Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Migrationspolitik von CDU und AfD
Alt-Kanzlerin Angela Merkel wagt Affront gegen Merz

Angela Merkel spricht auf einer Bühne im Deutschen Theater in Berlin während der Buchpräsentation von «Freiheit: Erinnerungen 1954–2021» am 26. November 2024.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk
In Kürze:
  • Merz’ Kehrtwende in der Asylpolitik ist auch eine Abkehr von Angela Merkel.
  • SPD, Grüne und Linke rufen zu Protesten gegen AfD und Merz auf.
  • Konservative Medien lobten Merz für seinen Mut.

Als alles vorbei war, stürmte Bernd Baumann von der AfD ans Rednerpult und rief in den Reichstagssaal: «Jetzt stehen Sie hier mit schlotternden Knien, Herr Merz, und bedauern das. Das ist eine breite Bewegung des Bürgertums, die jetzt in Deutschland angekommen ist. Hier beginnt jetzt eine neue Epoche.» Diese Bewegung werde von den neuen politischen Kräften angeführt – nicht von den alten Christdemokraten von Friedrich Merz. «Sie können folgen, Herr Merz, wenn Sie noch die Kraft dazu haben.»

Für wen die erste gemeinsame Mehrheit von CDU/CSU, FDP und AfD im Bundestag ein Coup war, war danach unschwer auszumachen. Während Merz und seine Leute ob ihres Abstimmungserfolgs wie erschlagen wirkten, feierte sich die AfD mit Umarmungen und Selfies. Die AfD könne ihr Glück kaum fassen, kommentierte die linke «Tageszeitung». Merz sei von nun an ihr bester Wahlhelfer.

In Merz’ Partei hatte es einige gegeben, die mit dem Vorgehen des Kanzlerkandidaten nicht einverstanden gewesen waren, aber niemand hatte es gewagt, den CDU-Chef mitten im Wahlkampf öffentlich zu kritisieren. Das übernahm am Tag danach Alt-Kanzlerin Angela Merkel, die aktuelle politische Themen seit ihrem Abgang 2021 bisher nicht kommentiert hat. Auf ihrer Website bezeichnete sie es als «falsch», dass Merz im Bundestag eine Mehrheit mithilfe der AfD herbeigeführt habe.

Merz’ «Asylwende» soll auch die Ära Merkel beenden

Es wäre besser gewesen, so Merkel, hätten die «demokratischen Parteien gemeinsam über parteipolitische Grenzen hinweg in der Sache redlich, im Ton massvoll und auf der Grundlage geltenden europäischen Rechts» alles getan, um so schreckliche Gewalttaten wie zuletzt in Magdeburg und in Aschaffenburg in Zukunft zu verhindern.

Merz strebt seine «Asylwende» ausdrücklich auch als Abkehr von zehn Jahren «fehlgeleiteter Asyl- und Zuwanderungspolitik» seiner eigenen Partei an, die mit Merkels Kurs in der Flüchtlingskrise 2015/16 verbunden ist. Insofern erstaunt es nicht, dass die beiden in der Sache nicht einig sind.

Dass Merkel Merz jetzt aber zu einem äusserst heiklen Zeitpunkt öffentlich kritisiert, wird die Partei noch einmal aufwühlen. Die beiden waren viele Jahre Erzrivalen gewesen, nachdem Merkel auf ihrem Weg zur Macht vor mehr als zwanzig Jahren Merz in der CDU zur Seite gedrängt hatte. Zuletzt hatte sich ihr Verhältnis aber entspannt. Merkel hatte Merz sogar öffentlich als «verdienten» Kanzlerkandidaten der CDU gewürdigt.

Olaf Scholz und Friedrich Merz sprechen am 29. Januar 2025 im Bundestag in Berlin. Scholz sitzt links, während Merz steht und spricht.

Der sozialdemokratische Kanzler Olaf Scholz bezeichnete den Schulterschluss von CDU, CSU, FDP und AfD am Mittwochabend im TV-Talk von Sandra Maischberger noch einmal als «Tabubruch» und warnte vor einer Entwicklung wie in Österreich. Dort hatte die ÖVP eine Koalition mit der FPÖ ebenfalls erst kategorisch abgelehnt – nur um dann doch einzulenken.

«Es darf nach der Bundestagswahl keine Mehrheit für CDU/CSU und AfD geben, sonst droht uns eine schwarz-blaue Regierung in Deutschland», meinte Scholz. Merz schloss dies erneut aus. In den ARD-«Tagesthemen» verteidigte er sein Vorgehen: Nicht CDU/CSU, sondern das Handeln der Regierung von SPD, Grünen und FDP habe in den letzten drei Jahren «dazu geführt, dass die AfD jetzt über 20 Prozent liegt».

Links-grüne Bündnisse rufen zu Demonstrationen auf

Bei Sozialdemokraten und Grünen dagegen flossen im Bundestag nach dem Entscheid sogar Tränen. Erst mit der Zeit wich die Bestürzung Wut und neuer Entschlossenheit. Sein Telefon explodiere gerade, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil der «Süddeutschen Zeitung». Ganz viele, die sich bisher im Wahlkampf nicht hätten engagieren wollen, würden sich nun melden und wollten etwas tun.

Links-grüne Bündnisse riefen für die nächsten Tage bereits zu Grossdemonstrationen gegen die AfD und gegen Merz auf, in Berlin, Hamburg, Köln oder Leipzig. Spontan hatten sich am Abend bereits 1000 Menschen vor dem Sitz der CDU in Berlin versammelt, um gegen Merz’ Vorgehen zu protestieren.

«Bild»-Zeitung: «Diese Klarheit ist Gold für die Demokratie»

In konservativen deutschen Medien wurde Merz dagegen für seinen Mut gelobt. Der CDU-Chef habe der Demokratie einen Dienst erwiesen, indem er für Klarheit gesorgt habe, schrieb Marion Horn, die Chefredaktorin der Boulevardzeitung «Bild». «Wer will, dass sich in Sachen Migration wirklich etwas ändert, für den haben sich SPD und Grüne erledigt.»

Ulf Poschardt, Herausgeber der «Welt», meinte in seinem Kommentar, dass nach den Grünen nun auch die SPD als Koalitionspartnerin für die Christdemokraten praktisch ausfalle. Die deutschen Genossen sollten sich am restriktiven Asylkurs der dänischen Sozialdemokraten orientieren, sonst drohten sie unterzugehen – wie die Parteischwestern in Frankreich oder Italien. Mit wem Merz nach den Wahlen regieren sollte – eine Mehrheit von CDU/CSU und FDP liegt weit entfernt –, sagte Poschardt nicht.

Jasper von Altenbockum wertete in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» Merz’ Zusammenwirken mit der AfD als Selbstbefreiung von CDU und CSU: «Friedrich Merz hat eine Brandmauer eingerissen. Aber nicht die zur AfD, sondern die Brandmauer zu dem Teil der (ehemaligen) CDU-Wählerschaft, die sich ausgeschlossen fühlen musste.»

Die «Brandmauer» sei für Linke nur ein Vehikel, die Christdemokraten in ihrer Machtentfaltung einzuschränken, so Altenbockum. «Jedes Mal, wenn SPD und Grüne die Brandmauer beschwören, haben sie mindestens so sehr wie die Kaltstellung der AfD die Ausgrenzung dieser Wähler im Blick. Nur wenn die Union auf diese Weise neutralisiert wird, können sie ihren Machtverlust abwenden. Der ‹Kampf gegen rechts› ist in Wahrheit ein Kampf für links.»