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Biogas aus der Schweiz
Mit Essensresten gegen Putin

Aus Speiseresten wird am Ende Strom und Wärme. 
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Rüeblireste, Kuhmist, Rasenschnitt: Was nach Abfall klingt, ist in Tat und Wahrheit Energie. Energie, die einen Teil von Putins Gas zum Beispiel für das Heizen unserer Häuser ersetzen könnte. Der Ukraine-Krieg treibt denn auch die Nachfrage nach heimischem Biogas an.

Doch Biomasse als Energieträger wird kaum genutzt. «Das Potenzial beim Biogas liegt in der Schweiz praktisch völlig brach», sagt Hans-Kaspar Scherrer, Firmenchef von Eniwa. In Aarau will Eniwa, der ansässige Energieversorger, eine grössere Biogasanlage bauen.

Sie soll 25’000 Tonnen Grüngut pro Jahr zu Gas werden lassen. Die Firma betreibt bereits zwei weitere Anlagen, in denen Biogas produziert wird. 

Scherrer spricht davon, dass rund 10 bis 15 Prozent des heutigen Gases mit Biogas aus heimischer Produktion ersetzt werden könnten. «Noch immer ist es aber normal, dass Gemeinden und Landwirte ihre Biomasse am Feldrand aufschichten und so verrotten lassen, was zu erheblichen klimaschädlichen Emissionen führt. Daraus könnte man stattdessen Biogas herstellen», sagt Scherrer.

Die Anlage in Aarau wird jährlich rund 16 Gigawattstunden Gas herstellen. Das entspricht rund 4 Prozent der heutigen schweizweiten Jahresproduktion. Diese Tatsache zeigt erstmals, dass die Anlage ein grosses Projekt ist. Aber auch, dass heute sehr wenig Biogas überhaupt hergestellt wird in der Schweiz. 

Von der gesamten Energie, die die Schweiz 2020 benötigte, wurde gerade mal 0,2 Prozent mit Biogas abgedeckt. Zum Vergleich: Insgesamt sind 15,1 Prozent des Energiebedarfs durch Gas abgedeckt. Und gerade da ist die Abhängigkeit von Russland gross. Schweizer Versorger besorgen zwar nicht direkt Gas aus Russland, und doch landet Putins Gas in der Schweiz. Fast die Hälfte des hier verbrauchten Gases stammt aus Russland.

Potenzial wäre vorhanden

Energie aus Biomasse könnte einen weit grösseren Teil des heutigen Energieverbrauchs stemmen. In einer Studie der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) ist die Rede von einem nachhaltig nutzbaren Potenzial von 3 Terawattstunden aus landwirtschaftlicher Biomasse wie zum Beispiel Hofdünger. Hinzu kommen 2 Terawattstunden von Grüngut aus Siedlungs- und Industrieabfall. 

«Mit einheimischem Biogas werden wir nicht den ganzen heutigen Erdgasverbrauch decken können.»

Simon Gisler, Co-Geschäftsführer des Verbands Biomasse Suisse

Vor allem bei landwirtschaftlichen Anlagen sei das Potenzial gross, sagt Simon Gisler, Co-Geschäftsführer des Verbands Biomasse Suisse. Heute würden nur gerade 4 Prozent des Potenzials aus dem Hofdünger genutzt. 

«Mit einheimischem Biogas werden wir nicht den ganzen heutigen Erdgasverbrauch decken können, das ist klar», sagt Gisler. Aber gerade in Kombination mit der Power-to-Gas-Technologie, wo überschüssiger Strom zu Gas umgewandelt wird, sei die Hoffnung berechtigt, in Zukunft den heimischen Gasbedarf zu einem grossen Teil selber zu decken. 

Bewilligung zu erhalten, ist schwierig

Doch es gibt ein Problem: «Die Bewilligungssituation für Biogasanlagen ist sehr schwierig. Aus landschaftsschützerischen Überlegungen wehre man sich gegen Anlagen ausserhalb der Bauzone. Und im verbleibenden Siedlungsgebiet ist es trotz technischer Vorkehrungen nicht in jedem Fall vermeidbar, dass Anwohner sich durch unangenehme Gerüche gestört fühlen.»

So befinde sie die Energiegewinnung aus Biomasse momentan in einer Pattsituation, bei der ein Ausbau schwierig sei. Doch hinter den Kulissen arbeite die Politik daran, dass die Bedingungen, unter denen Biogasanlagen gebaut werden könnten, wieder besser würden, sagt Gisler.

Axpo will ausbauen

In jüngster Zeit konnten im Kanton Freiburg zum Beispiel gleich drei Anlagen nicht realisiert werden. Doch der Wille zum Ausbau ist da. Das zeigt nicht nur das Beispiel in Aarau. Die Axpo, heute mit 16 Anlagen ein bedeutender Produzent von Energie aus Biomasse, hat vor, ihr Portfolio in Zukunft auszubauen. «Grundsätzlich ist Potenzial für weitere Anlagen vorhanden. Allerdings ist der Bau neuer Biomasseanlagen – von der Planung bis zur Inbetriebnahme – ein äusserst langwieriger Prozess – wie das bei anderen Energieerzeugungsanlagen auch der Fall ist», sagt ein Sprecher.

Der neuste Versuch, Biomasseanlagen politisch zu fördern, stammt von Mitte-Nationalrätin Priska Wismer. In einer während der letzten Session eingegebenen Motion fordert sie Unterstützung für den Ausbau von Biogasanlagen. «Die Schweiz muss ihre Abhängigkeiten von ausländischem und insbesondere russischem Erdgas dringend verringern und ihre Energieproduktion breiter aufstellen», schreibt sie in der Begründung des Vorstosses, der breit abgestützt ist.

So könnte sich tatsächlich etwas bewegen, damit das brachliegende Potenzial von Biomasse in der Schweiz besser genutzt wird.