Anti-Merkel-SymbolfigurMerz bringt sich in Position
Friedrich Merz half CDU-Chef Armin Laschet, den Angriff von Markus Söder abzuwehren. Nun soll er eine Lokomotive in Laschets Wahlkampf werden. Und im Herbst Superminister in Berlin?
Mit 65 fängt für viele ein neues Leben an, vielleicht auch bald für Friedrich Merz. Nur andersrum. Zweimal war der Wirtschaftsanwalt und Politrentner seit 2018 knapp daran gescheitert, die Führung der Christdemokraten zu übernehmen. Hätte er es geschafft, wäre er vermutlich jetzt Kanzlerkandidat der Union für die Bundestagswahl im Herbst, nicht Armin Laschet.
Nachdem es zunächst so ausgesehen hatte, als ob seine letzte Niederlage Merz endgültig aufs Altenteil befördern würde, steht er drei Monate danach plötzlich wieder in der ersten Reihe. In Laschets Wahlkampf soll die Sehnsuchtsfigur der deutschen Liberalkonservativen eine zentrale Rolle spielen, ab Herbst dann möglicherweise auch in dessen Regierung.
Dabei schien Merz im Januar noch am Tief-, ja am Endpunkt angelangt. Bombensicher war er sich gewesen, den CDU-Vorsitz zu erobern – und verlor doch. In der Enttäuschung beging er einen groben Fehler: Statt Laschets Aufforderung nachzukommen, die CDU künftig aus dem Präsidium mitzugestalten, forderte Merz frech das Amt des Wirtschaftsministers in Angela Merkels Regierung als Trostpreis.
Laschet und Merkel, seine politische Erzfeindin seit 20 Jahren, liessen ihn kühl abblitzen. Viele spotteten über seine Anmassung. Merz tauchte ab und schmollte. Erst kürzlich räumte er seinen Fehler ein: «Falsch» und «instinktlos» sei es gewesen, ein solches Amt zu fordern, sagte er und entschuldigte sich. Seine Anhänger seien zu Recht enttäuscht von ihm gewesen.
Wie nützlich Merz seinem neuen Chef Laschet sein kann, wenn er will, zeigte sich vor kurzem. Im Machtkampf gegen CSU-Chef Markus Söder ergriff er beherzt Partei für seinen parteiinternen Besieger. Er lobte dessen Fähigkeiten, unterschiedliche Flügel zu integrieren, und griff Söder für dessen Populismus und die Missachtung der CDU-Gremien scharf an.
Merz tat dies, obwohl er wusste, dass viele seiner Anhänger Söder bevorzugten. Sein Schritt lässt sich aus einer Kombination von Gefühl und Kalkül erklären: Laschet fühlt sich Merz seit vielen Jahren persönlich verbunden, mit Söder eint ihn nur gegenseitige Abneigung. Unter einem Kanzler Söder wäre ein Minister Merz unwahrscheinlich gewesen, unter Laschet hingegen mehr als nur eine Option. Und hätte Laschet den Machtkampf mit Söder trotzdem verloren, hätte Merz ihn immerhin als CDU-Chef beerben können – im dritten Anlauf.
Nun aber hat Merz seine späte politische Karriere fest an Laschet geknüpft. Der 60-jährige Aachener erwartet sich von Merz vor allem dort Hilfe im Wahlkampf, wo man über Söders Scheitern schwer enttäuscht ist. Am dringlichsten ist der Einsatz in Sachsen-Anhalt, wo Anfang Juni ein neuer Landtag gewählt wird und die regierende CDU von der AfD stark bedrängt wird. Ministerpräsident Reiner Haseloff unterstützte zwar Söder, nicht Laschet. Aber von Merz, der im Osten als Anti-Merkel-Symbolfigur beliebt ist, will er sich sehr gern helfen lassen.
Merz ist bereits im Wahlkampfmodus: In einem Interview mit dem «Spiegel» sagte er den Grünen um Annalena Baerbock den Kampf an. Er bezweifle, dass die 40-Jährige mit ihren spärlichen politischen und beruflichen Erfahrungen als Kanzlerin geeignet wäre: «Ich würde den Grünen die aussen-, verteidigungs- und wirtschaftspolitische Führung dieses Landes als Wähler ungern anvertrauen.»
Auch auf einer anderen Ebene bringt sich Merz in Position: In einem rabiaten Manöver holte er sich den Wahlkreis im heimatlichen Sauerland zurück, den er bereits von 1994 bis 2009 im Bundestag vertreten hatte – ausgerechnet gegen jenen Politiker, der ihm damals nachgefolgt war. Merz wird ab Herbst also wieder im Bundestag sitzen.
Aber natürlich will er noch mehr. Laschet soll, so heisst es, im Wahlkampf bald eine Art «Schattenkabinett» oder «Zukunftsteam» bezeichnen, um sich besser von Merkels Corona-gebeutelter Regierungstruppe abzuheben. Merz könnte darin eine herausgehobene Rolle spielen. So liessen sich nicht nur seine vielen Anhänger besänftigen, er könnte auch Wähler zurück zur CDU bringen, die wegen Laschet derzeit zur FDP oder zur AfD neigen. «So wie in den letzten Jahren kann es in der CDU und vor allem in Berlin jedenfalls nicht weitergehen», kündigt Merz an.
Sollte Laschet im Herbst tatsächlich Kanzler werden, hätte Merz sich endlich die erhoffte Belohnung verdient: ein Superministerium mit Wirtschaft und Digitalem zum Beispiel. Während Merkel als 67-Jährige das Kanzleramt verlassen und in Rente gehen wird, finge es für Merz noch einmal so richtig an.
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