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Leitzins steigt auf 1,75 Prozent
Nationalbank erhöht die Zinsen schon wieder – das sind die Folgen

Das hat Konsequenzen für die Schweizer Mietpreise: Die Nationalbank erhöht den Leitzins auf 1.75 Prozent.
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Die Schweizerische Nationalbank (SNB) erhöht ihren Leitzins um 0,25 Prozent auf 1,75 Prozent. Seit letztem Sommer, als sie die Zinsschraube erstmals seit 15 Jahren wieder angezogen hatte, ist dies bereits die fünfte Erhöhung in Folge.

Der Leitzins ist der Zinssatz, zu dem sich Banken bei der Zentralbank Geld leihen können. Alle anderen Zinsen – für Hypotheken, Firmenkredite, Anleihen – richten sich nach ihm aus.

Warum erhöht die Nationalbank den Leitzins?

Die Nationalbank will damit die Inflation bekämpfen. Höhere Zinsen wirken bremsend auf die Wirtschaft. Sie dämpfen beispielsweise über höhere Kreditkosten die Investitionen der Unternehmen und über teurere Hypotheken die Nachfrage nach Häusern und Wohnungen.

Die Inflation ist zwar bereits von 3,4 Prozent im Februar auf 2,2 Prozent im Mai gesunken. Aber sie liegt damit immer noch zu hoch: Die Nationalbank verfolgt das Ziel der Preisstabilität und versteht darunter einen jährlichen Anstieg der Konsumentenpreise zwischen 0 und 2 Prozent.

Tempo und Ausmass der Zinserhöhungen sind im historischen Vergleich aussergewöhnlich. Vor 13 Monaten war der Leitzins in der Schweiz noch negativ, bei -0,75 Prozent. Es handelt sich damit um den schnellsten Zinserhöhungszyklus seit mehr als 30 Jahren.

Das Vorgehen der Nationalbank gleicht dem anderer Notenbanken. Vor einer Woche hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins ebenfalls um 0,25 Prozent angehoben. Die US-Zentralbank Fed dagegen liess ihren Leitzins unverändert, bezeichnete dies jedoch als «Pause» und deutete an, möglicherweise beim nächsten Zinsentscheid eine Erhöhung vorzunehmen. Auch die Zentralbanken Englands, Kanadas und Australiens haben ihre Leitzinsen zuletzt stark angehoben.

Was bedeutet der Entscheid für die Sparerinnen und Sparer?

Die Banken erhöhen die Zinsen auf Sparkonten nach den Zinsschritten der Nationalbank nur sehr zögerlich. Während der Leitzins seit Mai 2022 um 2,5 Prozentpunkte gestiegen ist, erhöhten die Banken den Zins auf Spareinlagen gemäss SNB-Statistik im Schnitt bloss um 0,3 Prozent.

Der Wettbewerb scheint bei den Sparkonten nur beschränkt zu spielen, wohl weil die Kunden kaum auf Zinsänderungen reagieren und ein Bankwechsel zu viel Aufwand verursacht.

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Zieht man vom durchschnittlichen Sparzins auf dem Bankkonto die Inflation ab, legten Sparerinnen und Sparer in den letzten Monaten 2 bis 3 Prozent drauf. So schlecht waren die Zeiten für Sparer zuletzt in den Hochinflationsphasen der 1970er-Jahre und in der zweiten Hälfte 1981. Denn Inflation wirkt wie eine Steuer auf das Halten von Bargeld und Sparkonten. Bei der aktuellen Inflationsrate ist das Guthaben auf der Bank nach etwa 30 Jahren nur noch halb so viel wert.

Das ärgert den Schweizerischen Konsumentenschutz. Er fordert mehr Zins auf Sparkonten. Die Banken müssten nun rasch reagieren, heisst es in einer Mitteilung vom Donnerstagmorgen unmittelbar auf den SNB-Entscheid. Ein aktueller Vergleich der Zinssätze bei verschiedenen Banken zeige grosse Unterschiede. 

Bei einer Einlage von 75'000 Franken würden derzeit die Luzerner Kantonalbank und die St. Galler Kantonalbank mit 0,8 Prozent die attraktivste Verzinsung bieten, so der Konsumentenschutz. Auch kleinere Banken würden teilweise mehr Zins bieten. Bessere Konditionen gibt es laut Konsumentenschutz ausserdem oft bei Jugend-, Senioren-, Mitglieder- oder Anlagesparkonten.

Was bedeutet der Zinsentscheid für Hypothekarnehmer?

Im laufenden Monat sind die Hypothekarzinsen leicht gestiegen, vor allem für kurzfristige Laufzeiten. Festhypotheken kosten zurzeit im Schnitt etwas unter 3 Prozent, und zwar für alle Laufzeiten praktisch gleich viel. Dass eine einjährige Festhypothek praktisch gleich viel kostet wie eine zehnjährige, ist sehr ungewöhnlich.

Der Grund: Die Schweizer Zinskurve hat sich umgekehrt. Seit Ende Mai liegt die Rendite zehnjähriger Bundesobligationen tiefer als die Rendite von zweijährigen. Entsprechend hat sich auch die Kurve bei den Zinssätzen umgekehrt, zu denen sich die Banken Kapital beschaffen, um ihre Hypothekarkredite zu finanzieren. Das Phänomen, dass die langfristigen Zinsen tiefer sind als die kurzfristigen, wird als «inverse Zinskurve» bezeichnet und wird oft als Hinweis auf eine bevorstehende Rezession interpretiert.

