wahlen für die Grünen werden: minus 5,3 Prozent.
Die EVP schient stabil zu bleiben (-0.1 Prozent), die AL gewinnt 0,2 Prozent, die EDU 0,1 Prozent und Mass-voll 0,6 Prozent.
Kleingruppierungen helfen der EVP
Wer sich in die Niederungen der bisherigen Resultate begibt, stösst auf interessante Details. So könnte die EVP von ihren Listenverbindungen profitieren. Die digital-liberale Allianz (inkl. Piratenpartei) und die Pflegeliste bringen zusammen immerhin 0,7 Prozent auf die Waage. Dazu kommen noch die Ethischen Unternehmer:innen (mit Saïda Keller-Messahli; 0,2 Prozent). Die EVP selber bleibt – Stand nach 42 ausgezählten Gemeinden – stabil.
Grüne auf dem Verliererplatz
Nach 42 ausgezählten Gemeinden führen die Grünen die Rangliste bezüglich Wähleranteile an – jedoch jene im Minusbereich. Über 3 Prozentpunkte an Wähleranteilen verliert die Partei in den Landgemeinden. Damit dürfte sie den Erfolg von 2019 wohl tatsächlich nicht wiederholen können.
EDU vor Aufrecht und Mass-voll
Jetzt sind 33 Gemeinden ausgezählt. Die Mitte, SVP und SP sind bisher die klaren Gewinner, FDP, GLP und vor allem die Grünen büssen Wähleranteile ein.
Interessant auch wegen der Eroberung des 36. Sitzes: Auf der Rechtsaussen-Listenverbindung, welche wohl einen Sitz holen wird und auf der unklar ist, welche Partei oder Gruppierung ihn holt, liegt die EDU (2,4 Prozent) vor Aufrecht (1,58) und Mass-voll (0,76).
SP siegreich auf dem Land
Nun sind weitere 13 Landgemeinden im Kanton Zürich ausgezählt. Dabei zeigt sich: Die SVP legt nur noch um 0,65 Prozent zu, die SP 1,50 Prozent. Nach wie vor siegreich ist auch Die Mitte mit 2,46 Prozent mehr Wähleranteilen.
Auch in diesen Gemeinden verlieren die GLP (-1,99 Prozent) und die Grünen (-2,96 Prozent). Die FDP gibt ebenfalls knapp ein Prozentpunkt Wähleranteile ab.
Erste Tendenzen in Landgemeinden
Zwei Zürcher Gemeinden sind bereits ausgezählt: Otelfingen und Stadel. Das ergibt Hinweise auf erste Tendenzen im Kanton Zürich. In den beiden Gemeinden legen die SP und die SVP um rund 2 Prozentpunkte zu, die Grünen und die GLP verlieren um die 3 Prozent. Die FDP verliert einen guten Prozentpunkt, und Die Mitte legt um 3 Prozent zu. Mass-voll holt im den beiden Unterländer Gemeinden 1,4 Prozent der Wählerstimmen, Aufrecht 0,75 Prozent.
Vorläufige Stimmbeteiligung
Noch steht erst die Stimmbeteiligung per brieflicher Abgabe fest. Die Stadt Zürich hat bis gestern Samstag eine Wahlbeteiligung von 47 Prozent vermeldet. Vor vier Jahren lag die Wahlbeteiligung am Schluss bei 47,46 Prozent. Diesen Wert dürften die Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher wohl übertreffen, sieht man sich die Schlange vor der Wahlurne beim Stadthaus an.
In Winterthur betrug die Wahlbeteiligung am Freitag 40,8 Prozent. Vor vier Jahren nutzten 47,06 Prozent ihr Wahlrecht.
Im ganzen Kanton lag die Stimmbeteiligung 2019 bei 44,44 Prozent, 2015 bei 47,3 Prozent.
Die definitive Wahlbeteiligung wird der Kanton erst im Laufe des Nachmittags kommunizieren.
Rimoldi vor den Wahlen in Polizeihaft
Einen ungewöhnlichen Vortag der Wahlen hat der Krawall-Politiker von Mass-voll, Nicolas A. Rimoldi, verbracht. Er organisierte in Basel eine Demonstration, obwohl er wusste, dass die Behörden dies untersagt hatten. Die Polizei führte Rimoldi ab und schützte ihn dabei mit einem Regenschirm vor fliegenden Tomaten, die Gegendemonstranten auf ihn warfen.
Gemäss seinen eigenen Angaben, soll er sich danach sieben Stunden lang in Polizeihaft befunden haben. Er hatte eine etwas andere Sicht auf die Realität und sprach davon, er habe nur eine «legale Demo» gewollt.
Glück hatte er, dass die Polizei ihn nicht länger festsetzte, denn der Aktivist, der mit Rechtsextremen sympathisiert, hatte noch nicht gewählt. So vermeldete er am Sonntagmorgen vor 9 Uhr, er werde jetzt an die Urne gehen.
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