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Dramatischer Tag im Bundestag
Merz scheitert überraschend mit Asylgesetz – trotz erneuter Hilfe der AfD

Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU, hält eine Rede im Bundestag über ein Einwanderungsgesetz; Berlin, 31. Januar 2025.
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In Kürze:
  • Friedrich Merz entschied, mit AfD-Stimmen Gesetze zu verabschieden – trotz Kritik.
  • Einige Abgeordnete von CDU, CSU und FDP widersetzten sich, weil sie Bedenken hatten.
  • Kritiker bezeichnen geplante Massnahmen als verfassungswidrig.

Offenbar hatte Friedrich Merz lange überlegt, ob er nach dem ersten Schritt vom Mittwoch am Freitag wirklich auch den zweiten gehen wollte: mit den Stimmen der in Teilen rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD) Anträge zu verabschieden, die ohne diese Unterstützung im Bundestag keine Mehrheit gefunden hätten.

Am Ende entschied sich der Kanzlerkandidat der deutschen Christdemokraten dafür – egal, wie viel Entrüstung sein Entscheid bei vielen Medien und in einem grossen Teil der Öffentlichkeit bereits ausgelöst hatte. «Wir müssen diesen Sturm jetzt aushalten», sagte Merz am Morgen in der Fraktion, als er seine Partei noch einmal auf das Ziel einschwor.

Da wusste Merz schon, dass mindestens zehn Abgeordnete seiner Fraktion nicht für das «Zustrombegrenzungsgesetz» stimmen wollten – dem Vernehmen nach, weil ihnen das erneute Zusammenwirken mit der AfD zu grosse Bauchschmerzen bereitete. Schon am Mittwoch, als CDU/CSU zusammen mit FDP und AfD Merz’ «5-Punkte-Plan» zu einer «Asylwende» angenommen hatten, waren acht Abgeordnete der Abstimmung ferngeblieben.

FDP wollte noch einmal verhandeln, Merz durchziehen

Bei den Liberalen waren die Bedenken gegen eine Wiederholung des «Tabubruchs» noch grösser. 15 bis 20 der 90 Abgeordneten würden nicht an der Abstimmung teilnehmen, weil sie mit dem Vorgehen nicht einverstanden seien, sagte Fraktionschef Christian Dürr am Freitagmorgen. Er wollte deswegen erst die Verschiebung der Abstimmung beantragen, um bis zur nächsten Sitzung am 11. Februar vielleicht doch noch eine Einigung mit Sozialdemokraten oder Grünen zu finden.

Mit der Vertagung war aber wiederum Merz nicht einverstanden. Während dreieinhalb fiebrigen Stunden, in denen die Sitzung des Bundestags unterbrochen war, führte der Unions-Kanzlerkandidat in seinem Büro noch einmal Gespräche mit SPD und Grünen, um zu sehen, ob diese nicht doch noch zu einer Zustimmung zu bewegen wären. Als diese ablehnten, überzeugte er die FDP davon, dass man unbedingt heute eine Entscheidung herbeiführen müsse – selbst wenn man die Abstimmung verlieren sollte.

Die Union und die FDP warfen SPD und Grünen in der folgenden Debatte vor, sich jedem Kompromiss zu einer Verschärfung der Asylpolitik zu verweigern. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich widersprach vehement: Er hätte eine Vertagung begrüsst, weil man dann aus dem Gesetz der Union und eigenen blockierten Vorschlägen ein gemeinsames Paket hätte schnüren können. Dazu sei Merz aber nicht bereit gewesen, so Mützenich: «Immerzu wollen Sie, Herr Merz, mit dem Kopf durch die Wand.»

Als die Abstimmung dann endlich kam, war es ein Scheitern mit Ansage: Das «Zustrombegrenzungsgesetz» von CDU und CSU verfehlte die angestrebte Mehrheit mit FDP, AfD und der neuen Partei von Sahra Wagenknecht am Ende knapp, mit 338 zu 349 Stimmen. Am Mittwoch war es viel knapper gewesen und andersrum: mit 348 zu 344 Stimmen.

Gesetz wie «5-Punkte-Plan» haben keine konkreten Folgen

Auch wenn das Gesetz angenommen worden wäre, wäre es übrigens absehbar folgenlos geblieben: Um Gesetzeskraft zu erlangen, hätte es auch vom Bundesrat, der Kammer der 16 Bundesländer, genehmigt werden müssen. Da an den meisten Landesregierungen aber auch SPD oder Grüne beteiligt sind, wäre eine Mehrheit dort unerreichbar gewesen. Nur Bayern hätte sicher zustimmen können.

Das Gesetz, um das es am Freitag ging, war von den Christdemokraten schon vor Monaten eingebracht worden – als Reaktion auf den Messeranschlag eines syrischen Islamisten und Asylbewerbers auf ein Stadtfest in Solingen Ende August mit drei Toten.

Aktuell wurde es in den vergangenen Tagen nur, weil die AfD gedroht hatte, es selbst im Bundestag zur Abstimmung zu bringen, wenn die Union es nicht wage – und CDU/CSU damit zu zwingen, entweder gegen ihr eigenes Gesetz oder mit der AfD zu stimmen.

Der Entwurf zur «Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatenangehörigen nach Deutschland» sieht vor allem vor, den Familiennachzug von Flüchtlingen zu beenden, die in Deutschland sogenannten subsidiären Schutz geniessen – Syrer etwa oder Afghanen.

Die Bundespolizei sollte zudem in die Lage versetzt werden, Personen des Landes zu verweisen, die sie in ihrem Zuständigkeitsbereich antrifft, an grenznahen Bahnhöfen zum Beispiel. Beide Vorhaben werden von Kritikern als verfassungswidrig bezeichnet.

Der Titel des Gesetzes bezieht sich auf den Vorschlag, im Aufenthaltsrecht wieder festzuhalten, dass dessen Ziel die «Begrenzung» der Migration sei. Das stand zur Zeit der letzten Grossen Koalition von Angela Merkel bis 2021 im Gesetz, die Ampel-Regierung von SPD, Grünen und FDP strich das Wort 2023 wieder.

Die «Asylwende» wird Aufgabe einer neuen Regierung sein

Insgesamt geht das «Zustrombegrenzungsgesetz» deutlich weniger weit als Merz’ «5-Punkte-Plan» vom Mittwoch. Der hatte einen «Asylstopp» an den deutschen Grenzen und die weitgehende Inhaftierung und Abschiebung von Migranten beschlossen, deren Asylgesuch in Deutschland abgelehnt wurde und die «vollziehbar ausreisepflichtig» waren. Dies betrifft derzeit mehr als 40’000 Menschen.

Allerdings war der Beschluss für den «5-Punkte-Plan» nur ein unverbindlicher Appell des Bundestags an die Regierung. Die noch regierenden Sozialdemokraten und Grüne hatten davor bereits klar gemacht, dass sie diesem nicht Folge leisten würden. Merz’ «Asylwende» tatsächlich umzusetzen, wäre in jedem Fall Aufgabe einer neuen Regierungsmehrheit nach der Bundestagswahl in drei Wochen.