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Der Polit-Geschlechtergraben
Ein Jahr lang rechte Männer daten: Was eine Linksliberale dabei gelernt hat

Die linksliberale Journalistin Vera Papisova mit platinblondem Haar und Leoparden-Print-Jacke spricht in einem modernen Innenraum.
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In Kürze:
  • Die US-Journalistin Vera Papisova traf sich ein Jahr lang mit rechtskonservativen Männern.
  • Auf einer konservativen Dating-App matchte sie sogar mit einem früheren Stalker.
  • Die meisten Männer fühlten sich isoliert und waren unfähig zu echtem Dialog.

Es ist ein weltweites Phänomen: Junge Frauen haben keine Lust auf rechte Männer, und junge Männer tendieren eher nach rechts. Dort finden sich manche online in der sogenannten Manosphere wieder, in der sie sich mit frauenfeindlichen Sprüchen über die emanzipierte Welt echauffieren und sich wundern, dass sie keine passende Partnerin abbekommen.

So wirkt es zumindest von aussen und in den Mainstream-Medien. Aber wie sind diese Typen wirklich? Vera Papisova, eine russisch-amerikanische Journalistin, wollte genau wissen, wie diese in Wahrheit ticken; ob sie bisher vielleicht Vorurteilen aufgesessen ist – und ob eine Liebe über ideologische Grenzen hinweg funktionieren könnte. Knapp ein Jahr lang hat sie sich deshalb mit Männern aus dem rechtskonservativen Dating-Pool der USA getroffen und war offen für mehr. Nun hat sie ihre Erkenntnisse aus dem Selbstexperiment im «Cosmopolitan» publiziert.

Auf der konservativen Dating-App, die sie auswählte, stellte sie sich ganz ehrlich als 34-jährige Frau mit linksliberalem Hintergrund vor, die von der Hilf- und Hoffnungslosigkeit der demokratischen Parteigänger enttäuscht sei und neugierig darauf, was die andere Seite zu bieten habe. Sie sei bereit für neue Perspektiven. Allerdings nannte sie sich Veronica und sagte nichts über ihre Artikel zu den Themen Frauenrechte, sexuelle Übergriffe, Abtreibung und soziale Gerechtigkeit.

Er wollte seine Ex im Gefängnis sehen

Und prompt bekam sie, neben 60 weiteren Matchs, auch einen Match von einem Mann, der ihr vor Jahren einst wegen eines Artikels mehrere Todesdrohungen geschickt hatte: «Ich werde dich töten, schön langsam …», hatte er angekündigt. Mit ihm sowie mit 13 anderen Singles würde «Veronica» sich im Laufe der Monate mehrmals treffen. Mit der Zeit schälten sich gewisse Konstanten heraus: Viele der Männer gaben ihr unausgesprochen und teils auch explizit zu verstehen, wie extrem verloren und unsicher sie sich fühlten ohne eine fixe Definition dafür, was ein Mann ist und sein soll. Selbst wenn sie all ihre eigenen Männlichkeitskriterien erfüllten, hatten sie das Gefühl, damit im Abseits zu stehen.

Etliche ihrer inneren Glaubenssätze scheinen, so Papisova, «auf dieser angenommenen Zurückweisung zu fussen und auf der Sehnsucht, dahin zurückzukehren, ‹wie es früher gewesen war›». Zwar hatte die Journalistin von Anfang an jene aussortiert, die etwa die Gewalt vom Sturm aufs Capitol 2021 begrüssten und diese stolz mit ihrer privaten Gewalttätigkeit im Bett verglichen. Aber auch die anderen Kandidaten verherrlichten problematische Ideale, oft zum Beispiel jenes der weissen, christlichen Frau oder auch die «Reines-Blut-Ideologie», die sich darauf bezieht, dass man sich nicht gegen Covid-19 hat impfen lassen. Ein weiteres geläufiges Stichwort in den Datingprofilen und Anfangsgesprächen war «anti-feminism».

Bryan* (35; alle Namen geändert) war denn auch nicht der Einzige, der von den «natürlichen weiblichen Rollen» schwärmte und von seiner Aufgabe als Ernährer und Diszipliner der Frau. Jake* (36) ereiferte sich über eine frühere Freundin, die abgetrieben hatte und die, wenn es nach ihm ginge, im Gefängnis sitzen sollte. Tom* (27), selbst gar nicht mal so religiös, war es wichtig, dass seine künftige Frau den kommenden Kindern die Bibel und das Christentum nahebringen würde, und Ron* (42) spendete grosszügig den Anti-Abtreibungs-Kliniken. Matthew* (25) wiederum regte sich darüber auf, dass jemals eine Frau dem Secret Service vorgestanden hat (bei Obama und bei Biden).

Ein junger Mann trainiert in einem Boxkurs des Fight Club Nanoq in Nuuk, Grönland, geleitet von Trainer Mahmoud Minaei.

Papisova begann zu begreifen, dass die meisten dieser Männer sich ungehört, unverstanden und isoliert fühlten und sich längst von allen Mainstream-Informationskanälen losgesagt hatten. Dabei hatten sie sich tragischerweise derart in sich selbst verkrochen und auf ihre tatsächlichen und vermeintlichen Verletzungen versteift, dass sie auch nicht mehr in der Lage waren, ihrem weiblichen Gegenüber (hier also Papisova) Fragen zu stellen und mitmenschliches Interesse zu zeigen. Fragen wie: Warum willst du eigentlich mehr über die Republikaner erfahren? Was sind deine persönlichen Ziele im Leben? Was deine Werte? Was suchst du in einem Partner? – Empathie und Kommunikationsgeschick: eine Nullnummer.

Das Erstaunlichste für die Journalistin aber war, dass ihr der Mann mit den Todesdrohungen, Jared*, Mitte 30, am Ende noch von allen am nächsten kam. Er schilderte ihr mit seiner sanften Stimme seine Jugendzeit, geprägt von Schlägereien und voller toxischer Energie, die er als Sportler so kultiviert habe, dass es zu einem schlimmen Vorfall gekommen sei (über den er nicht sprechen konnte). Er berichtete von Drogen- und Alkoholproblemen und davon, dass er nun andere Männer mit solchen Schwierigkeiten unterstütze. Dass Männer wie er sich häufig irgendwann bei den Opfern ihrer Ausbrüche entschuldigten. Das verbuchte Papisova als seine – unbewusste – Entschuldigung für die Todesdrohung von einst.

«Weisse, linksliberale Frauen sind eine Plage der Gesellschaft»

Trotzdem bekam Jared bei den Dates regelmässig unkontrollierte Wutanfälle über weisse, linksliberale Frauen. Er schäumte, sie seien eine Plage für die Gesellschaft und erzählten Lügen über Donald Trump. Er identifizierte sich mit dem US-Präsidenten auf geradezu krankhafte Weise, sagte «ich», wenn er «er» meinte. Am Ende musste Papisova auch ihm mitteilen, dass sie für eine gemeinsame Zukunft zu verschieden denken würden. Er war anderer Meinung, doch sie sah ihn nie wieder.

Die Journalistin erkannte, dass sie vielleicht zu naiv gewesen war – und dass sie in der Liebe nicht die Heilerinnenrolle innehaben will. Sie sei ernsthaft offen gewesen für eine Beziehung, aber nach all den Dates war ihr klar geworden: «Ich bin zu anders als diese Männer – auf Weisen, die eine romantische oder sexuelle Anziehung verunmöglichen.»