Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Nach Absturz von Prigoschin
Suizid, Sturz, Schüsse – wie Putins Feinde sterben

Noch heute wird an dem Ort, wo Boris Nemzow erschossen wurde, an den Oppositionspolitiker erinnert.

Der Absturz des Privatflugzeugs von Jewgeni Prigoschin, bei dem neben dem Wagner-Chef auch Dmitri Utkin, ein Mitgründer der Söldnertruppe, ums Leben gekommen sein soll, ist nur der jüngste spektakuläre «Unfall» in einer langen Reihe von Unglücken aller Art, die Gegnern des russischen Präsidenten Wladimir Putin zugestossen sind. Vor allem, seitdem am 24. Februar 2022 der vollständige Angriff auf die Ukraine begann, sind mehrere Kritiker der Invasion unter merkwürdigen Umständen ums Leben gekommen. Experten vermuten, dass Russlands Geheimdienste verantwortlich sind und Putin, einst selbst beim KGB, das Vorgehen mindestens billigt.

Da wäre etwa der Vorstandschef des russischen Ölkonzerns Lukoil, Rawil Maganow, gestorben am 31. August 2022 nach einem Sturz aus dem Fenster eines Moskauer Krankenhauses, wie die Staatsagentur Interfax berichtete. Lukoil hatte im März 2022 zum «sofortigen Ende des bewaffneten Konflikts» mit der Ukraine aufgerufen. Russische Medien sprachen von Suizid, da der 67-Jährige neben der Diagnose Herzprobleme auch an Depressionen gelitten haben soll. Anderswo wurden Quellen zitiert, wonach Maganow beim Rauchen ausgerutscht und dann aus dem 6. Stock gefallen sei.

Am 10. September 2022 wird Iwan Petschorin tot im Meer nahe Wladiwostok gefunden. Der 39 Jahre alte Manager soll betrunken von seiner Luxusjacht gefallen sein. Er war laut Euronews direkt Putin unterstellt und mit der Modernisierung der Luftfahrtindustrie sowie der Erschliessung von Bodenschätzen in den russischen Arktisgebieten beauftragt.

Seit Jahren werden Kritiker Putins oft geradezu hingerichtet

Schon vorher hatte es eine Reihe mysteriöser Todesfälle unter russischen Oligarchen gegeben. Am Tag nach Beginn der Invasion wurde Alexander Tjuljakow erhängt in der Garage seines Anwesens gefunden. Der 61-Jährige war zuletzt Vize-Generaldirektor von Gazprom. Medienberichten zufolge waren an Tjuljakows Körper Spuren von massiver Gewalt zu sehen, was für eine Inszenierung des mutmasslichen Suizids sprechen würde. Im Garten seines Hauses im spanischen Lloret de Mar wird am 19. April 2022 die Leiche von Sergei Protosenja gefunden, offenbar erhängt; auch die Ehefrau und die 18 Jahre alte Tochter sind tot. Russischen Medien zufolge hat der ehemalige Manager die Familienmitglieder mit einer Axt und einem Messer getötet. Allerdings wurden an den mutmasslichen Tatwaffen keine Fingerabdrücke gefunden – und Sohn Fedor, der nicht in Spanien dabei war, hält die These vom erweiterten Suizid für undenkbar. Auch in Indien, Frankreich und Grossbritannien sind seit Februar 2022 russische Geschäftsleute ums Leben gekommen.

Am 16. Februar 2023 dann stürzt Marina Jankina, eine hochrangige Mitarbeiterin des russischen Verteidigungsministeriums, aus dem 16. Stock eines Hochhauses in Sankt Petersburg. Sie war im Ministerium zuständig für die Finanzierung des Kriegs gegen die Ukraine. Pjotr Kucherenko, Russlands Vize-Wissenschaftsminister, stirbt am 22. Mai 2023 auf dem Rückflug von Kuba nach Moskau. Der 46-Jährige soll Putins Krieg als «faschistische Invasion» kritisiert haben.

