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Meinung

Mamablog: Von Landeiern und Stadtkindern
Meine Kinder wachsen ganz anders auf als ich

Auch nach 15 Jahren in der Stadt: Im Herzen bleibt die Autorin ein Landei.
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Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Die Primarschulzeit verbrachte ich in einem 250-Seelen-Dorf, wo man alles voneinander wusste und zweimal täglich ein Postauto in die Stadt fuhr. Am Mittwoch kam der Migros-Wagen. In unserer Freizeit vergruben wir tote Hasen, badeten im Bach, lungerten in leerstehenden Häusern herum, rauchten Nielen oder halfen den Bauern. Später habe ich mich in einen Mann und eine Stadt verliebt. Winterthur ist zwar keine Grossstadt, es reichte aber für einen kleinen Kulturschock, als ich vor 15 Jahren herzog. Heute kann ich mir nur schwer vorstellen, woanders zu leben, mich abends nicht mehr sponti auf ein Bier verabreden oder alles mit dem Velo erreichen zu können.

Im Herzen bin ich noch ein Landei und vergesse immer wieder, dass meine eigenen absolute Stadtkinder sind. Sie finden die Idee, zum Znacht Momos zu bestellen, nicht abwegig. Sie sind es gewohnt, dass an jeder Ecke ein Kiosk steht und man alles, was einem in den Sinn kommt, theoretisch noch am gleichen Tag besorgen könnte. Sie wissen, wann Flohmi ist, was im Kino läuft, wo der beste Bubble-Tea-Laden steht, wann der FCW spielt und ob es noch Tickets gibt. Und sie wissen alles vor mir. Während ich noch halb im Pischi meinen Kaffee trinke, sind sie schon an Geschäften, Schlagzeilen und Werbungen vorbeigegangen.

Es vergeht kein Tag, an dem ich mir nicht ein Haus mit Garten und Ruhe wünsche.

Ich geniesse die Anonymität im Stadtquartier. Obwohl es wie ein kleines Dorf funktioniert, sind doch alle sehr mit sich beschäftigt. Wer sich allerdings leicht beeindrucken lässt, muss sich wappnen. Das Beschäftigungsangebot ist riesig, ebenso die Ausartungsgefahr. Allen erdenklichen Hobbys kann im Umkreis von 15 Velominuten nachgegangen werden. Es ist keine Seltenheit, wenn ein Kind Geige spielt, im Chor singt, den Schwimmkurs besucht, Mitglied im Unihockeyclub ist und ein Abo für die Kletterhalle besitzt.

36 Geburtstagspartys pro Jahr

Da die Kinder überbeschäftigt sind, wird für ein Geburtstagsfestli erst ein Doodle verschickt. Es kann locker ein halbes Jahr dauern von Geburtstag bis Party. Bei so viel Vorbereitungszeit wachsen die Ideen. Aus dem guten alten Schoggispiel wird eine Schatzsuche bis zum Hallenbad, am Schluss gehts zum Bodyflying oder Go-Kart. Sowieso gehört ein Goodiebag dazu – ein schönes Säckli mit Süssigkeiten, Radiergummis, Stiften, Tattoos, Kleberli und einem Dino-Ei (also eigentlich ein Adventskalender), den die Heimkehrenden den Geschwistern unter die Nase reiben können. Die Festlichkeiten finden am Wochenende statt, da unter der Woche eh niemand zu Hause ist. Sind drei Kinder bei je 12 Gspändli eingeladen, macht das 36 Partys im Jahr. Das heisst, etwa jedes zweite Wochenende wird um einen Kindergeburtstag herum geplant. Bei 36 Geschenken für andere Kinder ist eine Preiseinschränkung nötig, sagen wir 15 Franken. Das sind 540 Franken im Jahr für Geschenke, welche die Schenkenden als zu klein und zu wenig cool empfinden und die in vielen Fällen noch am gleichen Tag kaputt gehen.

Ich feiere Masslosigkeit. Aber manchmal nerven das Überangebot und die Übermotivation, die daraus resultiert. Wahrscheinlich ist es auf dem Land gar nicht anders. Die Zeiten haben sich halt geändert. Dafür begeistert mich dann wieder, mit welcher Selbstverständlichkeit und Coolness sich meine Jungs mit Velo und Trotti sicher durch den völlig wahnsinnigen Feierabendverkehr bewegen, um noch Milch und Brot zu holen. Es vergeht kein Tag, an dem ich mir nicht ein Haus mit Garten und Ruhe wünsche. Ich bin aber auch jeden Tag dankbar dafür, dass ich mich nicht ins Auto setzen muss und wir ein riesiges, absolut tolles Beziehungsnetz haben. Schlussendlich landen und bleiben wir dort, wo unsere Leute sind. Den Fünfer und das Weggli gibts vielleicht in der Migros, aber im Leben eher selten.

Veranstaltungstipp: Die Autorin kommt ans Züri-Fäscht 
Liebe Leserinnen und Leser, in eigener Sache: Am Sonntag, 9. Juli 2023 gibt es beim «Tages-Anzeiger»-Stand am Züri-Fäscht (Kurt-Guggenheim-Anlage beim Bürkliplatz) von 12 bis 18 Uhr Aktivitäten für die ganze Familie. Um 15 Uhr spielt die Kinderband Luusbuebe und um 16.30 Uhr gibts Slam-Poetry mit Mamabloggerin Maria Wyler. Wir freuen uns, Euch an der Kinderbar zu treffen! 
Mehr Infos findet ihr hier.