Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen
Meinung

Analyse zu Tierquälerei-Vorwürfen
Unsere Empörung über das Migros-Importfleisch ist scheinheilig

Ein Mann platziert Fleischverpackungen in einem Kühlregal im Migros-Supermarkt.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Was war das für ein Aufschrei, als im September die neue Lebensmittelpyramide vorgestellt wurde. Der Grund: Rotes Fleisch hat seinen prominenten Platz auf der Ernährungsempfehlung des Bundes verloren. Dafür werden pflanzliche Proteinlieferanten wie Linsen, Kichererbsen oder rote und weisse Bohnen in den Vordergrund gerückt. Das liegt daran, dass neu nicht mehr nur die gesunde Ernährung berücksichtigt wird, sondern auch die Nachhaltigkeit.

Ausserdem empfiehlt der Bund nur noch maximal 360 Gramm Fleisch pro Woche, was aufs Jahr hochgerechnet 18,7 Kilogramm ausmacht – deutlich weniger als das, was wir im Schnitt tatsächlich konsumieren: 48 Kilogramm. Denn das ist aus ökologischer Perspektive viel zu viel. «Ich lasse mir doch von denen in Bern nicht vorschreiben, was ich essen soll!», polterte es dutzendfach aus den Kommentarspalten. Oder: «Ich esse so viel Fleisch, wie ich will!» Obwohl es sich einzig um Empfehlungen handelt, nicht um verbindliche Vorgaben.

Lebensmittelpyramide mit verschiedenen Lebensmittelgruppen: Getränke, Früchte und Gemüse, Getreideprodukte, Milchprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse, Öle und Fette, Süssigkeiten. Mengenempfehlungen für eine ausgewogene Ernährung.

Billiges Fleisch oder Tierwohl?

Nun ist die nächste Empörung da, schon wieder steht das Fleisch im Mittelpunkt. Und die Migros. Um günstige Preise anbieten und mit der Konkurrenz in Grenznähe mithalten zu können, verkauft der Schweizer Grossverteiler auch billiges Fleisch aus dem Ausland. Damit gibt die Migros ihr einstiges Ziel auf, bei Importfleisch die gleichen Mindeststandards wie bei Schweizer Fleisch zu garantieren.

Ihr Chef Mario Irminger rechtfertigte sich bei SRF mit der Aussage: «Wir haben keinen erzieherischen Auftrag. Wir verkaufen, was nachgefragt wird.» Das goutieren Schweizer Tierschutzorganisationen überhaupt nicht. 68 Vereine haben sich nun in einem offenen Brief an die Migros gewendet – und schon wieder ist die Kommentarspalte voll. Die grosse Mehrheit findet es überhaupt nicht in Ordnung, dass die Migros ihre Verantwortung punkto Nachhaltigkeit nicht wahrnimmt.

Auf einmal fordern wir bei Fleisch erzieherische Massnahmen

Das ist einerseits nachvollziehbar und aus Tierwohlsicht die richtige Haltung. Die Migros mag zwar keine Verpflichtung haben, uns positiv zu beeinflussen. Sie hätte aber eine Chance und die Möglichkeiten dazu. Andererseits ist der Aufschrei auch scheinheilig und inkonsequent.

Wenn der Bund sich für Nachhaltigkeit einsetzt und eine entsprechende Ernährungsempfehlung zu Fleisch herausgibt, folgt die totale Ablehnung, weil man sich nichts vorschreiben lassen will. Nun macht die Migros bei der Nachhaltigkeit und beim Tierwohl Abstriche, um günstiges Fleisch anbieten zu können – und plötzlich protestieren viele Fleischesser und verlangen genau das, was die meisten eigentlich auf keinen Fall wollen: erzieherische Massnahmen.

Am Ende kaufen viele in der Regel trotzdem lieber das, was günstiger ist, was besser schmeckt und gefällt, statt das, was besser für die Umwelt, für das Wohl von Tieren und auch für das Wohl von Menschen wäre – darauf weist auch die Tatsache hin, dass der chinesische Billiganbieter Temu neu die Nummer 1 der Onlinehändler in der Schweiz ist.

Fleisch ist ja nur einer von vielen Aspekten, bei denen wir als Konsumentinnen und Konsumenten Verantwortung übernehmen könnten und sollten. Dazu brauchen wir offensichtlich etwas Hilfe, also eine gewisse Steuerung vom Staat – und das will halt auch wieder niemand. Weil es unangenehm ist und etwas kostet.