Neu sind diese Todesfälle von mehr oder weniger offenen Gegnern des russischen Präsidenten und seines Regimes nicht. Seit Jahren werden Kritiker Putins oft geradezu hingerichtet. Am 7. Oktober 2006, an Putins 52. Geburtstag, wird Anna Politkowskaja im Treppenhaus vor ihrer Wohnung erschossen. Die Journalistin der Zeitung «Nowaja Gaseta» hatte kritisch aus dem Krieg in Tschetschenien berichtet und Putin sowie dem Geheimdienst vorgeworfen, ein autoritäres Regime errichten zu wollen. Der Schütze und die angeblichen Komplizen, die meisten von ihnen Tschetschenen, wurden zu Haft im Straflager verurteilt, die Hintermänner und Auftraggeber sind aber bis heute unbekannt.

Die Hintermänner und Auftraggeber sind bis heute unbekannt: Ein Mann gedenkt der getöteten Journalistin Anna Politkowskaja im Oktober 2014 vor den Büros der «Nowaja Gaseta».

Fast dasselbe Muster wiederholt sich 2015 bei dem Mord an dem Oppositionspolitiker Boris Nemzow: Wie Politkowskaja wird er mit fünf Kugeln erschossen, allerdings nicht zu Hause, sondern auf einer Brücke direkt beim Kreml, also an einem der eigentlich sichersten Orte in Russland. Es gibt sogar Aufnahmen einer Überwachungskamera. Wie bei dem Anschlag auf Politkowskaja wurden angebliche tschetschenische Auftragskiller verantwortlich gemacht, aber nie aufgeklärt, wer der Auftraggeber war. Der Tatort im Schatten des Kreml sendete, wie der Mord an Putins Geburtstag, eine unmissverständliche Botschaft.

Kaum subtiler waren die Morde und Mordversuche an Kremlkritikern mit verschiedenen Giftstoffen. Ebenfalls 2006, nur kurz nach den Schüssen auf Politkowskaja, wurde in London der russische Ex-Agent Alexander Litwinenko mit dem radioaktiven Stoff Polonium-210 vergiftet und starb im Krankenhaus. Auch er hatte Putin und den Geheimdienst FSB immer wieder kritisiert. Wie manche Exilrussen sagen, ist es für Gegner des Kreml besonders gefährlich, wenn sie in Geheimnisse eingeweiht sind.

Für viel Aufsehen sorgt zwölf Jahre später ein weiterer Giftanschlag auf einen ehemaligen russischen Geheimdienstmitarbeiter in England: Sergei Skripal und dessen Tochter Julia wurden in Salisbury mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet. Weil die Attentäter aber sehr dilettantisch vorgegangen waren, konnten sie von den britischen Ermittlern als russische Agenten identifiziert werden. Moskau stritt alles ab und versuchte, eine absurde Geschichte über ein angeblich homosexuelles russisches Paar auf Urlaub in Grossbritannien zu lancieren.

Wenn ein Leben nicht viel wert ist

Im folgenden Jahr wird im Berliner Tiergarten der Georgier Selimchan Changoschwili von einem Auftragsmörder erschossen. Changoschwili hatte im Kaukasus gegen die russische Armee gekämpft. Der Täter wurde noch vor Ort festgenommen – und wie auch bei den anderen Morden stritt der Kreml jede Beteiligung ab.

2020 wird erneut mit Gift ein Mordanschlag verübt, diesmal auf den prominenten russischen Oppositionspolitiker Alexei Nawalny, den dieser auch dank einer Behandlung in Deutschland knapp überlebt. Seit seiner Rückkehr nach Russland ist Nawalny in einem Straflager inhaftiert.

Und es gibt noch viele weitere Dissidenten, Oppositionelle und Kremlkritiker, deren genaue Todesumstände nie geklärt wurden. Bei all diesen Morden und Todesfällen gibt es vor allem eine Gemeinsamkeit: Selbst wenn nur ein Teil von ihnen wirklich im Auftrag der russischen Führung geschah, machen sie dennoch klar, dass den Herrschern im Kreml das Leben eines Menschen nicht viel wert ist.