Kampf um den CDU-VorsitzLetzte Chance für die Revanche
Vor zwei Jahren war er knapp gescheitert, nun könnte es gelingen: Friedrich Merz möchte am Samstag die CDU übernehmen und danach Angela Merkel als Kanzlerin ablösen – seine alte Gegenspielerin.
Ist der «Mann von gestern» der Mann, der die deutschen Christdemokraten bald in die Zukunft führen wird? In jedem Fall verkörpert keiner die Sehnsucht vieler Konservativer nach der «alten CDU» besser als Friedrich Merz. Von Angela Merkel, Helmut Kohls «Mädchen» aus dem Osten, im Kampf um die Macht einst verdrängt, weckt der 65-Jährige aus dem westfälischen Sauerland auch zwanzig Jahre danach noch Hoffnungen.
Seine Anhänger wünschen sich, dass er die CDU endlich «aus Merkels Fängen» befreie, deren «Sozialdemokratisierung» zurückdrehe und mit konservativem Kurs die rechts von ihr erstandene Alternative für Deutschland (AfD) wieder an den Rand dränge. Gemäss Umfragen hat Merz ziemlich gute Chancen, am Samstag von den Delegierten zum neuen CDU-Chef gewählt zu werden.
Der Anti-Merkel
Es ist seine zweite und letzte Gelegenheit. Vor zwei Jahren hatte Merz die Kampfwahl gegen Annegret Kramp-Karrenbauer um Haaresbreite verloren. Nach zehn Jahren Abwesenheit war er damals sensationell in die deutsche Politik zurückgekehrt und hatte unter Konservativen Begeisterung ausgelöst. Diesmal sei er besser vorbereitet, sagt Merz.
Der zwei Meter lange, drahtige Mann mit der spitzen Nase ist als Politiker so ziemlich alles, was Merkel nicht ist. Wo sie laviert, spitzt er zu. Wo sie sich zurückhält, greift er an. Wo sie moderiert, zeigt er Kante. Er kann reden und mitreissen, er wägt nicht nur ab, sondern hat auch Visionen. Die autoritäre Geste, mit der in der alten CDU Führungsstärke meist identifiziert wurde, personifiziert er geradezu.
Mit Merkel verbindet ihn eine alte Feindschaft und Kränkung. Am Ende der Ära Kohl galt Merz als eines der grössten Talente der CDU, als möglicher Kanzler. Doch das unterschätzte Machtgenie Merkel drängte den Feuerkopf kühl zur Seite.
Auf Drängen der jungen Garde überliess Merkel 2002 die Kanzlerkandidatur dem damaligen CSU-Chef Edmund Stoiber – liess sich aber im Gegenzug den Fraktionsvorsitz im Bundestag zusichern, falls Stoiber SPD-Kanzler Gerhard Schröder unterliegen würde. Mit diesem Zug erledigte die CDU-Vorsitzende den bisherigen Fraktionschef Merz.
Als Wirtschaftsanwalt eine grosse Nummer
Die Niederlage hat dieser nie verwunden. Als Merz einsah, dass er in der Merkel-CDU nichts mehr werden würde, zog er sich beleidigt aus der Politik zurück. In konservativen Männerzirkeln und Wirtschaftsrunden pflegte er noch seinen Mythos als unerfüllte Hoffnung und bestärkte seine Fans und sich selber in der Meinung, dass er als Kanzler alles anders – und natürlich besser – gemacht hätte als Merkel. Öffentlich hielt er sich zurück.
Dafür machte der neoliberale Anwalt in der Wirtschaft Karriere und Millionen. Freilich nicht als Manager oder Unternehmer, wie viele seiner Anhänger meinen, sondern als Verwaltungsrat, Berater, Lobbyist und Netzwerker. Merz, der vielen als geborener Anführer gilt, geht faktisch auch in der Politik fast alle Führungserfahrung ab. Er leitete zwar zwei Jahre lang die Fraktion, war aber nie Bürgermeister oder gar Minister, weder auf Landes- noch auf Bundesebene. Das ist im Kampf um den Vorsitz gegen den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet eine seiner grössten Schwächen.
Die Begeisterung seiner Anhänger, die vor allem in konservativen Landstrichen im Südwesten und im Osten Deutschlands leben, schmälert das nicht. Mit Merz, glauben sie, werde in der CDU endlich wieder Schluss sein mit «grenzenloser Einwanderung», «Klimahysterie», «Homo-Ehe» und Frauenquote. Der Rückwärtssalto in die Vergangenheit der Partei, die Merkel an gesellschaftliche Entwicklungen angepasst hatte, fühlt sich für sie an wie ein natürlicher Aufbruch in eine bessere Zukunft.
Viele in der CDU, insbesondere die führenden Köpfe in Kanzleramt, Vorstand und Fraktion, fürchten sich vor solchen Fantasien. Merz habe einfach noch eine Rechnung mit Merkel offen, lästern sie, er wolle Deutschland, der Partei und sich selbst beweisen, dass sie sich in ihr geirrt hätten. Ihm gehe es nur um sich, für die CDU habe er sich nie wirklich interessiert. Als Beleg gilt, dass Merz nach der Niederlage 2018 jedes Amt in der Partei ausgeschlagen und lieber hinter den Kulissen gegen die neue Parteichefin und die Kanzlerin gestichelt habe.
Und dann Kanzler?
Noch schwerer wiegen die strategischen Bedenken. Merz polarisiert. Während seine Anhänger die Rückkehr zu «CDU pur» als überfällig bejubeln, fürchten viele Amtsträger, dass seine konservative «Kante» vor allem die Gegner mobilisiert und die eigene Partei spaltet. Die vielen Wähler, die Merkel in der politischen Mitte erschlossen habe, drohe man zu verlieren, und bei FDP und AfD werde man gleichzeitig nur wenig gewinnen. Die Grünen etwa, die neuerdings in die Mitte drängen, könnten sich keinen besseren Gegner wünschen als Merz.
Merz weiss um die Bedenken. Er versuchte sie in den vergangenen Monaten zu entkräften, indem er seine konservativen Ansichten fast krampfhaft verbarg, viel von Klimapolitik sprach, Merkel für ihre Corona-Politik lobte und ein Buch schrieb («Neue Zeit – Neue Verantwortung»), das von Banalitäten nur so strotzt.
Siegt Merz im Kampf um den Vorsitz, wird er mit Macht auch die Kanzlerkandidatur von CDU und CSU für sich reklamieren. Ob er sich damit gegen die Bedenken an der Unionsspitze durchsetzen kann, ist nicht sicher. CSU-Chef Markus Söder etwa geniesst als Kanzleranwärter seit Monaten Beliebtheitswerte, von denen Merz nur träumen kann. Man munkelt, der 54-Jährige wolle eine Kandidatur von Merz unbedingt verhindern.
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