Der Kurzfristzinssatz Saron wird von der Nationalbank zur Durchsetzung ihrer Geldpolitik möglichst nahe am Leitzins gehalten. Für die Saron-Hypothek rechnet die Bank eine Marge von 0,8 bis 1 Prozent dazu. Ihr Zinssatz stieg deshalb in den letzten zwölf Monaten im Gleichschritt mit dem Leitzins stark an und rückte ungewöhnlich nahe an die Zinssätze der Festhypotheken heran. Mit dem aktuellen Zinsschritt werden Saron-Hypotheken nun nochmals teurer werden.

Welches sind die Folgen für Mieterinnen und Mieter?

Eine Leitzinserhöhung erhöht die Hypothekarzinsen – und indirekt auch die Mieten. Denn aufgrund der bereits erfolgten Zinserhöhungen wurde auf Anfang Juni der hypothekarische Referenzzinssatz, der aus dem Durchschnitt der Zinssätze aller inländischen Hypothekarkredite berechnet wird, erstmals um 0,25 Prozent angehoben.

Gemäss Mietrecht dürfen nun Vermieter die Mieten ab Herbst um 3 Prozent erhöhen. Allerdings nur dort, wo vorherige Mietzinssenkungen an die Mieterschaft weitergegeben wurden. Ausserdem können Vermieter die aufgelaufene Teuerung an die Mieter weitergeben.

Viele Bestandsmieten werden deshalb im Herbst erhöht werden, je nach Vertragsdauer in der Grössenordnung von 3 bis 5 Prozent, schätzt die KOF, die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich.

Haben die Zentralbanken die Inflation damit besiegt?

So klar lässt sich das nicht beantworten. Zwar hat die Inflation in den letzten Monaten fast überall spürbar nachgelassen, sie ist aber weiterhin deutlich zu hoch. Der Arbeitsmarkt läuft rund, die Löhne steigen.

Das Fed hat deshalb weitere Zinserhöhungen in Aussicht gestellt. Die Geldpolitik der EZB war bis anhin wenig restriktiv. «Wir sind nicht am Ziel», sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde vor einer Woche. Die Inflation im Euroraum kommt gemäss EZB-Prognose erst 2025 wieder unter den Zielwert von 2 Prozent.

Besser sieht die Ausgangslage für die Schweiz aus. Im nächsten Jahr soll die Inflation gemäss KOF auf 1,5 Prozent zurückgehen. Sie läge damit wieder dort, wo die Nationalbank sie haben will: zwischen 0 und 2 Prozent.

Aber zuerst wird der neueste Zinsentscheid der Nationalbank zu einer weiteren Anhebung des Referenzzinssatzes führen. Weil die Wohnungsmieten im Landesindex der Konsumentenpreise ein Gewicht von rund 19 Prozent haben, wird dieser Anstieg die Teuerung in der Schweiz nochmals anheizen. Würden alle Mieten um 5 Prozent steigen, würde dies die Inflation um 1 Prozent erhöhen, selbst wenn alle anderen Preise konstant blieben.

Die KOF geht in ihrer Prognose davon aus, dass die Inflation im Jahr 2024 etwa zur Hälfte durch die Mietzinserhöhungen verursacht werden wird.

Einen leichten Teuerungsschub gibt es ausserdem auf Anfang 2024, weil die Mehrwertsteuer von 7,7 auf 8,1 Prozent erhöht wird.

«Die Inflation ist ein zäher Prozess, den die Zentralbanken noch nie genau kontrollieren konnten.»

Ernst Baltensperger, Geldtheoretiker

Der bisherige Rückgang der Inflation ist zudem nur zum Teil der Geldpolitik zu verdanken. Der Einfluss der Zentralbanken auf die Inflation werde überschätzt, sagt der Ökonom und frühere Nationalbankmitarbeiter Adriel Jost. Wichtiger waren der Rückgang der Energie- und Transportkosten und die Auflösung der Lieferengpässe.

Nach Lehrbuch wirken Zinserhöhungen mit einer Verzögerung von 9 bis 24 Monaten auf das Preisniveau. Das Fed machte den ersten Zinsschritt im März und die EZB im Juli 2022 – ihre Wirkung ist also noch nicht vollständig in der Wirtschaft angekommen.

«Die Inflation ist ein zäher Prozess, den die Zentralbanken noch nie genau kontrollieren konnten», schreibt der renommierte Geldtheoretiker Ernst Baltensperger, emeritierter Wirtschaftsprofessor an der Universität Bern, in einem kürzlich veröffentlichten Beitrag in der Zeitschrift «Swiss Journal of Economics and Statistics».

«Meines Erachtens besteht die grosse Gefahr, dass die Zentralbanken zu früh die Zügel lockern, sodass die Inflation zwar von ihrem derzeitigen hohen Niveau zurückgeht, aber bei einer Rate hängen bleibt, die immer noch deutlich über den Zielvorgaben der Zentralbanken liegt», warnt Baltensperger.

Ganz anders sehen das die Ökonomen des Zürcher Vermögensverwalters Bantleon. Nach ihrer Einschätzung sind «die Indizien, die für eine scharfe weltwirtschaftliche Abkühlung sprechen, nach wie vor erdrückend». Sie rechnen mit «einer globalen Rezession, die bis ins Frühjahr 2024 hinein anhält». Die Inflation werde deshalb rascher zurückgehen. «Die Notenbanken dürften daher in den nächsten Monaten eine geldpolitische Kehrtwende vollziehen» und sich noch in diesem Jahr zu ersten Zinssenkungen gezwungen sehen.