Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Empfehlungen des Bundes
Halb so viel Fleisch? Immer noch viel zu viel für die Umwelt!

Hülsenfrüchte kunstvoll auf einem weissen Teller arrangiert, ausgestellt auf der RHS Herbstschau in London.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk
In Kürze:
  • Neue Empfehlungen betonen erstmals nachhaltige Ernährung als zentrale Komponente.
  • Untersuchungen zeigen, dass die Klimaziele im Rahmen der Ernährungsempfehlungen des Bundes nicht zu erreichen sind.
  • Das Schweizer Konsumverhalten liegt weit von den empfohlenen Ernährungsweisen entfernt.
  • Vorschläge für klimafreundlichere Ernährung umfassen verbesserte Landwirtschaft und Förderung pflanzlicher Proteine.

Ausgewogen, nachhaltig und genussvoll – so werden die Schweizer Ernährungsempfehlungen charakterisiert. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) sowie die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) haben diese im September 2024 vorgestellt.

Neu an den Empfehlungen ist vor allem der Aspekt der Nachhaltigkeit: Die neue Lebensmittelpyramide zeigt nicht nur auf, wie eine gesunde und ausgewogene Ernährung aussieht, sondern berücksichtigt auch den Ressourcenbedarf von Lebensmitteln und die Auswirkungen der Ernährung auf das Klima. Eine Folge davon ist zum Beispiel, dass in der Rubrik Proteine der Schweizer Lebensmittelpyramide zuerst klimafreundliche Hülsenfrüchte und Tofu erwähnt werden und erst dann Eier und Fleisch, deren Umweltbilanz deutlich schlechter abschneidet.

Doch reichen diese Empfehlungen aus einer Umweltperspektive aus? Immerhin sind die Produktion, der Transport, die Verarbeitung und der Handel von Lebensmitteln für etwa ein Viertel des gesamten ökologischen Fussabdrucks der Schweiz verantwortlich.

«Wir haben überprüft, ob eine umweltfreundliche Ernährung im Rahmen der Ernährungsempfehlungen des Bunds wirklich möglich ist», sagt Niels Jungbluth, Geschäftsführer und Inhaber von ESU-services, einem auf Ökobilanzen spezialisierten Unternehmen. Dazu hat er gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Angelo Steffanel im Auftrag von Greenpeace und WWF Schweiz einen Bericht verfasst.

Bandbreite der Empfehlungen erlaubt verschiedene Diäten

Zentral für den ESU-Bericht ist die Tatsache, dass die neuen Ernährungsempfehlungen eine gewisse Bandbreite zulassen, innerhalb der eine gesunde Ernährung möglich ist. So empfehlen BLV und SGE zum Beispiel maximal 200 bis 360 Gramm Fleisch pro Person und Woche. Das beinhaltet auch die Möglichkeit, vollständig auf Fleisch zu verzichten und auf pflanzliche Proteinquellen zuzugreifen.

Konkret untersucht haben Jungbluth und sein Mitarbeiter daher zwei Extreme der möglichen Bandbreite: erstens eine Ernährung mit der maximal empfohlenen Menge Fleisch, also 360 Gramm pro Woche, dazu weitere tierische Proteinquellen wie Eier, viele Milchprodukte und drei Tassen Kaffee am Tag.

Bei der zweiten untersuchten Diät, die ebenfalls im Rahmen der Empfehlungen für eine gesunde Ernährung liegt, wird weitestgehend auf die besonders klimaschädlichen Lebensmittel verzichtet. Das bedeutet im Wesentlichen eine vegetarische Ernährung: kein Fleisch, kaum Eier und wenig Milchprodukte. Dafür werden mehr pflanzliche Proteinquellen konsumiert. Da Kaffee recht umweltschädlich ist, wird darauf zugunsten von Schwarztee verzichtet, ebenso auf alkoholische Getränke, Süssigkeiten und salzige Snacks, da sie einer gesunden Ernährung abträglich sind.

Diese beiden Extreme – eine Maximal- und eine Minimalvariante der Ernährungsempfehlungen – werden im Bericht detailliert hinsichtlich der gesamten Umweltbilanz bis zum Einkauf im Supermarkt analysiert, inklusive Düngung, Anbau und Transport. Die Ernährungsempfehlungen und damit auch die untersuchten Szenarien gelten dabei nur für gesunde Erwachsene und nicht für Schwangere, Kinder oder kranke Personen.

Um die Resultate einzuordnen, zieht der ESU-Bericht die Klimaziele des Bundesrats heran. Dieser hat sich verpflichtet, den Klimafussabdruck der Ernährung bis 2030 um 25 Prozent im Vergleich zu 2020 und bis 2050 um mindestens zwei Drittel zu senken. Aktuell liegt zum Beispiel der durchschnittliche Fleischkonsum in der Schweiz bei rund 900 Gramm pro Person und Woche, also mehr als doppelt so hoch wie maximal empfohlen. Zusammen mit dem Konsum anderer klimaschädlicher Lebensmittel hat das zur Folge, dass die heutigen ernährungsbedingten Emissionen je nach Berechnung bei 1,7 oder 1,9 Tonnen CO₂-Äquivalenten pro Person und Jahr liegen. Diese müssen bis 2050 auf circa 0,6 Tonnen CO₂-Äquivalente reduziert werden.

