Wahl um den CDU-VorsitzSein Ruf als «Bruder Leichtfuss» machts ihm schwer
Armin Laschet, der Favorit des Parteiestablishments, möchte am Samstag Chef der CDU und im Herbst Kanzler werden. Sein Schlingerkurs in der Corona-Krise hat jedoch Zweifel an seiner Führungsstärke geweckt.
«Die CDU muss ausstrahlen, dass die 16 Jahre mit Angela Merkel für Deutschland gute Jahre waren», sagt der Mann, der im Herbst der Kanzlerin nachfolgen möchte. Ist Armin Laschet sogar «Merkel als Mann», wie die «Zeit» einmal schrieb? Deren Fortsetzung mit rheinisch-katholischen Mitteln?
Sicher ist, dass der nordrhein-westfälische Ministerpräsident die deutsche Christdemokratie auf Merkels «Mitte»-Kurs halten will und Politik wie sie nicht als autoritäre Ansage, sondern als Suche nach Konsens und Mass versteht. Konservative in der CDU, wie etwa Friedrich Merz, sein hauptsächlicher Rivale um den Parteivorsitz, halten Laschet deswegen für eine Art verkappten Sozialdemokraten – wie Merkel auch.
Merkels Helfer in der Flüchtlingskrise
Als wichtigster Beleg gilt ihnen, dass Laschet Merkel in der Flüchtlingskrise 2015/16 kräftig unterstützte. Er tat es aus Überzeugung: Als Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen hatte er sich bereits in den 2000er-Jahren um das Fortkommen von Einwanderern gekümmert, als das in der CDU noch als exotisch galt. «Türken-Armin» nannten ihn Parteifreunde damals. Es war nicht nett gemeint.
Als gläubiger Katholik übersetzt der ehemalige Messdiener und Chefredaktor einer Kirchenzeitung die christliche Soziallehre instinktiv in eine mitfühlende Politik. Aufgewachsen in Aachen, im Dreiländereck zu Belgien und den Niederlanden, ist der 59-Jährige ein echter «Herzenseuropäer», der im Zweifel eher europäisch denkt als national. Schon in den 1990er-Jahren suchte er zudem den Austausch mit den damals noch sehr aufmüpfigen Grünen – und regiert seit 2017 in Nordrhein-Westfalen doch freudig mit der FDP.
Eher menschlich als Machtmensch
Laschet ist ein rheinischer Gemüts- und Familienmensch mit ausgeprägtem Hang zu Geselligkeit und Ausgleich. Als er mal in einen Swimmingpool fiel, hielt er seinen Zigarillo trocken, während das Handy ins Wasser plumpste. Bei den meisten Spitzenpolitikern wäre es wohl umgekehrt gewesen.
Sein Drang zur Macht ist keineswegs ungebremst. In der Vergangenheit kam Laschet meist erst zum Zug, nachdem andere ihre Chance verspielt hatten. Chef der Landespartei wurde er erst im zweiten Anlauf, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen nur, weil die einst höchst beliebte Sozialdemokratin Hannelore Kraft lustlos und erschöpft wirkte. Als Merkel den Vorsitz der CDU abgab, kandidierte Laschet auch erst für ihre Nachnachfolge. Und auch das erst nach langem Zögern.
Damals, kurz bevor Corona alles veränderte, galt der Mann, der das bevölkerungsreichste deutsche Bundesland regiert, als klarer Favorit für den CDU-Vorsitz. Umso mehr, als es ihm auch noch gelang, mit dem jungen Jens Spahn einen Vize zu gewinnen, der bei Konservativen Anklang fand.
Als das Virus sich ausbreitete, sank sein Stern plötzlich. Während Gesundheitsminister Spahn oder der bayerische Ministerpräsident Markus Söder Entschlossenheit und Sicherheit ausstrahlten, wirkte Laschet oft zögerlich, fahrig, wankelmütig, überfordert. Erst musste er im Frühling zum «Lockdown» quasi getragen werden, dann sprach er gleich wieder von Öffnungen. Seitdem hängt ihm das Etikett des «Lockerers» und «Bruders Leichtfuss» an, obwohl er seine Politik seit dem Sommer längst angepasst hat.
Die richtigen Fragen gestellt?
Laschets Beliebtheitswerte erholen sich aber nur langsam, wenn überhaupt. Als Kanzler ziehen ihm die Deutschen Söder und Spahn deutlich vor, ja sogar Merz. Laschet hält die Kritik für ungerecht. Hat nicht er als Erster auf die Problematik der beispiellosen Grundrechtseingriffe hingewiesen? Auf die Tragik der einsam sterbenden Alten? Hat nicht er die Grenzen zu Belgien und Holland stets offengehalten, als überall sonst die Schlagbäume runterrauschten? Hat nicht er Weitsicht und Mass bewiesen, statt sich vom billigen «Rausch der Tatkraft» mitreissen zu lassen? Den Zahlen nach ist Nordrhein-Westfalen bisher jedenfalls eher besser durch die Pandemie gekommen als Söders Bayern.
In den zwei TV-Debatten, in denen sich die Anwärter der CDU kürzlich vorstellten, empfahl sich Laschet als einziger Kandidat, der bereits regiert «und auch schon mal eine Wahl gewonnen hat». Er wird am Samstag beim digitalen Parteitag die Stimmen vieler Delegierter bekommen, die schätzen, wie er in Düsseldorf trotz nur einer Stimme Mehrheit im Parlament nicht nur seine Koalition zusammenhält, sondern auch eine schwarz-gelbe Agenda voranbringt.
Viele im Parteiestablishment sind auch der Ansicht, nur ein Brückenbauer wie Laschet könne die auseinanderdriftenden Lager der letzten grossen christdemokratischen Volkspartei Europas zusammenhalten: von den Liberalen und Konservativen bis hin zu den Christlich-Sozialen. Und nur ein Mann des Ausgleichs vermöge die politische Mitte gegen die aufstrebenden Grünen zu behaupten, die im Herbst nur darauf warten, ehemalige Merkel-Wähler auf ihre Seite zu ziehen.
Nur ein «Durchwurschtler» ohne Profil?
Programmatisch ist von Laschet, obwohl er wie Merz von Erneuerung und wie Norbert Röttgen von Modernisierung spricht, wenig Elan oder Originalität zu erwarten. Sein 10-Punkte-Programm verspricht «ein innovatives und lebenswertes Deutschland». Vager geht es kaum. Die CDU werde nicht an ihrem Programm gemessen, hält Laschet entgegen, sondern ob man ihr vertraue, Deutschland gut zu regieren.
Das Vertrauen in die Führungs- und Durchsetzungskraft des Kandidaten Laschet war, wie gesagt, schon besser. Selbst wenn er zum Parteichef gewählt würde, ist deshalb keineswegs sicher, dass CDU und CSU in ihm auch den fähigsten Kanzlerkandidaten sehen. Vor allem CSU-Chef Söder, sein Gegenspieler im Frühling, wird möglicherweise mehr als nur ein Wort mitreden wollen.
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