Zuschlag bei Medikamenten Wer Arzneien in der Apotheke kauft, zahlt eine Gebühr – das stört viele
Der Aufwand, den Apotheken beim Verkauf verrechnen, ist für viele ein Ärgernis. Wie die Apotheken die Abgabe begründen. Und wie man sie vermeidet.
Es geht nicht um hohe Beträge. Doch manche Kundinnen und Kunden empfinden sie als «Abzockerei». 4.30 Franken und 3.25 Franken verrechnen Apotheken für den sogenannten Medikamenten- und Bezugscheck.
Dabei geht es um pauschale Abgeltungen, die gemäss dem schweizerischen Apothekerverband Pharmasuisse auf einer Tarifvereinbarung mit den Krankenversicherungen basieren.
Im Rahmen des Medikamentenchecks müssen laut Pharmasuisse bei der Aushändigung von rezeptpflichtigen Arzneimitteln zwei Personen das Rezept kontrollieren. Dabei geht es unter anderem um Dosierung, Packungsgrösse und Risiken. Bei Zweifeln kommt es zu einer Rücksprache mit dem zuständigen Arzt. Der Pauschalzuschlag dafür beträgt 4.30 Franken.
Zudem steht der Apotheker oder die Apothekerin bei einer Fehldosierung in der Mitverantwortung – dies vor allem dann, wenn keine Rücksprache mit dem Arzt stattgefunden hat.
Beim Bezugscheck führt die Apotheke ein Patientendossier mit abgegebenen Medikamenten. Das soll dazu beitragen, Unverträglichkeiten von Medikamenten festzustellen, die verschiedene Ärzte verschrieben haben. Dafür beträgt die Pauschale 3.25 Franken.
Empörte Reaktionen
Dieser Redaktion liegen empörte Zuschriften von Leserinnen und Leser vor. Sie bezweifeln, dass der Aufwand für den Medikamentencheck gerechtfertigt ist, weil sie keine Beratung benötigen oder schon seit Jahren stets die gleichen Tabletten beziehen.
So schreibt ein Leser, der mehrmals jährlich für vier verschiedene Medikamente Nachschub besorgt: «Die Packungsgrösse ist immer dieselbe, die Medikation ebenfalls – diese Checks sind also reine Geldmacherei.» Ein anderer findet: «Für mich bleibt das eine seltsame Methode, die das Gesundheitswesen verteuert.»
Es gehe zwar nur um einen kleinen, aber unnötigen Betrag. Eine Leserin versteht nicht, weshalb die Apotheke eine Anordnung ihres Hausarztes überprüfen muss. Weitere ärgern sich, wenn sie ein günstiges Medikament kaufen und sich der Preis mit dem Medikamentenzuschlag fast verdoppelt.
Auf das Reizthema angesprochen, tut sich die Leiterin einer Apotheke zunächst schwer. «Ich will mich nicht in die Nesseln setzen», sagt sie. Am Ende gibt sie nur unter der Bedingung Auskunft, dass sie anonym bleiben kann.
«Die Frage, ob man diesen Check immer verrechnen muss, ist berechtigt.»
Sie befürwortet die beiden Abgaben zwar ausdrücklich und setzt sie in der eigenen Apotheke konsequent um. Dennoch kann sie verstehen, wenn ein Kunde den Medikamentencheck kritisiert, weil er seit Jahren in derselben Menge stets die gleichen Präparate bezieht: «Die Frage, ob man diesen Check immer verrechnen muss, ist berechtigt.»
Da es sich um eine Pauschale handelt, werden damit aber auch aufwendige Beratungen abgegolten. «Es kommt auch vor, dass Beratung und Abklärungen eine halbe Stunde dauern, und am Ende verkaufen wir gar nichts.»
Als wichtigen Punkt nennt die Apothekerin die Preisgestaltung. Anders als bei den meisten Unternehmen der Privatwirtschaft können Apotheken die Preise nicht selber bestimmen. Für rezeptpflichtige Medikamente legen Behörden sowohl Abgabepreis als auch Marge fest. Die Marge wird abgestuft, um den Anreiz zum Verkauf günstiger Medikamente zu erhöhen. Aufgrund dieser Preisregulierung sollen die Apotheken mit Zuschlägen für ihren Aufwand entschädigt werden.
Kein Verständnis hat die Apothekerin für Kritik am Bezugscheck. Denn hier gebe es mit dem Nachführen des Patientendossiers immer einen gewissen Aufwand. Auch wenn der Kunde oder die Kundin dies nicht wahrnehme.
So lässt sich der Zuschlag vermeiden
Wie Pharmasuisse einräumt, sind die Zuschläge für Medikamenten- und Bezugscheck keine Pflicht, sondern liegen in der unternehmerischen Freiheit der Anbieter. Praktisch alle Apotheken halten daran fest.
Für jene, die den Aufpreis nicht bezahlen wollen, gibt es trotzdem eine Alternative: Versandapotheken wie Mediservice in Zuchwil SO und Zur Rose, die seit Anfang Jahr zur Migros gehört, verrechnen bei Onlinebestellungen weder Medikamenten- noch Bezugscheck. Wichtig ist, dass Versicherte ein aktuelles Arztrezept vorlegen können, sonst klappt es nicht mit der Online-Bestellung. Selbst die erwähnte Apothekerin berichtet von Angehörigen, die solche Dienstleistungen nutzen.
Verschreibungspflichtige Medikamente sind zwar grundsätzlich durch die Krankenkasse gedeckt. Doch bei einer höheren Franchise und regelmässigem Kauf von Medikamenten können die Zuschläge für Medikamenten- und Bezugscheck im eigenen Portemonnaie durchaus einen spürbaren Unterschied ausmachen.
Empörung auch bei Apotheken
Auf dieses Thema reagieren nicht nur Kundinnen und Kunden, sondern auch Apothekerinnen und Apotheker empfindlich. Als diese Redaktion vor knapp einem Jahr darüber berichtete, folgten empörte Mails aus der Branche: Von einem «reisserischen Titel» und sogar von «Hetze» war die Rede. Ein Apotheker riet «dringend: Finger weg» von diesem Thema.
Nebst Kritik aus der Kundschaft dürften weitere Gründe dazu beitragen, dass die Nerven bei manchen der rund 1800 Apotheken in der Schweiz teilweise blank liegen. Der Kostendruck hat zugenommen. Aufgrund von Medikamentenengpässen ist der Aufwand für die Suche nach Alternativen gestiegen.
Die Beträge für Medikamenten- und Bezugscheck blieben laut Pharmasuisse seit deren Einführung im Jahr 2001 unverändert – trotz deutlich höherer Kosten für Löhne, Logistik und Infrastruktur. Zudem leidet die Branche unter einem akuten Fachkräftemangel.
Bald eine neue Regelung?
Es ist denkbar, dass die für Teile der Kundschaft schwer nachvollziehbare Pauschale für Medikamenten- und Bezugscheck durch eine neue Regelung ersetzt wird. Pharmasuisse bestätigt, dass derzeit Verhandlungen im Gang sind. Dabei geht es um den Tarifvertrag «Leistungsorientierte Abgeltung». Pharmasuisse will dazu noch keine Stellung beziehen.
Aus der Branche ist der Wunsch zu hören, dass in Zukunft Dienstleistungen je nach Aufwand mit unterschiedlichen Pauschalen verrechnet werden können. Die bisherigen Pauschalen für die Medikamentenabgaben könnte so hinfällig werden.
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