Ist das mit der Minimal- oder gar mit der Maximaldiät im Rahmen der Ernährungsempfehlungen zu schaffen?

«Eine Ernährung mit 360 Gramm Fleisch pro Kopf und Woche gemäss der Maximaldiät ist zwar deutlich besser als die durchschnittliche heutige Ernährung mit rund 900 Gramm», sagt Jungbluth. «Sie ist aber nicht mit den Schweizer Klimazielen kompatibel.» Denn die Maximaldiät würde heute noch immer Emissionen von rund 1,4 Tonnen CO₂-Äquivalenten verursachen – weit mehr als die angestrebten 0,6 Tonnen.

Aber selbst mit der stark von Verzicht geprägten Minimaldiät gelingt es nicht, die Klimaziele des Bundesrats einzuhalten: Mit dieser Ernährung liesse sich der Klimafussabdruck gemäss ESU-Bericht auf etwa 0,7 Tonnen CO₂-Äquivalente pro Person und Jahr reduzieren.

Klimafreundliche Ernährung weit von der Realität entfernt

Eine Ernährung nach der Minimaldiät ist allerdings meilenweit vom tatsächlichen durchschnittlichen Konsum der Schweizerinnen und Schweizer entfernt. «Weniger als zehn Prozent der Bevölkerung sind heute bereit, auf Kaffee, Alkohol und Fleisch zu verzichten», sagt Jungbluth.

Daher brauche es neben einer klimafreundlicheren Diät weitere Massnahmen, um die Klimabilanz der Ernährung zu verbessern. Dazu gehört laut Jungbluth eine verbesserte Umweltbilanz der landwirtschaftlichen Produktion, indem zum Beispiel mit Diesel betriebene Landmaschinen sukzessive durch elektrisch angetriebene ersetzt werden. Weiter könne die landwirtschaftliche Produktion hinsichtlich der Klimaemissionen optimiert werden, etwa indem Dünger möglichst sparsam und gezielt zum Einsatz kommt. Und schliesslich würde eine Reduktion der Lebensmittelabfälle die Umweltbilanz der Ernährung substanziell verbessern.

«Je mehr es gelingt, die Umweltbilanz der Nahrungsmittelproduktion mit solchen Massnahmen zu verbessern, desto weniger wichtig wird der Verzicht auf gewisse Lebensmittel», sagt Jungbluth.

Das Bundesamt für Umwelt (Bafu), das auch an der neuen Lebensmittelpyramide mitgewirkt hat, hat keine genauen Zahlen zur Umweltbilanz der im ESU-Bericht untersuchten Maximal- und Minimaldiät, verweist aber auf eine Studie, die 2017 von Agroscope publiziert wurde. Dort wird speziell für die Schweiz eine umweltschonende Ernährung untersucht.

Durch verschiedene Handlungsansätze sei es jedenfalls möglich, die Ernährung gesünder und ressourcenschonender zu gestalten, sagt Moritz Heiser, Informationsbeauftragter des Bafu. «Es braucht Verbesserungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, das heisst, alle Akteure vom Feld bis zur Gabel sind gefordert», so Heiser. «Die Begrenzung des CO₂-Ausstosses muss in verschiedenen Bereichen erfolgen, etwa durch die Reduktion von Food-Waste sowie technische Optimierungen.»

Umschichtung der Subventionen in der Landwirtschaft gefordert

Wie Yasmin Matthys, die Mediensprecherin des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, mitteilt, «wird die Thematik auch Teil der Schweizer Ernährungsstrategie 2025 bis 2032 sein, welche in diesem Jahr publiziert wird».

Um eine klimafreundliche Ernährung zu fördern, plädiert Studienautor Jungbluth für eine Umschichtung der Subventionen in der Landwirtschaft, weg von den tierischen Produkten, hin zur pflanzlichen Produktion. «Auch in der Schweiz können eiweissreiche Pflanzen wie Hülsenfrüchte, Hafer für Hafermilch und Nüsse angebaut werden», sagt Jungbluth. Um Konsumenten und Konsumentinnen vegetarische oder vegane Alternativen schmackhaft zu machen, könnte der Staat laut Jungbluth Geld in Aufklärung stecken statt in Werbung zur Erhöhung des Konsums von Schweizer Fleisch. «Denn wer seinen Fleischkonsum reduziert, tut nicht nur der Umwelt, sondern auch der eigenen Gesundheit etwas Gutes.»

«Müssen wir nun alle Vegetarier werden?» Am 10. Februar lädt der «Tages-Anzeiger» zu einer Podiumsdiskussion über die neue Ernährungspyramide ins Kaufleuten ein. Moderiert wird der Anlass von Anke Fossgreen, Ressortleiterin Wissen. Eintrittskarten können Sie hier kaufen.

Newsletter
Celsius
Erhalten Sie die wichtigsten Hintergründe und Analysen rund um Klima und Wetter.

Weitere Newsletter