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Gasmangel wegen Ukraine-Krieg
Wieviel Erdgas verbrauchen Ems, Clariant & Co?

Eine Gasmangellage ist laut Bundesrat Parmelin nicht bis ins Detail voraus­sagbar und kein genaues Szenario kann ­erstellt werden: In einer Fabrik wird Gas verbrannt.
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 Wie hoch ist der Erdgasverbrauch des Unternehmens?

Ems-Chemie ist ein grosser Energieverbraucher: Blick auf den Hauptsitz in Domat-Ems.

Gemäss Gesamtenergiestatistik des Bundes wurden in der Schweiz im Jahr 2020 31,5 TWh Erdgas verbraucht. Im Vergleich dazu klingt der Bedarf einzelner Unternehmen geradezu spektakulär: Zementhersteller Holcim  und Lebensmittelkonzern Nestlé verbrauchen zusammen – in all ihren Niederlassungen weltweit – mehr Gas als das ganze Land.

Statistiken zum Gasverbrauch nach Branchen sind in der Schweiz derzeit nicht öffentlich verfügbar. Daher wurde ein knappes Dutzend Unternehmen für diesen Artikel befragt, die in Bereichen tätig sind, die für den hohen Gasverbrauch bekannt sind. Etwa Swiss Steel und Vetropack aus der Stahl- und Glasproduktion, aber auch Chemie- und Pharmaunternehmen brauchen für gewisse Produktionsprozesse Erdgas. Jedoch ist die Lage von Unternehmen zu Unternehmen selbst innerhalb der gleichen Branche sehr unterschiedlich.

Ems-Chemie beispielsweise ist ähnlich wie Lonza oder Clariant ein grosser Energieverbraucher. Lonza ist nach Vetropack Spitzenreiterin im Gasverbrauch je Umsatzmilliarde. Ems hingegen sagt: «Die Erdgasfrage betrifft Ems-Chemie nicht.» Das Unternehmen habe bereits Anfang der 2000er-Jahre von Erdgas auf Biomasse umgestellt. Die Frage, wie Unternehmen von einem Lieferstopp von russischem Gas getroffen würden, lässt sich nur individuell für jedes Unternehmen einzeln beantworten. Darum folgen hier auch die Antworten, die Clariant, Geberit, Georg Fischer, Holcim, Lonza, Nestlé, Novartis, Roche, Swiss Steel und Vetropack gegeben haben, separat aufgelistet.

In welchen Ländern wird wie viel Erdgas verbraucht?

Das Werk Schweizerhalle des Chemiekonzerns Clariant in Muttenz. 

Um abschätzen zu können, was ein Lieferstopp von russischem Gas für ein Unternehmen bedeuten würde, ist entscheidend, in welchen Ländern wie viel Energie verbraucht wird. Derart detaillierte Angaben machen die meisten Unternehmen ungern. Doch es gibt Ausnahmen.

Clariant: «Entsprechend unserem Produktionsnetzwerk und der Verfügbarkeit von Erdgas wird Erdgas primär in Europa und insbesondere in Deutschland eingesetzt.»

Geberit: «Der Verbrauch fällt primär im Rahmen der Keramikproduktion an. Die Werke befinden sich in Deutschland, Schweden, Finnland, Polen, Ukraine, Italien und Portugal.»

Georg Fischer: «In Europa rund 60 Prozent und in Asien beziehungsweise Americas in etwa je 20 Prozent.»

Swiss Steel: «In der Schweiz haben wir den höchsten technologischen Standard und verbrauchen dort am wenigsten. 50 Prozent unseres gesamten Erdgasverbrauchs fällt in Deutschland an.»

Lonza macht gar keine Angaben zum Gasverbrauch, und auch Novartis lässt lediglich ausrichten, es handle sich um eine schnelllebige Situation, und man werde die Entwicklungen weiterhin verfolgen. Nestlé beschränkt sich auf globale Angaben zum Gasverbrauch. Glasherstellerin Vetropack verweigert Länderangaben mit dem Hinweis auf mögliche Rückschlüsse auf Produktionskapazitäten, die man vermeiden wolle.

Sollte Europa bald den Import russischen Gases einschränken oder Russland von sich aus die Lieferungen stoppen, wäre das für Unternehmen mit hohem Gasverbrauch in Deutschland problematisch. Dort ist die Abhängigkeit von russischem Gas besonders gross.

Für welche Prozesse wird Erdgas eingesetzt?

Der Produktionsstandort der Swiss Steel in Emmenbruecke im Kanton Luzern am Mittwoch, 24. Februar 2021.

