#MeToo: Britischer Starkomiker angeklagtWas jetzt, schon wieder einer?
Die unbewiesenen Vorwürfe gegen Russell Brand wegen sexueller Belästigung treffen einen Komiker, der seit längerem mit masslosen Ansichten auffällt.
Dass etwas mit ihm nicht stimmt: Er sagt es selber. Es ist sogar das Leitmotiv seiner neuen Show. «Bipolarisation» nennt Russell Brand sein Programm, ein Bekenntnis zu seiner bipolaren, früher hätte man gesagt: manisch-depressiven, Persönlichkeit. Der englische Komiker trat damit noch am Samstag in London auf, seine Fans feierten ihn.
Weitere Auftritte sind allerdings abgesagt. Das lässt sich dahingehend interpretieren, dass Brand die letzten, unbewiesenen Vorwürfe gegen ihn ernst nimmt – auch wenn er sie schon am Freitag in Interviews kategorisch abstritt und als «koordinierte Attacke von Mainstream-Medien» bezeichnete. Die «Sunday Times» und der Sender Channel 4 berichteten am Wochenende von vier Frauen, die schwere Vorwürfe gegen den Prominenten richten, drei von ihnen anonym.
Sie alle sagen aus, Brand habe sie in den Jahren 2006 bis 2013 sexuell massiv belästigt, in einem Fall sogar vergewaltigt. Überhaupt habe er sich Frauen gegenüber während Jahren übergriffig verhalten.
Die Leere nach dem Drogenentzug
Brand bestreitet seine damalige ausschweifende Promiskuität nicht und gab schon früher sein «bad behaviour» zu, sein schlechtes Benehmen. Allerdings spricht er heute von durchwegs konsensuellem Verhalten, der Sex der Frauen mit ihm sei also freiwillig erfolgt. Er selber habe damit die Leere bekämpft, die er nach seinem Drogenentzug verspürt habe.
Am Montag überboten sich englische Medien mit Berichten, Reaktionen und Kommentaren zum Fall. Prominente wie Russell Brands ehemalige Frau Katy Perry kritisierten, andere wie Elon Musk verteidigten ihn. Mehrere Frauen sagten aus, das Problem übergriffiger Medienmänner gehe weit über die Vorwürfe gegen Russell Brand hinaus.
Nun gilt für den 48-jährigen Komiker, der sich schon öffentlich gegen den Missbrauch von Frauen ausgesprochen hat, immer noch die Unschuldsvermutung. Und es sei hier an zwei Prominente erinnert, denen gegenüber in der Öffentlichkeit ebenfalls Vorwürfe der sexuellen Belästigung vorgebracht wurden: an den amerikanischen Schauspieler Kevin Spacey und den deutschen Sänger Till Lindemann. Nur wurde Spacey in zwei Prozessen, die in New York und London abgehalten wurden, in allen Anklagepunkten freigesprochen. Und bei Lindemann trat die Berliner Staatsanwaltschaft gar nicht erst auf die Klagen ein, weil sie diese für nicht beweisbar hielt.
Das Schrille war das Tolle
Unbestritten bei Russell Brand bleibt, dass er immer schon zu Extremen neigte, was den Vorwürfen gegen seine Ausfälligkeiten Gewicht gibt. Dazu kommt, dass er schon seit Jahren mit zunehmend schrillen Ansichten von sich reden macht. Und zwar umso heftiger, je länger er nicht mehr bei herkömmlichen Sendern wie der BBC aufgetreten ist, sondern seine Aktivitäten ins Internet verlagert hat.
Dabei unterhielt der Masslose seine 28 Millionen Follower in den Social Media und auf Youtube mit Überzeugungen, die nicht anders zu bezeichnen sind denn als Verschwörungstheorien. So behauptete er im Ernst, der kanadische Premier Justin Trudeau wolle die Privatsphäre zerstören und sei dabei Teil einer globalen Verschwörung, zu der Brand auch Klaus Schwab zählt, Gründer des Weltwirtschaftsforums von Davos.
Er ritt Attacken gegen Barack Obama, Joe Biden und Bill Gates und sagte unter vielem anderen, die BBC sei heimlich der amerikanischen Rechten erlegen und die Weltgesundheitsorganisation der UNO übe eine destruktive Macht aus.
Nun war der Exzess gerade das, was Russell Brand als Komiker auszeichnete, wie alle bezeugen können, die ihn bei seinem Auftritt im Zürcher Kongresshaus gesehen haben. Das war im Februar 2014, also lange her. «The Messiah Complex» nannte der Engländer seine schlagfertige, intelligente und hemmungslose Show, in welcher er seinen Narzissmus parodierte, indem er ihn inszenierte.
Zunächst ging er zwanzig Minuten lang durch die Publikumsreihen und pries sich an. Dann verglich er sich auf der Bühne mit anderen Komikern wie Mahatma Gandhi, Malcolm X und Jesus von Nazareth. So gesehen war es nur konsequent, dass Brand einmal ein Stück ankündigte, das er «My Life by William Shakespeare» nannte.
Damals war er lustig.
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