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In der AfD gärt es wieder
Nach der Wahl kommts zum Knall

Kein Herz und eine Seele: Die beiden Co-Chefs der AfD, Jörg Meuthen (Mitte) und Tino Chrupalla (links), zusammen mit der Spitzenkandidatin Alice Weidel.
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Vor einem halben Jahr atmeten viele noch auf. Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz verlor die Alternative für Deutschland (AfD) ein Drittel ihrer Wählerinnen und Wähler – nach jahrelangem Aufstieg waren es die ersten markanten Einbussen überhaupt. Und einige Wochen später bestätigte sich der Abwärtstrend sogar in Ostdeutschland, als die AfD in Sachsen-Anhalt ein Sechstel ihres Anteils verlor.

Einige Monate später drängt sich eine andere Bilanz auf: Die AfD behauptet sich nach wie vor – obwohl die Einwanderung kein grosses Thema mehr ist, eine Beobachtung durch den deutschen Verfassungsschutz bevorsteht, die Führung sich bekriegt und die Partei zusehends zerfällt. Zwölf Tage vor der Bundestagswahl steht die AfD in den Umfragen bei 11 bis 12 Prozent – ähnlich wie 2017, als sie auf Anhieb als grösste Oppositionspartei in den Bundestag einzog.

Experten sagen, die Wählerschaft der AfD habe sich mittlerweile verfestigt. Aus Protest- seien Stammwähler geworden. Diese stammten zur grossen Mehrheit nicht mehr aus dem Milieu jener, die den angeblich zu wenig konservativen Christ- oder Freidemokraten einen Denkzettel verpassen wollten, sondern aus einem disparaten Lager von Systemgegnern, Rechtsextremisten, Querdenkerinnen, Politikverächtern und früheren Nichtwählern. Statt zu einer zunehmend regierungsfähigen Alternative für Nationalkonservative zu werden, hat sich die Partei zu einer antibürgerlichen und in weiten Teilen rechtsradikalen Kraft gewandelt.

Frauke Petry, die die AfD von deren Gründung 2013 bis zum Einzug in den Bundestag 2017 führte, danach aber austrat, beklagt diese Entwicklung und sagt der Partei einen langsamen Tod voraus – nicht jetzt, aber in den kommenden Jahren. «Die Spirale dreht sich immer weiter abwärts», sagt sie im Gespräch.

Kritik aus dem Innern: Frauke Petry, heute parteilos, führte die AfD von 2013 bis 2017. Dann trat sie aus.

Dass in der AfD permanent um die Macht gekämpft wird, ist nichts Neues. Aber wie ausdauernd sich die derzeitige Führung bekriegt, ist selbst für diese Partei aussergewöhnlich. Grob gesagt stehen sich an der Spitze Jörg Meuthen mit einer Reihe von Getreuen aus dem Westen und Tino Chrupalla sowie Alice Weidel als Statthalter von Björn Höckes völkischem «Flügel» aus dem Osten gegenüber. Im Vorstand hält Meuthen noch knapp die Oberhand, in der Partei hingegen geben die Radikalen längst den Ton an.

Chrupalla und Weidel haben sich in einer Kampfwahl als Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl durchgesetzt, Höcke wiederum sorgte am Parteitag dafür, dass die AfD nun erstmals offen den Austritt Deutschlands aus der EU verlangt und gegen Corona-Impfungen, Maskenpflicht und «Klimalügen» wettert.

Noch halten alle still

Vor der Wahl halten in der AfD alle noch still, am Parteitag im November jedoch wird es zum lange erwarteten Knall kommen: Mit Meuthen, dem Wirtschaftsprofessor aus dem Westen, dürfte – nach Petry 2017 und Bernd Lucke 2015 – erneut ein Chef gestürzt werden, der nach aussen der Partei ein «bürgerliches Gesicht» verleihen sollte. Ob Höcke selbst an die Spitze oder wenigstens in den Vorstand drängen wird, ist noch unklar. «Wie auch immer», meint Petry. «Er hat der Partei längst den Stempel aufgedrückt und sein Ziel erreicht.»

Auch abseits der Spitze ist die AfD mittlerweile rettungslos verfeindet und zerrüttet, Petry nennt die Stimmung «katastrophal». Tausende Mitglieder haben die Partei zuletzt verlassen, unter ihnen viele, die sich selbst als «Gemässigte» oder «Bürgerliche» verstehen. Zuletzt trat auch Konrad Adam aus, der letzte der einstigen Parteigründer, der der AfD noch angehört hatte. In den Parlamenten wiederum kehrten derart viele Abgeordnete der Partei den Rücken, dass diese in manchen Bundesländern sogar ihren Status als Fraktion einbüsste. Petry glaubt, dass sich die Austritte nach der anstehenden Wahl weiter häufen würden.

Eine Partei der Postenjäger

Uwe Junge, zuvor jahrelang Landeschef in Rheinland-Pfalz, erklärte seinen Austritt kürzlich mit Höckes wachsendem Einfluss auf die Partei – aber auch mit dem immer toxischeren Klima: Vernünftige und gebildete Menschen würden schon beim ersten Besuch einer AfD-Veranstaltung «von der überreizten Stimmung, gepaart mit wilden Verschwörungstheorien und teilweise unflätigem Benehmen, abgeschreckt werden, während sich der blökende Stammtischprolet wie zu Hause fühlt».

Oft drehen sich die internen Streitereien gar nicht um Ideologie, sondern um Posten, Mandate und Geld. Die Millionen von deutschen Milliardären, die über die Schweiz illegal in die AfD flossen, haben die Partei zudem schleichend korrumpiert, einzelne Verantwortliche wie Meuthen oder Weidel auch erpressbar gemacht.

«Die AfD ist tot», schrieb einer aus dem Meuthen-Lager gemäss «Spiegel» kürzlich in einem internen Chat. «Wir werden uns nach einer Alternative zur Alternative umsehen müssen.» Je mehr «Vernünftige» die Partei verlassen, desto stärker wächst wiederum der Einfluss der bereits überwiegend rechtsextremen AfD-Verbände aus dem Osten.

Je offensichtlicher diese Entwicklung wird, umso mehr gerät das bisherige politische Geschäftsmodell der AfD in Gefahr, Bürgerliche und Extreme gleichzeitig anzusprechen. Im Grunde wissen «Gemässigte» und Radikale in der Partei, dass sie aufeinander angewiesen sind. Entwickelt sich die AfD zu einer offen rechtsextremistischen Partei, wird sie genauso schrumpfen wie ihre Vorgängerinnen. Und in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwinden wie jene «Bürgerlichen», die die AfD bereits verlassen haben.