Viel Gas verbrauchen Produktionsprozesse, die Öfen verwenden. «Schmiedeöfen, Walzwerkserwärmungsöfen, Wärmebehandlungsöfen, Beizanlagen», zählt Swiss Steel auf. «Stahlpfannen, Verteiler, Vakuumanlagen sowie Maschinenhallen sind nur Kleinverbraucher.» Andere Unternehmen fassen sich kurz. Vetropack:  «Im Schmelzprozess.» Holcim: «In der Zementproduktion.» Geberit: «In der Keramikproduktion.»

Georg Fischer: «Erdgas wird vor allem dort eingesetzt, wo Prozesswärme mit hohen Temperaturen benötigt wird, so etwa beim Druckguss von Aluminium, Magnesium, Eisen oder Superlegierungen für Leichtbauteile in der Automobilindustrie oder Luft- und Raumfahrt.»

Bei Clariant wird Gas auch für die Stromerzeugung genutzt: «Als Chemieunternehmen hängt unsere Produktion, wie die vieler Unternehmen in der Industrie, grundsätzlich von der Lieferung von Erdgas ab. Bei Clariant wird Erdgas sowohl zur Wärmeerzeugung (i. d. R. Prozesswärme) als auch mittels Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zur Stromerzeugung verwendet. Zudem dient Gas nicht nur als Energieträger, sondern auch als Element für chemische Prozesse.»

Wie viel Erdgas kann das Unternehmen dank Zweistoffanlagen durch Heizöl ersetzen?

«Erdgas kann nicht ersetzt werden»:  Vetropack Standort in St-Prex.

Zweistoffanlagen, die in der Strategie des Bundes für Mangellagen wichtig sind (vgl. Text oben), spielen bei den befragten Unternehmen eine untergeordnete Rolle. Zwar sind die Anlagen, die statt Erdgas auch mit Heizöl betrieben werden können, ein Begriff, jedoch sagte keine der befragten Gesellschaften, von Gas abhängige Produktionsschritte damit komplett ersetzen zu können. 

Bei Swiss Steel und Vetropack, die in sehr energieintensiven Branchen tätig sind, fällt auf, dass Zweistoffanlagen keine Option sind. Vetropack: «Erdgas kann nicht ersetzt werden.» Swiss Steel erläutert, warum eine erst kürzlich in Betrieb genommene Anlage bewusst ausschliesslich mit Gas funktioniert: «Um den Klimaschutzbelangen zunehmend Rechnung zu tragen, haben wir in den vergangenen Jahren intensiv in eine hochmoderne Gastechnologie in unseren Werken insbesondere in der Schweiz und in Deutschland investiert. Hier haben wir gerade bei unserem Schweizer Werk, der Steeltec AG, eine 60-Millionen.-Fr.-Investition in Betrieb genommen.»

Zweistoffanlagen sind offenbar vergleichsweise ineffizient. Swiss Steel: «Je höher die Technologie entwickelt ist und je effizienter sie mit dem eingesetzten Gas umgeht, desto weniger ist sie kurzfristig auf andere Brennstoffe umzurüsten.» Das erklärt auch den stark gesunkenen Anteil der Zweistoffanlagen am Gasverbrauch.

Clariant differenziert: «Der Grad der Abhängigkeit von Erdgas unterscheidet sich in der Art der Anwendung. Während Erdgas, das zur Stromerzeugung genutzt wird, einfacher durch zugekauften Netzstrom ersetzt werden könnte, ist eine Alternative für Erdgas, das in Produktionsprozessen häufig zur Wärmeerzeugung verwendet wird, – zumindest kurzfristig – nicht möglich.»

Wie beschafft das Unternehmen Erdgas?

Woher kommt der Strom? Geberit führt hier Langzeittests an Toilettenspülungen durch.

Im Unterschied zu Privathaushalten haben Grossverbraucher diverse Möglichkeiten für die Gasbeschaffung. Insbesondere die Laufzeit der Abnahmeverträge variiert. Die meisten Unternehmen wählen einen Mix aus kurzfristiger Beschaffung am Spotmarkt und langfristiger Absicherung.

Geberit: «Die Beschaffung erfolgt über Abnahmeverträge mit fixen Laufzeiten, weshalb ein Teil der Preise über die entsprechenden Laufzeiten der Verträge abgesichert ist.» Ähnlich handhaben es Georg Fischer, Clariant und VetropackSwiss Steel erwähnt zudem die jüngste Preisentwicklung: «Der Preisanstieg für Erdgas betrug im Januar 2022 350 Prozent des Vorjahresniveaus, im März waren es 250 Prozent.» Der Handlungsdruck bei den Grossverbrauchern ist daher enorm, auch ohne Importstopp von russischem Gas.

Dieser Artikel stammt aus der Finanz und Wirtschaft, weitere Artikel finden Sie unter www.fuw.ch.